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Deutschland

Die "Soli-Grüße" des Thomas G.

Einen Kronzeugen-Deal mit Beate Zschäpe lehnt der Generalbundesanwalt ab. Doch auch wenn die mutmaßliche Terroristin weiter schweigt, liefert sie Spuren. Im Untergrund sind Namen nämlich nicht nur Schall und Rauch.

Zwickau/Altenburg. Unter ihrem echten Namen war Beate Zschäpe in Zwickau kaum bekannt. Über Jahre trat sie unter Aliasnamen auf. Im Zwickauer Ortsteil Weißenborn war ihr geläufigster Name "Susann D.", wobei das D. für den Nachnamen des aus Johanngeorgenstadt stammenden Matthias D. steht. Der 34-Jährige, der in seiner Jugend der rechtsextremen Szene angehörte, war Mieter der Wohnung in der Zwickauer Frühlingsstraße, die er dem Terror-Trio untervermietete.

Bahncards und Aliasnamen

Auch Zschäpes Alias-Vorname "Susann" entsprang nicht der Fantasie. Die Frau des inzwischen inhaftierten mutmaßlichen Terrorhelfers André E., der in seiner Zwickauer Medienfirma im Jahr 2007 das Paulchen-Panther-Bekennervideo zur sogenannten Dönermord-Serie erstellt haben soll, hat einen fast gleich lautenden Vornamen. Bahncards des Ehepaars E. wurden in dem in Eisenach ausgebrannten Wohnmobil gefunden, in dem Uwe Mundlos (38) kurz vorm Zugriff der Polizei erst seinen Komplizen Uwe Böhnhardt (34) und nach Legen des Feuers sich selbst erschossen haben soll. Auch wenn Beate Zschäpe als einzige Überlebende des rechtsextremen Zwickauer Trios bisher schweigt, eröffnet ihr zweiter Aliasname jetzt einen weiteren Ermittlungsstrang.

Hackerangriff auf Neonazi-Foren

Auch als "Mandy S." war sie in Erscheinung getreten, wobei der hier gekürzte Name identisch ist mit dem einer ebenfalls aus Johanngeorgenstadt stammenden Frau, die im Verdacht steht, das untergetauchte Trio zeitweise in ihrer Wohnung empfangen zu haben. Die echte Mandy S. ist für Presseanfragen nicht erreichbar. Sie soll Kontakte zu einer "weißen Bruderschaft Erzgebirge" in Lauter gepflegt haben, die mit der seit 2000 in Deutschland verbotenen "Blood-and-Honour"-Bewegung verbunden war. Zudem soll sie im seit September dieses Jahres verbotenen Verein HNG engagiert gewesen sein. HNG steht für "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige". Der Verein koordinierte die Kommunikation mit rechtsextremen Straftätern in Haft und war mit rund 600 Mitgliedern die bundesweit stärkste Neonazi-Vereinigung.

Mandy S.' Name taucht nun in einem weiteren Zusammenhang auf. Ein führender Kopf aus der Thüringer Szene, der 32-jährige Thomas G. aus Meuselwitz bei Altenburg, nutzte ihn bei zwei rechtsextremen Foren im Internet als persönliches Passwort - und das seit 2006. Die Foren wurden von Hackern der Extremismus-Rechercheplattform "Gamma" geknackt, ihre Daten offengelegt. Unter seinem Nutzernamen "Ace", frei nach dem Namen der Szene-Zeitschrift "Ace of Spades", die er einmal herausgegeben hatte, loggte sich Thomas G. mit dem Namen von Mandy S. als Passwort ein. Das belege, dass er entweder die echte Mandy S. oder Beate Zschäpe unter ihrem Aliasnamen "schon seit 2006 gekannt haben muss", urteilt einer der Gamma-Rechercheure auf Rückfrage der "Freien Presse".

Das ist bereits eine zweite Verbindung, die sich zwischen Thomas G. und dem Unterstützerkreis des Terror-Trios offenbart. Der bereits bekannte erste Verbindungsstrang verläuft über die Jenaer Wurzeln der drei, konkret über den bisher letzten in Haft genommenen Verdächtigen, den ehemaligen Jenaer NPD-Chef Ralf Wohlleben. "Wolle" wie er in der Szene heißt, ist ein alter Weggefährte von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe aus deren Zeit vor dem Abtauchen in den Nationalsozialistischen Untergrund. Wohlleben gehörte wie der in Niedersachsen festgenommene mutmaßliche Passbeschaffer Holger G. zur Kameradschaft Jena, in der das Terrortrio aktiv war. Verhaftet wurde Wohlleben, weil er in Verdacht steht, seinen abgetauchten Freunden eine Pistole samt Munition besorgt und sie nach ihrem Verschwinden finanziell unterstützt zu haben. Als eine Geldquelle der Unterstützung gelten jene "Feste der Völker", die Wohlleben ab 2005 in Thüringen organisierte, zusammen mit André K., ebenfalls vormals Mitglied der eingeschworenen Kameradschaft Jena und mit besagtem Thomas G. aus Altenburg. Als die ursprünglich in Jena veranstalteten rechtsradikalen Rockfestivals immer größere Protestveranstaltungen aus der Bevölkerung provozierten, wich man 2008 zunächst in Thomas G.'s Heimatregion nach Altenburg aus, 2009 dann nach Pößneck im Thüringer Wald.

