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Deutschland
Von Scholz bis Merkel: Kirchentag setzt politische Akzente

1.500 Events an 60 Orten, bis zu 150.000 Besucher pro Tag: Der Kirchentag in Hannover bietet große Gottesdienste, Musik und Promis. Am Eröffnungsabend ist die Stimmung heiter und friedlich.

Hannover.

Mit Zehntausenden Besuchern hat in Hannover der evangelische Kirchentag begonnen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte den Kirchentag als einen Ort, an dem alles zur Sprache kommen könne. "Er ist der Ort, an dem wir die Fragen stellen, die uns gerade auf den Nägeln brennen", sagte Steinmeier. Das gelte sowohl persönlich als auch gesellschaftlich. Der Kirchentag sei zudem eine "ganz, ganz seltene Chance, dass wir uns aus unseren ideellen Fertighäusern herausbegeben".

Steinmeiers Rede folgte auf zwei parallel abgehaltene Eröffnungsgottesdienste, zu denen jeweils rund 40.000 Menschen erwartet worden waren. Anschließend wollte sich das Staatsoberhaupt an einem "Abend der Begegnung" mit bis zu 150.000 Menschen in der Innenstadt beteiligen. 

Die Stimmung in der City war heiter und ausgelassen, bei bestem Frühsommerwetter flanierten die Gäste zwischen den Kirchentags-Ständen durch die Innenstadt. Von der Polizei hieß es kurz nach 22.00 Uhr, es gebe bisher keine besonderen Vorkommnisse. 

Siegesmund: "Christlicher Glaube ist politisch"

Kirchentagspräsidentin Anja Siegesmund hatte zuvor angesichts der von der CDU-Politikerin Julia Klöckner ausgelösten Debatte über die politische Rolle der Kirche angekündigt: Haltung zu zeigen, sei eines der wichtigsten Themen des bis Sonntag geplanten Kirchenfests. "Ja, es braucht eine Kirche, die sich auch politisch äußert und Haltung zeigt", sagte sie.

Christinnen und Christen hätten nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, Haltung zu zeigen. "Christlicher Glaube ist politisch. Das, was uns Christinnen und Christen antreibt, das legen wir ja als Menschen im Miteinander nicht einfach wieder ab", sagte Siegesmund.

Auch die geschäftsführende Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte: "Es ist wichtig, dass die Kirchen in Deutschland ihre Stimme für Menschlichkeit, Solidarität und Zusammenhalt auch in politischen Debatten weiter erheben."

Welche Politiker auf der Gästeliste stehen – und welche nicht

Klöckner, inzwischen Bundestagspräsidentin, hatte dagegen Mitte April gewarnt, die Kirche riskiere, beliebig zu werden, wenn sie ständig zu tagesaktuellen Themen Stellungnahmen abgebe und nicht mehr die grundsätzlichen Fragen von Leben und Tod im Blick habe. "Dann wird sie leider auch austauschbar", sagte sie der "Bild am Sonntag". 

Am Samstag wird Klöckner am Kirchentag teilnehmen und mit Siegesmund sowie mit Anna-Nicole Heinrich, Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), über die Rolle der Kirche diskutieren.

Zu den weiteren Gästen des Kirchentags zählen der geschäftsführende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei einem seiner wohl letzten Termine im Amt, dessen Vorgängerin Angela Merkel (CDU) sowie der frühere Bundespräsident Christian Wulff. Vertreter von AfD und BSW wurden nicht eingeladen.

Polizei hat Sicherheitsvorkehrungen verschärft

Insgesamt umfasst der Kirchentag rund 1.500 Events an mehr als 60 Orten. Bis zum Morgen des Eröffnungstags wurden nach Angaben der Veranstalter rund 65.000 Tickets verkauft – das seien mehr als zum Start des Kirchentags 2023 in Nürnberg. Im Laufe der nächsten Tage erwarten die Organisatoren bis zu 100.000 Teilnehmer am Hauptprogramm.

Die Polizei stellt sich sogar auf rund 150.000 Besucher täglich ein, denn die Veranstaltungen in der Innenstadt – darunter große Konzerte etwa von Gentleman und Jupiter Jones – können auch ohne Ticket besucht werden. Zusätzliche Überwachungskameras, Drohnenverbote, Straßensperrungen und Poller sollen die Sicherheit gewährleisten. 

EKD: Einheitliche Entschädigungen für Missbrauchsopfer

Kontroverse Diskussionen wird es auf dem Kirchentag unter anderem über deutsche Waffenlieferungen, den Nahostkonflikt und die Klimakrise geben. Auch sexualisierte Gewalt wird ausdrücklich thematisiert. So wird die Künstlerin Julia Krahn Frauen porträtieren, die sexualisierte Gewalt erfahren haben. 

Bereits im März hatte der Rat der EKD beschlossen, die Entschädigungen für Opfer von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche bundesweit zu vereinheitlichen. Die neue Richtlinie sieht unter anderem vor, dass Missbrauchsopfer in EKD oder Diakonie pauschal 15.000 Euro erhalten, wenn eine strafbare Tat vorliegt – auch, wenn diese bereits strafrechtlich verjährt ist. 

Kirchentag verteidigt Zuschüsse in Millionenhöhe

Die evangelische Kirche zählt derzeit knapp 18 Millionen Mitglieder in Deutschland. Die Mitgliederzahl ist allerdings seit Jahren rückläufig.

Wegen dieser sinkenden Bedeutung gibt es Kritik an den öffentlichen Zuschüssen in Millionenhöhe für das Event. Kirchentagspräsidentin Siegesmund entgegnete darauf, dass zum einen die Region auch wirtschaftlich vom Kirchentag profitiere, und dieser zum anderen Menschen ins Gespräch bringen werde, bei denen das sonst womöglich nicht der Fall wäre. Eingeladen seien alle, die die christlichen Werte respektieren.

Das Budget des Kirchentags liegt bei rund 24 Millionen Euro. Darin enthalten sind Zuschüsse des Landes Niedersachsen von sieben Millionen Euro und der Stadt Hannover von vier Millionen Euro. Der Bund steuert 800.000 Euro bei. (dpa)

© Copyright dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH
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