Regionale Nachrichten und News mit der Pressekarte
Sie haben kein
gültiges Abo.
Regionale Nachrichten und News
Schließen
Deutschland
Drei Jahrzehnte Kampf für Reformen in der Kirche

Frauen ins Priesteramt, weniger Fixierung auf Sexualmoral: Seit dreißig Jahren ruft "Wir sind Kirche" nach Reformen in der katholischen Kirche. Aber verändert hat sich wenig. Oder doch?

Nürnberg.

Reformen in der katholischen Kirche? Dazu haben längst nicht nur Katholikinnen und Katholiken eine Meinung, gilt die Kirche doch als Global Player mit 2000 Jahren Geschichte auf dem Buckel. Die einen finden die Institution starr, verstaubt, männerdominiert. Die anderen meinen, es darf ruhig alles so bleiben wie es ist, vielleicht sogar wieder ein bisschen strenger werden. Wofür die Organisation "Wir sind Kirche" seit 30 Jahren kämpft, ist klar: keine Pflicht zur Ehelosigkeit für Priester, Frauen im Priesteramt, weniger Hierarchie, mehr Mitbestimmung, keine Fixierung auf die Sexualmoral. Es ist ein Reformpaket, das an den Grundfesten der Institution rüttelt.

Aber was hat es gebracht, das Drängen auf Veränderungen, die Demos, die offenen Briefe, die Unterschriften, die Interviews seit nun schon drei Jahrzehnten? Kirchenrechtlich sei bislang keine der formulierten Grundforderungen umgesetzt, räumt Christian Weisner aus dem Bundesteam der Organisation ein. 

Es wird geredet - immerhin

Vor dem Jubiläumstreffen von diesem Freitag (7. November) an in Nürnberg weist er aber auch darauf hin, dass geredet werde. Man habe allemal erreicht, dass eine intensive Diskussion begonnen habe über seit dem 2. Vatikanischen Konzil (1962-1965) "längst überfällige" Reformen. Freilich - dazu habe es das Jahr 2010 gebraucht, als die Kirche vom Missbrauchsskandal erschüttert wurde. 

Der Synodale Weg soll in Deutschland Reformen in der katholischen Kirche ermöglichen. (Archivbild)
Der Synodale Weg soll in Deutschland Reformen in der katholischen Kirche ermöglichen. (Archivbild) Bild: Arne Dedert/dpa

"Seit Ende 2019 werden endlich, wenn auch viel zu spät, genau unsere Reformthemen auf dem Synodalen Weg in Deutschland, den die Bischöfe gemeinsam mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) gestartet haben, intensiv beraten", sagt Weisner. "Der Synodale Weg hat viele wegweisende Beschlüsse gefasst, diese müssen jetzt endlich umgesetzt werden."

So sieht die Bischofskonferenz "Wir sind Kirche"

Und tatsächlich - "Wir sind Kirche" wird ernst genommen inzwischen, das zeigen auch die Worte des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Georg Bätzing, zum Jubiläum: "30 Jahre "Wir sind Kirche" bedeutet 30 Jahre kritische Wegbegleitung der Kirche in Deutschland und insbesondere der Bischofskonferenz. Einfach war dieser Weg nicht, aber er war stets konstruktiv. Und es ist ein Weg des Dialogs und der Wertschätzung." Die Organisation sei drangeblieben an den Themen - bis heute. "Dem gebührt Respekt."

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bätzing, findet, "Wir sind Kirche" begleite konstruktiv. (Archivbild)
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bätzing, findet, "Wir sind Kirche" begleite konstruktiv. (Archivbild) Bild: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Die Präsidentin des Zentralkomitees der Katholiken in Deutschland (ZdK), Irme Stetter-Karp, sagt, sie freue sich, dass es das Engagement von "Wir sind Kirche" gebe: "Schon früh kamen von dort wichtige Impulse, die weiterhin ihrer Umsetzung in der Kirche harren."

Aufwind durch Franziskus

Gerade unter Papst Franziskus sahen sich Reformkräfte zunächst im Aufwind - dass er sich für Geflüchtete und Arme einsetzte und zum Schutz der Umwelt aufrief, entsprach genau dem, was auch "Wir sind Kirche" forderte: "Anstelle der lähmenden Fixierung auf die Sexualmoral" sollten andere Themen stärker betont werden wie soziale Gerechtigkeit oder Bewahrung der Schöpfung. 

Aber was ist mit all den anderen Themen? Franziskus berief zwar eine Weltsynode ein, doch konkrete Auswirkungen auf den Alltag in der katholischen Kirche blieben aus. Der Weg ins Priesteramt führt immer noch über die Ehelosigkeit, Frauen dürfen weiterhin nicht einmal Diakoninnen werden. Mitbestimmungsrechte für die Gläubigen gibt es höchstens bei der Anzahl der Torten fürs Gemeindefest. 

Und was macht Papst Leo?