Verbindungen zu Ralf "Wolle" Wohlleben und André K. hatte Thomas G. bereits in den 90er-Jahren. Auch er war im "Thüringer Heimatschutz" aktiv, jenem Sammelbecken, das den Neonazi-Kameradschaften eine Art Dach bot. Wegen gefährlicher Körperverletzung verbüßte Thomas G. eine mehrjährige Haftstrafe, während der er einen "Kameradschaftsbund für Thüringer POWs", kurz für "prisoners of war", der englische Begriff für Kriegsgefangene, gegründet und Kontakte zur HNG geknüpft haben soll. Laut Bericht des Thüringer Verfassungsschutzes von 2006 entwickelte sich Thomas G. seit der Haft zum Bindeglied zur internationalen Neonazi-Szene, etwa in der Schweiz und in Portugal. Im Altenburger Land baute er zugleich die Gruppierung "Nationaler Sozialisten" auf.

Geburtshelfer der Szene Zwickau

Thomas G.s zweite Verbindung zum mutmaßlichen Unterstützerkreis des Terrortrios verläuft, so scheint es angesichts seines Kontakts zu Mandy S., nun direkt über den Raum Zwickau. Dort tat Thomas G. sich seit 2007 ohnehin als Geburtshelfer einer neuartigen Neonazi-Szene hervor. Aus seinem Altenburger Kreis entsandte er die Nachwüchsler Daniel P. und Sören L. nach Zwickau, die in der Bahnhofsvorstadt eine Kameradschafts-WG gründeten. Über das sogenannte Freie Netz, eine ebenfalls Thomas G. zugeschriebene neue, strafrechtlich schwer zu greifende Organisationsform der ehemaligen Kameradschaftsszene im Internet, koordinierte Daniel P. Aktionen der Zwickauer Gruppe, die sich zunächst "Autonome Nationalisten" nannte. Später wählte die Gruppe analog zum Altenburger Pendant den Namen "Nationale Sozialisten". Bei Demonstrationen in Zwickau, mehrfach von Thomas G. angemeldet, trat Daniel P. als Wortführer auf.

Grüße an den Kameraden in Haft

Auch wenn der Verfassungsschutzbericht 2006 bei den "Autonomen Nationalisten" eine "niedrige Hemmschwelle im Hinblick auf Gewaltanwendung" ausmachte, sie vom Bundesverfassungsschutz gar als "neue SA" für den Kampf um die Straße charakterisiert wurden, gab es bei Zwickauer Demos keine offene Gewalt. Eher gaben sich die Mitglieder diskutierfreudig. Dennoch landete Daniel P. 2008 wegen Körperverletzung vor Gericht. War er bei Zwickauer Demos nur skandierend in Aktion getreten, so hatte er bei einer verbotenen Demo in Zeitz zugetreten - gegen die Brust eines Polizisten. Wegen versuchter Körperverletzung wurde er verurteilt. Bei der Gerichtsverhandlung stand ihm sowohl Thomas G. mit rechtlichen Tipps zur Seite, als auch der Ronneburger Rechtsextremist Christian Bärthel, seinerzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter im Zwickauer Büro des damaligen NPD-Landtagsabgeordneten Peter Klose.

Mit offener Gewalt in seinem direkten Umfeld hält sich auch Thomas G. inzwischen zurück. In den letzten Monaten trat er öffentlich kaum in Erscheinung, lediglich als Fußballfan der SG Leipzig Leutzsch, bei deren Spielen es mitunter zu Vorwürfen rechtsextremer Gesänge im Fanblock kommt. Aus der Neonazi-Szene zurückgezogen hat sich G. indes nicht. Er ist auf Bildern eines Fotoalbums zu sehen, das einer seiner Kameraden nach einem Konzert der militanten "Hammerskins"- Bewegung, das im April dieses Jahres in Portugal stattfand, auf seinem Facebook-Profil ins Internet gestellt hat.

Thomas G. selbst ist für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Presseanfragen über sein Facebook-Profil löscht er unbeantwortet, zieht lieber in seinem internen Chat-Room über Journalisten und deren Berichterstattung her. Freundlichere Worte findet er für seinen inhaftierten Freund Ralf Wohlleben: "Freiheit für Wolle!", schreibt er da und hilft anderen Chatpartnern mit der Haftadresse aus - zum Versenden solidarischer Grüße an den mutmaßlichen Terroristenhelfer. (mit uk)

 

Die internationalen Hammerskins und ihr Sachsen-Ableger

Zwei gekreuzte Hämmer sind das Symbol der "Hammerskin"-Bewegung aus den USA. Seit Anfang der 90er-Jahre sind ihre Strukturen auch in Europa bekannt. 1993 wurde ein sogenanntes "Chapter" der Hammerskins in Sachsen aufgebaut. Die sich als elitär verstehende Vereinigung verfolgt das Ziel einer rassisch "reinen" Gemeinschaft. Die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelte ab 2002 wegen Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Bei Razzien in sieben Bundesländern wurden 2002 Hunderte CDs sowie Abzeichen und Schreckschusswaffen beschlagnahmt. Das Verfahren führte nicht zur Anklage. Der aus Sebnitz stammende Mirko H. galt bis zu seiner Inhaftierung im Juli 2000 als Führer des deutschen Ablegers der "Hammerskins". Er wurde später als V-Mann enttarnt. (eu/uk)

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