QR Code
Jetzt App herunterladen!
Regionale Nachrichten und News mit der Pressekarte
Sie haben kein
gültiges Abo.
Regionale Nachrichten und News
Schließen
Deutschland
02.10.2024

Ballweg, das Geld und die Freiheit

"Querdenken"-Initiator Ballweg verkaufte sich in der Pandemie als Hüter des Grundgesetzes. Nun wird ihm selbst Rechtsbruch vorgeworfen. Dabei geht es nicht um Freiheit, sondern um seine Bankkonten.

Stuttgart.

Die Corona-Zeit mit ihren Schutzmaßnahmen ist längst Geschichte, die Menschen genießen wieder alle Freiheiten wie vor der Pandemie, und die Bewegung der Maßnahmen-Kritiker hat erheblich an Bedeutung verloren. Trotzdem hat "Querdenken"-Initiator Michael Ballweg immer noch Anhänger. Vor dem Gerichtssaal lächelt der 49-Jährige seinen Fans am Mittwochmorgen zu, grüßt sie wie alte Freunde. Für sie ist er ein mutiger Kämpfer für die Grundrechte, für Kritiker dagegen ein gefährlicher Aktivist, der sich mit Reichsbürgern und Rechtsextremisten in ein Boot setzte - und für die Staatsanwaltschaft Stuttgart ein Betrüger und Steuerhinterzieher.

Der Unternehmer muss sich wohl bis ins kommende Jahr wegen versuchten Betrugs und Steuerhinterziehung vor dem Landgericht Stuttgart verantworten. Denn Ballweg sammelte in der Corona-Zeit viel Geld bei Unterstützern ein, dafür warb er immer wieder im Internet, in sozialen Medien, auf der Bühne bei Demonstrationen. In 9450 Fällen hätten ihm zwischen Mai 2020 und Februar 2022 Menschen Geld gegeben, so die Staatsanwaltschaft. Es geht um eine Gesamtsumme von 1 269 902,58 Euro. 

Spendengeld zur Vermögensvermehrung?

Dabei soll der Unternehmer Ballweg den Spendern vorgegaukelt haben, das Geld nur die "Querdenken"-Bewegung verwenden zu wollen. Die Staatsanwaltschaft wirft Ballweg vor, seine zahlungswilligen Anhänger getäuscht zu haben - und 575 929,84 Euro für eigene, private Zwecke verwendet zu haben. 

Spätestens ab Mai 2020 habe Ballweg geplant, seine im Rahmen der Proteste gewonnene Popularität für private Zwecke zu nutzen und sich Geld "zur Bestreitung seines Lebensunterhalts und zur Vermehrung seines Vermögens" zu beschaffen, so die Staatsanwältin bei der Anklageverlesung. Immer wieder habe er Geld auf private Konten und Firmenkonten umgebucht, viele Transaktionen habe man nicht mehr nachvollziehen können. Der einst erhobene Vorwurf der Geldwäsche war aber fallengelassen worden. 

Es geht um die Täuschungsabsicht 

Ballweg ist nicht wegen Betrugs, sondern nur wegen versuchten Betrugs angeklagt, weil einigen Spendern wohl gleichgültig gewesen ist, was mit dem Geld passiert, so die Argumentation der Staatsanwaltschaft. Deshalb sei aus juristischer Sicht niemand wirklich betrogen worden. Im Prozess steht daher der Betrugsversuch, also die Täuschungsabsicht Ballwegs, im Mittelpunkt. 

Außerdem steht er wegen vollendeter und versuchter Steuerhinterziehung vor Gericht. Ballweg soll versucht haben, eine knappe halbe Million Euro an Steuern zu hinterziehen. Weitere knapp 80 000 Euro soll er wirklich hinterzogen haben. 

Ballwegs Anwälte hatten die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft immer wieder zurückgewiesen. Sein Anwalt spricht am Mittwoch von einer "sehr lückenhaften und in weiten Teilen unzusammenhängenden, unverständlichen Anklageschrift". Die Vorwürfe seien "nichts weiter als eine Erzählung".

Demonstrationen vor dem Gefängnis

Ob Ballweg am Ende ins Gefängnis muss, ist offen. Er saß wegen der Vorwürfe ab Juni 2022 bereits monatelang in Untersuchungshaft, weil die Behörden von einer Fluchtgefahr ausgingen. Immer wieder hatten seine Anhänger vor dem Gefängnis demonstriert. Im April 2023 war er aus der Haft entlassen worden.