Derweil sinkt die Mitgliederzahl weiter, die Zahl der Neupriester ebenso. Zugleich sind die Fronten zwischen Bewahrern und Reformern verhärtet. Und wohin der Kurs des im Mai gewählten Papstes Leo XIV. führt, ist noch weitgehend unklar. 

Die Hoffnung aber gibt man nicht auf bei "Wir sind Kirche" - im Gegenteil: Immer mehr Bischöfe sprächen sich für die Aufhebung des Pflichtzölibats aus und setzten sich für den Zugang von Frauen zu Weiheämtern ein, sagt Weisner. Vor allem mit der Wahl von Franziskus 2013 sei ein Ende von Denk- und Redeverboten angebrochen. Und: Der neue Papst habe sich von Anfang an zum Reformprozess von Franziskus bekannt, "sodass wir guter Hoffnung sind, dass jetzt Schritt für Schritt auch kirchenrechtliche Umsetzungen erfolgen".

Neue Reformgruppen im Land

Die Stimme von "Wir sind Kirche" werde gehört, sagt der Theologe und emeritierte Professor der Uni Dortmund, Norbert Mette. Das geistige und geistliche Klima in der katholischen Kirche habe sich in den vergangenen 30 Jahren erheblich verändert. Es könne nun freier und offener über Themen diskutiert werden, bei denen man früher noch Sanktionen fürchten musste.

Wie viele Unterstützerinnen und Unterstützer "Wir sind Kirche" in Deutschland hat, erfasst die Bewegung nicht. Nach eigenen Angaben nutzt man bewusst keine Vereinsstrukturen, um dem ZdK keine Konkurrenz zu machen. In Deutschland seien mittlerweile viele andere Reformgruppen entstanden, sagt Sigrid Grabmeier aus Deggendorf. Auch sie ist seit vielen Jahren engagiert bei "Wir sind Kirche". Man sei eng vernetzt - auch international. (dpa)

© Copyright dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH
Das könnte Sie auch interessieren
18:00 Uhr
4 min.
Motorstottern im Erzgebirge: Tankstelle stoppt Verkauf von Super
An der Star-Tankstelle in Stollberg hat es ein Problem mit Wasser im Benzin gegeben.
Eine Verunreinigung mit Wasser sorgt für Probleme in Fahrzeugtanks in Stollberg. Die Ursache ist inzwischen bekannt. Doch welches Ausmaß hat das Problem? Und was können Betroffene tun?
Michael Urbach
06.11.2025
3 min.
18 Jahre lang gesammelt: Freiberger spendet seine Kronkorken
David Voigt hat 18 Jahre lang Kronkorken gesammelt. Und dann erfuhr er von der Kronkorken Aktion für einen guten Zweck und spendete seine gesammelten Kronkorken.
Die Kronkorken-Sammelaktion in Freiberg hat David Voigt motiviert, seine Sammlung für den guten Zweck zu spenden. Aber warum sammelt man überhaupt so lange Bierkappen?
Cornelia Schönberg
10:00 Uhr
4 min.
EHV Aue: Pünktlich vorm Tanz beim Spitzenreiter kommt im Rückraum ein Leistungsträger zurück
So kennen und lieben ihn die Fans: Paul Bones vom EHV Aue steigt zum Wurf nach oben. Er kehrt nach einer Verletzung nun wieder auf die Platte zurück. Und mehr noch.
Im Auswärtsspiel bei den Jungfüchsen Berlin feiert Handballer Paul Bones nach langer Verletzungspause diesen Sonnabend sein Comeback. Der 21-Jährige leistete im Erzgebirge zudem eine wichtige Unterschrift.
Anna Neef
10:03 Uhr
4 min.
Cold Case Simone Strobel: Forensikerin will neue DNA-Analyse
Die Familie hofft 20 Jahre nach der Tat weiter auf Antworten. (Archivbild)
20 Jahre nach dem Tod der deutschen Backpackerin Simone Strobel in Australien steht fest: Sie wurde getötet – doch von wem, bleibt unklar. Die Polizei soll zwei alte DNA-Spuren erneut untersuchen.
23.10.2025
4 min.
Kein Job für Konfessionslose? Karlsruhe prüft Kirchen-Urteil
Karlsruhe hat ein Urteil aus Erfurt unter die Lupe genommen. (Archivbild)
Darf ein kirchlicher Verein Religion zur Einstellungsbedingung machen? Die Frage ging von Berlin über Erfurt nach Luxemburg und zurück - und schließlich nach Karlsruhe. Worum es in dem Fall geht.
Jacqueline Melcher, dpa
23.10.2025
5 min.
Kein Job für Konfessionslose? Karlsruhe kippt Kirchen-Urteil
Karlsruhe hat ein Urteil aus Erfurt unter die Lupe genommen. (Archivbild)
Darf ein kirchlicher Verein Religion zur Einstellungsbedingung machen? Die Frage ging von Berlin über Erfurt und Luxemburg schließlich nach Karlsruhe. Dort wird die kirchliche Selbstbestimmung betont.
Jacqueline Melcher, dpa
Mehr Artikel