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1.245 Tage war Olaf Scholz Bundeskanzler, wenn er am Dienstag die Amtsgeschäfte an seinen Nachfolger Friedrich Merz übergibt.
1.245 Tage war Olaf Scholz Bundeskanzler, wenn er am Dienstag die Amtsgeschäfte an seinen Nachfolger Friedrich Merz übergibt. Bild: Michael Kappeler/dpa
Deutschland
"Respect" zum Abschied: Zapfenstreich für Scholz

Tränen fließen nicht. Sichtlich ergriffen ist der Kanzler beim Abschied aber schon. Viele Weggefährten aus seinen Regierungsjahren erweisen ihm beim Zapfenstreich die Ehre. Einer fehlt aber.

Berlin.

Nach drei Jahren und knapp fünf Monaten im Amt ist Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit einem Großen Zapfenstreich von der Bundeswehr verabschiedet worden. Die Tränen kamen dem als nicht besonders emotional bekannten Kanzler zwar nicht, als das Stabsmusikkorps zum Abschied den Soul-Klassiker "Respect" für ihn spielte. Ergriffen war er aber schon - und musste zum Schluss ein bisschen schmunzeln.

Auf der Tribüne saß neben seiner Frau Britta Ernst und den meisten Ministerinnen und Ministern seines Kabinetts auch sein designierter Nachfolger Friedrich Merz mit Frau Charlotte. Sollte der CDU-Chef am Dienstag vom Bundestag zum Kanzler gewählt werden, findet schon am Nachmittag die Amtsübergabe im Kanzleramt statt. Dann ist der neunte Regierungschef der Bundesrepublik Deutschland Geschichte. 

Scholz mahnt Zusammenhalt unter Demokraten an

In seiner Abschiedsrede auf dem Paradeplatz des Verteidigungsministeriums würdigte Scholz den unmittelbar bevorstehenden Regierungswechsel als "Ausdruck demokratischer Normalität". Es sei in diesen Zeiten "keineswegs normal, dass sich ein solcher Wechsel so zivilisiert, so kollegial und so anständig vollzieht, wie wir das in diesen Tagen hier in Deutschland erleben", sagte der SPD-Politiker.

Diesen zivilen Umgang unter Demokratinnen und Demokraten gelte es zu schützen und zu bewahren. "Denn er ist kostbar", sagte Scholz. Es brauche das grundlegende Verständnis, dass "Deutschland dann – und nur dann – stark ist, wenn wir es zusammenhalten".

Pistorius: "In schwierigen Momenten hast Du Kurs gehalten"

Seinem designierten Nachfolger Merz wünschte Scholz für alle Aufgaben und Herausforderungen "viel Erfolg, Fortüne und eine glückliche Hand". Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) würdigte den scheidenden Kanzler als "Staatsmann", der Deutschland mit Entschlossenheit, Klugheit und Besonnenheit durch stürmische Zeiten geführt habe. "In schwierigen Momenten hast Du Kurs gehalten", sagte Pistorius, der als einziger Bundesminister aus der Regierung Scholz auch dem neuen Kabinett unter Merz angehören wird 

Beatles, Bach und Soul vom Stabsmusikkorps

Der Zapfenstreich ist eine Militärzeremonie nach Sonnenuntergang im Fackelschein, mit der traditionell alle Kanzler, Bundespräsidenten, Verteidigungsminister und hochrangige Militärs verabschiedet werden. Dabei dürfen die Geehrten drei Musikwünsche äußern. Scholz hatte sich für "In My Life" von den Beatles, einen Auszug aus dem "2. Brandenburgischen Konzert" von Johann Sebastian Bach und den Soul-Klassiker "Respect" entscheiden, der in der Version von Aretha Franklin ein Welthit wurde. Respekt war das zentrale Schlagwort von Scholz' erfolgreichem Bundestagswahlkampf 2021, nach dem er Kanzler wurde. 

Für Lindner gehen väterlichen Pflichten vor

Auf der Tribüne kam die zerbrochene Ampel-Koalition noch einmal zusammen - zumindest zum Teil. Die ehemaligen FDP-Minister Marco Buschmann und Bettina Stark-Watzinger erwiesen Scholz die Ehre. Der frühere Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner, den Scholz im erbittert geführten Ampel-Streit über den Haushalt entlassen hatte, blieb der Abschiedszeremonie dagegen fern. "Meine Abwesenheit hat keinen politischen Hintergrund. Heute Abend gehen väterliche Pflichten vor", schrieb er auf X zur Begründung.

Vizekanzler Robert Habeck von den Grünen war dagegen ebenso dabei wie Außenministerin Annalena Baerbock. Sogar die frühere Verteidigungsministerin Christine Lambrecht, die nach massiver Kritik ihren Rücktritt bei Scholz eingereicht hatte, kehrte an ihre alte Wirkungsstätte zurück. Zum Abschied gab es langen Applaus für Scholz, bevor er mit seiner Wagenkolonne vom Paradeplatz des Ministeriums fuhr. 

Nur Erhard und Kiesinger waren kürzer im Amt

Wenn Scholz am Dienstag ausscheidet, waren mit Ludwig Erhard (1963 bis 1966) und Kurt Georg Kiesinger (1966 bi 1969) nur zwei von acht Vorgängern kürzer im Amt als er. Was von seiner Kanzlerschaft bleibt, werden nach seinem Abschied die Historiker unter sich klären. Langfristig erinnern wird man sich auf jeden Fall an seine Zeitenwende-Rede im Bundestag vier Tage nach der russischen Invasion in der Ukraine. Scholz brach damals mit dem Tabu, keine Waffen in laufende Kriege zu liefern und setzte ein 100 Milliarden schweres Sondervermögen für die Bundeswehr auf - ein historischer Moment, der das Land verändert hat.

Bleiben wird aber auch, dass das Experiment der ersten Ampel-Koalition auf Bundesebene aus SPD, FDP und Grünen krachend gescheitert ist. Scholz wollte daraus ein Projekt für mehr als eine Legislaturperiode machen. Die Ampel zerbrach jedoch, bevor sie drei Jahre alt wurde - an endlosen Streitereien vor allem über die Finanzen.

Vom Kanzleramt auf die Hinterbank

Scholz wird nun vom Kanzleramt auf die Hinterbank des Bundestags wechseln und will dort als direkt gewählter Abgeordneter in seinem Wahlkreis Potsdam auch die ganze Legislaturperiode bleiben. "Das höchste Amt, in das man in Deutschland direkt gewählt werden kann, ist das des Abgeordneten im Deutschen Bundestag", hat er schon vor der Wahl als Begründung gesagt.

Auf ein bisschen mehr Freizeit freut er sich aber auch. "Ausschlafen würde ich gerne öfter", hat er mal in einem "Zeit"-Podcast verraten. Ab Mittwoch ist Zeit dafür. (dpa)

© Copyright dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH
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