Regionale Nachrichten und News mit der Pressekarte
Sie haben kein
gültiges Abo.
Regionale Nachrichten und News
Schließen
Der deutsche Botschafter in den USA, Andreas Michaelis, hat eine scharfe Analyse zum "US-Rechtsstaat unter Trump 2.0" geschrieben. (Archivfoto)
Der deutsche Botschafter in den USA, Andreas Michaelis, hat eine scharfe Analyse zum "US-Rechtsstaat unter Trump 2.0" geschrieben. (Archivfoto) Bild: Susannah Ireland/dpa
Deutschland

Deutscher Botschafter: Ungewöhnlich klare Warnung vor Trump

Vor der Amtseinführung des neuen US-Präsidenten schickt der deutsche Botschafter in Washington, Andreas Michaelis, eine scharfe Analyse zum "US-Rechtsstaat unter Trump 2.0" nach Berlin.

Berlin.

Das dürfte auch in der neuen Trump-Regierung für Wirbel sorgen: Der deutsche Botschafter in den USA, Andreas Michaelis, warnt für einen Diplomaten außergewöhnlich klar vor massiven negativen Veränderungen der US-Politik durch den neuen Präsidenten Donald Trump. Er nennt unter anderem die Themen Meinungsfreiheit und Justiz.

Die Agenda Trump 2.0 "der maximalen Disruption, des Aufbrechens etablierter politischer Ordnung und bürokratischer Strukturen sowie seine Rachepläne bedeuten letztlich eine Neudefinition der verfassungsrechtlichen Ordnung", schreibt Michaelis in einem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden sogenannten Drahtbericht an das Außenministerium von Ministerin Annalena Baerbock (Grüne).

Dies bedeute "maximale Machtkonzentration beim Präsidenten zulasten von Kongress und Bundesstaaten", fügt Michaelis mit Blick auf die Amtseinführung Trumps am Montag hinzu. "Demokratische Grundprinzipien sowie checks and balances (Kontrolle und Ausgleich) werden weitestgehend ausgehebelt, Legislative, Gesetzesvollzug sowie Medien ihrer Unabhängigkeit beraubt und als politischer Arm missbraucht, Big-Tech erhält Mitregierungsgewalt."

Kritischer Bericht von Michaelis ging auch ans Kanzleramt

Die von Michaelis gezeichnete "Diplomatische Korrespondenz" hat den Betreff: "Der US-Rechtsstaat unter Trump 2.0. Trumps Spielraum zur Neudefinition der verfassungsrechtlichen Ordnung". Sie ging am Dienstag unter anderem an das Auswärtige Amt in Berlin sowie an das Bundeskanzleramt sowie das Innen- und das Justizministerium. Das fünfseitige Schreiben ist mit der untersten von vier Geheimhaltungsstufen für Behörden versehen: "VS - Nur für den Dienstgebrauch". Die Abkürzung VS steht für das Wort Verschlusssachen. Michaelis war in der Amtszeit von Außenminister Joschka Fischer (Grüne) von 1999 bis 2002 Sprecher des Auswärtigen Amts.

AA: Werden mit der neuen Administration eng zusammenarbeiten

Aus dem Auswärtigen Amt hieß es, man äußere sich grundsätzlich nicht zu internen Papieren, Analysen oder Botschaftsberichten. Klar sei aber, dass die USA einer der wichtigsten Verbündeten seien. "Die Amerikaner haben sich in einer demokratischen Wahl für Präsident Trump entschieden. Natürlich werden wir auch mit der neuen US-Administration im Interesse Deutschlands und Europas eng zusammenarbeiten." Die Bundesregierung pflege in den USA ein enges Beziehungsnetz in die Breite der Gesellschaft, in die Bundesstaaten sowie im US-Kongress über Parteigrenzen hinweg.

Michaelis: Angriff deutlich orchestrierter und rechtlich wasserfester

"Der Angriff ist diesmal mit dem Playbook des Project 2025 deutlich orchestrierter und rechtlich wasserfester", schreibt Michaels im Vergleich zu Trumps erster Amtszeit von 2017 bis 2021. Die für Tag eins erwarteten Beschlüsse seien von langer Hand durch Anwälte vorbereitet. Trumps Führungsteam sei "bereit, rechtliche Graubereiche und Schlupflöcher zu nutzen" und auf die vom Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten "dem Präsidenten bescherte zusätzliche Macht und Immunität zu setzen". Die republikanische Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses "scheint bisher offen, Vieles zu dulden und neue Eingriffe zu regeln".

Zwar würden sich unter anderem Demokraten, Zivilgesellschaft und Medien "intensiv gegen T.'s Angriffe auf föderale, demokratische und rechtsstaatliche Festen" vorbereiten, heißt es in dem Schreiben weiter. Angesichts professioneller rechtlicher Planung werde es aber deutlich schwerer, Trumps Maßnahmen vor Gericht ein schnelles Ende zu setzen. "Zudem lassen Drohungen, befürchtete Sanktionen und das Vorgehen gegen Kritiker den Widerstand bereits schwinden", analysiert Michaelis. 

Wichtige Rolle für den Obersten Gerichtshof der USA

Der Justiz, allen voran dem Obersten Gerichtshof (Supreme Court), werde eine zentrale Rolle zukommen, da zu erwarten sei, dass noch viel mehr als früher politische und Kompetenzstreitigkeiten dort ausgetragen würden, schreibt der Botschafter. Auch wenn der Gerichtshof zuletzt die präsidiale Macht ausgeweitet habe, gingen selbst größte Kritiker davon aus, dass er Schlimmstes verhindern werde. 

