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Deutschland

"Aufrichtiger Demokrat" - Ex-Bundespräsident Köhler ist tot

Nach seiner Wahl 2004 entwickelte sich Köhler rasch zum beliebten Bundespräsidenten - und zu einem unbequemen. Steinmeier nennt ihn "einen Glücksfall für unser Land".

Berlin.

Der Tod des früheren Bundespräsidenten Horst Köhler hat in der Politik Bestürzung ausgelöst. Bundeskanzler Olaf Scholz würdigte ihn als "einen engagierten Politiker, der sich Zeit seines Lebens für eine gerechtere Welt eingesetzt hat", wie der SPD-Politiker auf der Plattform X mitteilte. Köhler starb am frühen Samstagmorgen im Alter von 81 Jahren nach kurzer schwerer Krankheit, wie das Bundespräsidialamt in Berlin mitteilte. Er war am 23. Mai 2004 zum Staatsoberhaupt gewählt und fünf Jahre später im Amt bestätigt worden. Am 31. Mai 2010 trat er überraschend zurück.

CDU-Chef Friedrich Merz sagte, mit Köhlers Tod verliere Deutschland einen "klugen Kopf, einen aufrichtigen Demokraten und einen Staatsmann, der unser Land geprägt hat". Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bezeichnete ihn in einem Kondolenzschreiben an seine Witwe Eva Luise Köhler als "einen Glücksfall für unser Land". Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) würdigte Köhlers "optimistische und unerschrockene Herangehensweise", die ihr häufig dabei geholfen habe, Lösungen auch für schwierige Probleme zu finden.

Nahbarkeit und Dialog seien Köhler zentrale Anliege gewesen, teilte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas in einem Kondolenzschreiben mit. "Wer mit ihm sprach, spürte, dass er es ernst damit meinte." Zugleich würdigte sie sein Engagement gegen den Klimawandel und in Afrika.

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hob die Bürgernähe Köhlers und sein feines Gespür für die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger und Sorgen hervor. Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) nannte Köhlers "Einsatz für soziale Gerechtigkeit und internationale Verantwortung auch über sein Amt hinaus - insbesondere für Afrika und eine gerechte Weltwirtschaft" sein Vermächtnis.

FDP-Chef Christian Lindner lobte Köhlers Blick auf die Wirtschaftspolitik. Er sei für freien Welthandel und sichere Handelswege eingetreten. "Damals wurde er dafür diffamiert. Heute erkennen wir seine Weitsicht", sagte Lindner. 

Erstmals kein Parteipolitiker als Bundespräsident 

Mit Köhler übernahm erstmals kein Parteipolitiker das höchste Amt im Staat. Der studierte Wirtschaftswissenschaftler hatte 1976 eine Beamtenlaufbahn im Bundeswirtschaftsministerium begonnen und wurde 1990 nach verschiedenen anderen Stationen Staatssekretär im damals von Theo Waigel (CSU) geführten Bundesfinanzministerium. Köhler war unter anderem deutscher Chefunterhändler für den Maastricht-Vertrag über die Europäische Währungsunion.

1993 wechselte er in die Finanzwelt, zunächst als Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, dann als Präsident der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in London. 2000 wurde er Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Rücktritt nur ein Jahr nach Wiederwahl

2004 wurde Köhler als Nachfolger von Johannes Rau neunter Bundespräsident. 2009 wählte ihn die Bundesversammlung erneut. Sein Rücktritt mit sofortiger Wirkung nur ein Jahr später war einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik.

Auslöser war ein Interview im Deutschlandradio Kultur, das Köhler auf dem Rückflug nach einem Besuch deutscher Soldaten im afghanischen Masar-i-Scharif gegeben hatte. Darin begründete er Auslandseinsätze der Bundeswehr auch mit der Wahrung deutscher Wirtschaftsinteressen. Kritiker warfen ihm vor, er habe so auch den Afghanistan-Einsatz gerechtfertigt, was Köhler dementierte. Er sah durch die Kritik sein Amt irreparabel beschädigt und zog die Konsequenzen.

Köhler trat 2010 überraschend zurück.
Köhler trat 2010 überraschend zurück. Bild: Wolfgang Kumm/dpa

Innenpolitisch ein unbequemer Präsident

Innenpolitisch sorgte Köhler immer wieder für Überraschungen - und für Unmut im Regierungslager. So weigerte er sich 2006, erst das Gesetz zur Privatisierung der Luftraumüberwachung und später das Verbraucherschutzgesetz zu unterzeichnen. Verfassungsrechtlich heikel war die Entscheidung 2005, den Bundestag aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen. Zuvor hatte Kanzler Gerhard Schröder (SPD) im Bundestag die Vertrauensfrage mit dem Ziel gestellt, diese zu verlieren.

Afrika als große Leidenschaft

Auf internationaler Ebene befasste sich Köhler vor allem mit Afrika, schon als IWF-Chef und noch mehr anschließend als Bundespräsident. Beharrlich warb er für eine gleichberechtigte Partnerschaft mit dem Nachbarkontinent. Diesem blieb er auch nach seinem Ausscheiden aus dem höchsten Staatsamt treu - unter anderem als UN-Sonderbeauftragter für den Westsahara-Konflikt von 2017 bis 2019. 

Zu aktuellen innenpolitischen Fragen äußerte sich Köhler nach seinem Rücktritt so gut wie nicht mehr. Dass ihm der Klimaschutz ein wichtiges Anliegen war, zeigte er 2021, als er die Schirmherrschaft für den ersten bundesweiten Bürgerrat für Klimapolitik übernahm. 

Köhlers besonderes Anliegen war der afrikanische Kontinent.
Köhlers besonderes Anliegen war der afrikanische Kontinent. Bild: Alina Novopashina/dpa

Steinmeier würdigt Köhler

Bundespräsident Steinmeier erinnerte daran, dass Köhler bei seiner Wahl 2004 einer größeren Öffentlichkeit nahezu unbekannt gewesen sei, sich aber schnell viel Anerkennung und Sympathie erworben habe. "Es waren vor allem seine Zugewandtheit, sein ansteckendes Lachen und sein Optimismus, es waren sein Glaube an die Stärke unseres Landes und an die Energie und die Kreativität seiner Menschen, die ihn so viele Herzen gewinnen ließen", schrieb Steinmeier. 

Steinmeier hob Köhlers Eintreten für einen fairen Umgang mit Afrika hervor - "dem Kontinent, dem sein Herz gehörte und den er so gut kannte". Köhler sei zutiefst überzeugt gewesen, dass Europa seine kolonialen Denkmuster ablegen und die afrikanischen Länder als gleichberechtigte Partner behandeln müsse. "Damit war er der Zeit weit voraus." (dpa)

© Copyright dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH
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