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Spaltet sich jetzt die Linke?
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Für Sahra Wagenknecht läuft in der Linken schon lange vieles falsch. In der Partei sind aber auch viele genervt von der so bekannten wie pointierten Politikerin. Fängt die 53-Jährige jetzt etwas Neues an?
Die Absage der Bundestagsabgeordneten Sahra Wagenknecht an eine weitere Kandidatur für die Linke schürt neue Spekulationen über eine Spaltung der Partei. Linken-Chefin Janine Wissler kritisierte am Samstag Erwägungen, eine neue Partei zu gründen. Die Vizevorsitzende Katina Schubert warf Wagenknecht vor, diese arbeite "schon lange auf eigene Rechnung" und gegen die Partei. Das konterten Wagenknechts Anhänger scharf.
"Das jahrelange Mobbing der jeweiligen Parteiführung gegen die populärste Politikerin in den eigenen Reihen hat nun Konsequenzen", erklärte der Linken-Bundestagsabgeordnete Alexander Ulrich. "Ich kann nachvollziehen, warum Sahra Wagenknecht nicht mehr bereit ist, für diese Linke zu kandidieren. Warum soll sie einer Partei das politische Überleben organisieren, die sie jeden Tag bekämpft?" Der frühere Parteichef Klaus Ernst zeigte sich auf Twitter demonstrativ mit Wagenknecht und kommentierte: "Es ist schade, dass meine Partei in der politischen Bedeutungslosigkeit verschwindet."
Am Freitag war bekannt geworden, dass Wagenknecht nicht mehr für die Linke in den Bundestag will. Der "Rheinpfalz" sagte sie: "Eine erneute Kandidatur für die Linke schließe ich aus." Sie wolle sich nach Ablauf der Legislaturperiode entweder aus der Politik zurückziehen und als Publizistin und Buchautorin arbeiten, "oder es ergibt sich politisch etwas Neues".
Klar ist, dass der jetzigen Konfrontation eine jahrelange Entfremdung zwischen Wagenknecht und ihrer Partei vorausging. Sie trat 1991 in die Vorgängerpartei PDS ein, war im Europaparlament und sitzt seit 2009 im Bundestag, zeitweise als Co-Fraktionschefin. Vor der Bundestagswahl 2021 rechnete sie im Buch "Die Selbstgerechten" mit einem Teil der Linken ab - den jungen, urbanen Gender - und Klimaengagierten. Beim Thema Migration positionierte sich Wagenknecht gegen die Linie der Partei, bei der Coronapolitik ebenfalls.
Zuletzt war es ihre Haltung zum Ukrainekrieg, mit der sie in ihrer Partei aneckte. Schon nach einer umstrittenen Rede im Bundestag, als sie der Bundesregierung einen Wirtschaftskrieg gegen Russland vorhielt, standen kurz ihr Ausschluss aus der Fraktion oder eine Spaltung im Raum. Bei ihrem mit der Publizistin Alice Schwarzer verfassten "Manifest für Frieden" und einer großen Demonstration Ende Februar in Berlin machte die Parteispitze nicht mit. In der Partei werfen sie Wagenknecht Alleingänge vor, aber auch "rechtsoffene" Thesen - also solche, die auch bei der AfD Platz fänden. Andererseits ist Wagenknecht die bei weitem bekannteste Vertreterin der Linken. Umfragen bescheinigen einer von ihr geführten Partei ein Wählerpotenzial von rund 20 Prozent. Dabei ist völlig unklar, wofür eine solche Partei stünde.
Wenn Wagenknecht nach einer solchen Neugründung gefragt wird, bleibt sie seit Monaten sehr vage. "Darüber wird an vielen Stellen diskutiert", sagte sie jetzt der "Rheinpfalz". Es sei nach ihrer Beobachtung ein Problem, dass sich viele Menschen im heutigen Parteienspektrum von niemandem mehr wirklich vertreten fühlten. Ihre Anhänger werden deutlicher und lassen immer mal durchblicken, dass bereits Vorbereitungen getroffen werden. Der Abgeordnete Ulrich erklärte, der Zuspruch für das Wagenknecht-Schwarzer-Manifest zeige, "dass die Notwendigkeit nach einer Partei für Frieden, Abrüstung und soziale Gerechtigkeit mehr denn je vorhanden ist."
Für die Linke ist das ein Dilemma: Zwar wäre sie den Dauerstress mit Wagenknecht gern los, doch könnte sie eine entscheidende Anzahl von Wählern verlieren. Dabei kratzt sie bereits am Minimum. Bei der Bundestagswahl 2021 scheiterte die Linke an der Fünf-Prozent-Hürde und kam nur in Fraktionsstärke ins Parlament, weil sie drei Direktmandate gewann. Wissler, die im Tandem mit Martin Schirdewan die Partei führt, nannte auch am Samstag "das Kokettieren mit neuen Parteien" nicht hilfreich. Allerdings kenne sie auch "keine genauen Pläne" und "keine Bestrebungen dahingehend".
Parteivizechefin Schubert meinte zur möglichen Wagenknecht-Partei: "Ehrlich gesagt, ich glaube da nicht dran, weil ihr das viel zu viel Arbeit ist, nachdem sie gesehen hat, wie sie mit (der Bewegung) 'Aufstehen' auf den Bauch gefallen ist." Wagenknecht hatte die "Sammlungsbewegung" 2018 ins Leben gerufen, doch nahm das Unterfangen trotz ihrer Bekanntheit nie richtig Fahrt auf. Über Wagenknecht äußerte sich Katina Schubert bitter. Deren "Geschäftsmodell ist, von der Seitenlinie Leute zu diffamieren", sagte sie. "Insofern: Eine Klärung würde vielleicht manches leichter machen."
Verfolgt man die Diskussion am Wochenende, so ist keinerlei Auf-einanderzugehen zu erkennen. Im Gegenteil. Im Berliner "Tagesspiegel" legte Wagenknecht nach. "Dass der Parteivorstand der Linken die größte Friedenskundgebung in Deutschland seit vielen Jahren nicht nur nicht unterstützt, sondern sich daran beteiligt hat, sie zu diffamieren und Leute von einer Teilnahme abzuhalten, zeugt vom traurigen Niedergang der einstigen Friedenspartei", so Wagenknecht. Die Unterschiede zwischen ihr und dem Linken-Vorstand seien mittlerweile so groß, dass die Vorstellung, wie das noch einmal zusammenfinden soll, ihre Fantasie überfordere. (dpa/uli)