"Es bleibt aber die Gefahr schwer umkehrbarer Präzedenzen, einer Aushöhlung rechtsstaatlicher Grundsätze sowie nachhaltigen Schwächung der Institutionen, von der auch die Justiz nicht verschont bleiben wird", warnt Michaelis. Trump werde weiterhin "Recht und Justiz nur akzeptieren, wenn es seinen Zwecken dient, und hierzu alle Mittel einsetzen". Der neue US-Präsident werde "weiter alles tun, um die Justiz für seine Agenda zu nutzen und ihrer Kontrolle zu entkommen". Die größte Befürchtung bleibe, dass Trump "die Justiz weiter diskreditieren, im Zweifel Urteile missachten könnte".

Michaelis: Großer Spielraum für außenpolitische Alleingänge

"Außenpolitische Alleingänge wie der Ausstieg aus internationalen Verträgen oder konkrete militärische Entscheidungen" seien erneut denkbar, schreibt der Botschafter weiter - hierfür gebe es großen Spielraum. 

Unter der Zwischenüberschrift "Einhegung der vierten Gewalt" ergänzt der Botschafter, die Meinungsfreiheit gelte vor allem "für das MAGA-Wort, gegen Kritiker und nicht kooperierende Medienunternehmen gehen T. und Musk (M.) bereits vor. Der eine nutzt Klagen, droht mit Strafverfolgung und Lizenzentzug, der andere lässt Algorithmen manipulieren und Konten sperren." 

Die Abkürzung MAGA steht für Trumps Motto "Make America Great Again" (Deutsch: Macht Amerika wieder großartig). Tesla- und SpaceX-Chef Elon Musk, dem auch die Plattform X gehört, steht eng an der Seite von Trump, unterstützt öffentlich die AfD und hat Kanzler Olaf Scholz (SPD) sowie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf X beschimpft. (dpa)

© Copyright dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH
Das könnte Sie auch interessieren
10.02.2025
3 min.
„Es ist schon etwas bescheuert“: Familie zieht an lautstarke Bundesstraße 174 im Erzgebirge
Benjamin Fiedler steht an der B 174 in Hohndorf. Im Hintergrund: sein neues Eigenheim.
Benjamin Fiedler baut sein Wohnhaus an der B 174 in Hohndorf und damit ausgerechnet an einer der meistbefahrenen Transitstrecken im Erzgebirge. Warum tut er das?
Georg Müller
10.02.2025
4 min.
Arrow-Abwehrraketen werden an Sachsens Grenze stationiert
Das Raketenabwehrsystem Arrow 3 kann Nuklearwaffen außerhalb der Erdatmosphäre abfangen Deutschland hat drei davon in Israel gekauft.
Putins Raketenangriffe in der Ukraine haben Berlin aufgeschreckt. Für knapp vier Milliarden Euro hat die deutsche Regierung deshalb in Israel das Luftverteidigungssystem „Arrow“ gekauft. Das wird jetzt installiert – in einem Wald in Ostdeutschland nahe der Grenze zu Sachsen.
Jürgen Becker
20.01.2025
7 min.
"Fast wie Gott" - Trump lässt sich vor Vereidigung feiern
Am Vorabend seiner Vereidigung als 47. US-Präsident ließ sich Donald Trump in der Hauptstadt von Anhängern feiern.
Am Vorabend seiner Amtseinführung wird Trump von Anhängern als Heilsbringer bejubelt. Er verspricht ihnen, am ersten Tag im großen Stil abzuliefern. Vor allem auf eine Gruppe hat er es abgesehen.
21.01.2025
5 min.
Trump testet Grenzen der Macht aus - erste Klagen
Trump hat an seinem ersten Tag im Amt eine Welle an Entscheidungen verfügt.
In seine neue Amtszeit ist Donald Trump mit einer Welle von Entscheidungen gestartet. Er hat ein starkes Mandat für die Abkehr vom Kurs der Vorgängerregierung. Doch es regt sich auch Widerstand.
19:17 Uhr
4 min.
Bundestag: Eine Harte Debatte – und eine letzte Botschaft
Bundeskanzler Olaf Scholz (links) begrüßt den ehemaligen SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert zu dessen letzter Sitzung im Bundestag. Kühnert zieht sich aus gesundheitlichen Gründen aus der Politik zurück und tritt nicht mehr zur Bundestagswahl an.
Kurz vor der Bundestagswahl liefern sich Olaf Scholz und Friedrich Merz im Bundestag noch eine harte Debatte. Seine letzte Rede hält Kevin Kühnert. Und der hat dem Unionskanzlerkandidaten noch etwas zu sagen.
Tobias Peter
19:20 Uhr
6 min.
"Nervenkrieg": Gaza-Waffenruhe auf Messers Schneide
Stopp der Geisel-Freilassungen und Faktor Trump - wie steht es um die Waffenruhe im Gazastreifen?
Die Hamas stoppt die Freilassung weiterer Geiseln, daraufhin verkündet Trump ein Ultimatum und droht Gaza mit der "Hölle". Scheitert nun die mühsam erzielte Waffenruhe und der Krieg bricht wieder los?
Sara Lemel und Christoph Meyer, dpa
Mehr Artikel