Ballweg selbst sieht sich als politisch Verfolgter. Auf seinem T-Shirt steht "Freiheit wird aus Mut gemacht" - lächelnd lässt er sich zum Prozessauftakt von der Presse fotografieren, spricht von einem "guten Tag für Deutschland". "Das geht jetzt in die Aufarbeitung." Er sei nicht der einzige Kritiker der Corona-Maßnahmen, der staatliche Repressionen habe erleben müssen, aber er gehe als "leuchtendes Beispiel" voran. Sein Vermögen sei nach wie vor beschlagnahmt, seine Firmen zerstört, er bekomme wegen der Vorwürfe kein Bankkonto mehr. "Querdenken" werde aber weitergehen und sich nicht von den Repressionen abhalten lassen, so sagt er.

Vor Gericht will sich Ballweg am Mittwoch weder zu seiner Person noch zu den Vorwürfen äußern. Bis Ende April 2025 sind mehr als 30 Verhandlungstage vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Stuttgart angesetzt. Ballweg hat drei Anwälte in dem Verfahren, einer davon sitzt für die CDU im baden-württembergischen Landtag, Reinhard Löffler. Löffler vertrat vor kurzem erst einen AfD-Politiker. "Ich wähle meine Mandanten nicht danach aus, ob sie der CDU gefallen", sagte er zum Prozessauftakt. Für ihn zähle nur das Recht. "Ich vertrete auch Judas Iskariot." 

Verfassungsfeindliche Ansichten

Stuttgart war die Keimzelle der "Querdenken"-Bewegung, danach verbreiteten sich die Proteste in der Pandemiephase im ganzen Bundesgebiet. Die Anhängerinnen und Anhänger demonstrierten immer wieder gegen die politischen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus. Dabei gab es auch Angriffe auf Polizisten und Medienvertreter. Der Verfassungsschutz nahm die Szene wegen verfassungsfeindlicher Ansichten, Verschwörungsideologien und antisemitischer Tendenzen in den Blick.

 

 

  (dpa)

© Copyright dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH
Das könnte Sie auch interessieren
03.10.2024
3 min.
Wasser wird abgelassen: Diese Talsperre im Vogtland ist bald leer
Noch sieht die Talsperre aus wie auf diesem Foto aus dem Herbst 2021. Aber nicht mehr lange: Seit Anfang dieser Woche wird das Wasser komplett abgelassen.
In dieser Woche beginnt der Wasserablass der Talsperre Falkenstein. Ein Vorgang, der einige Wochen in Anspruch nehmen wird. Warum das Wasser abgelassen wird und wie lange das so bleibt.
Florian Wunderlich
13:40 Uhr
2 min.
Nach Rettung in letzter Sekunde: Polizei äußert sich zu Ursache für Brand im Erzgebirge
Die Feuerwehr war am Dienstag auf die Hauptstraße gerufen worden. Ein Nachbar hatte ein Feuer entdeckt.
Einen dramatischen Rettungseinsatz hat es diese Woche in Lößnitz gegeben. Dort war ein Haus in Brand geraten. Nun gibt es Neuigkeiten zur möglichen Brandursache.
Jürgen Freitag
03.10.2024
5 min.
Großer Erfolg für einen kleinen Ort: Das ist das schönste Dorf im Vogtland
„In Bergen isses fei schee“ verspricht das Panoramafenster an der Bank der Generationen oberhalb der Ortsumgehung. Yvonne Smolla ist die Ideengeberin des Wander- und Erlebnisrundweges um das Dorf.
16 Dörfer aus dem Vogtland haben sich zur Wahl gestellt. Nun ist bekannt, welcher Ort den Kreiswettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ gewonnen hat. Wie der kleine Ort im Oberland überzeugt hat.
Florian Wunderlich
13:36 Uhr
3 min.
Nach Mord in Göppinger Shishabar: Täter weiter flüchtig
Nach Schüssen in einer Bar in Göppingen ist ein Mann gestorben. Nach dem Verdächtigen wird weiter gefahndet.
In einer Shishabar in Göppingen schießt ein Täter mit einer Maschinenpistole. Ein Mann stirbt, zwei weitere Männer werden lebensgefährlich verletzt. Die Opfer sind Syrer.
03.10.2024
1 min.
Polizei mit Messer bedroht: Beamter schießt auf Frau
In Stuttgart wurden Einsatzkräfte zu einem Beziehungsstreit gerufen.
Bei einem Einsatz in Stuttgart hat die Polizei auf eine 20 Jahre alte Frau geschossen. Zuvor soll sie die Einsatzkräfte mit einem Messer bedroht haben. Lebensgefahr bestehe nicht mehr.
02.10.2024
2 min.
Messerangriff auf Mädchen: 34-Jähriger vor Gericht
Ein Urteil könnte Ende Oktober gefällt werden. (Archivbild)
Eine Vierjährige geht mit ihrer Mutter einkaufen - und wird plötzlich von einem Mann mit einem Messer attackiert. Nun beginnt der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter.
Mehr Artikel