20 Festnahmen: Bundesweiter Schlag gegen internationale Schockanruf-Banden - Sachsens Ermittler erkennen Methode
Mit Lügengeschichten am Telefon ergaunern Kriminelle jedes Jahr Millionen Euro - auch in Sachsen. Jetzt hat die Polizei 20 mutmaßliche Betrüger auf frischer Tat festgenommen.
Dresden.Der Schlag gegen die Betrügerbande war lange geplant: Bis zu 1000 Beamte waren täglich vom 25. November bis 6. Dezember im Einsatz. 20 Personen konnten sie dabei auf frischer Tat festnehmen, die mutmaßlich an den Telefonbetrügereien beteiligt waren, darunter sechs Frauen und fünf Männer, die potenzielle Opfer angerufen hatten, um sie durch Lügengeschichten um ihr Geld zu bringen. Auch drei Frauen und sechs Männer, die das Geld abholen wollten, gingen den Ermittlern ins Netz. Das teilten die Polizei und die Staatsanwaltschaft Berlin am Freitag mit.
Schaden von fast fünf Millionen Euro verhindert
Gemeinsam gelang es demnach den Einsatzkräften, insgesamt 391 Enkeltricktaten und damit einen Schaden von rund 4,85 Millionen Euro zu verhindern. In Polen seien zudem drei Callcenter und damit ein erheblicher Teil der Infrastruktur zur Begehung dieser Betrugsstraftaten nachhaltig zerschlagen worden. Beteiligt an dieser vom Landeskriminalamt Berlin koordinierten „Action Weeks“ seien Polizeidienststellen aus 15 deutschen Bundesländern gewesen sowie aus Österreich, Luxemburg, Polen, Tschechien, Ungarn, der Schweiz und der Slowakei. Das sächsische Landeskriminalamt (LKA) und Polizisten aus dem Freistaat waren ebenfalls im Einsatz.
Schockanrufe die häufigste Betrugsmasche
In den meisten Fällen versuchten es die Kriminellen laut LKA während der „Actions Weeks“ mit dem Klassiker unter den Schock- oder Enkeltrickanrufen. Bei dieser Betrugsmasche gaukeln die Täter den zumeist älteren Opfern am Telefon zum Beispiel vor, ein Verwandter habe einen schweren Unfall gehabt, bei dem ein Mensch gestorben sei. Die Anrufer geben sich als Polizisten, Staatsanwälte oder Richter aus. Der Familienangehörige müsse ins Gefängnis, es sei denn, er hinterlege eine Kaution. Es werden aber auch Legenden wie Corona-Erkrankungen, Krankenhausaufenthalte oder andere schlimme Situationen im Zusammenhang mit nahen Verwandten verwendet. Später taucht dann ein Mittäter bei den Opfern daheim auf, um das Geld abzuholen.
Die Täter agieren hochprofessionell
„Die Täter sind hochprofessionell“, so ein Ermittler. Sie versetzten die Opfer in eine Art Schockstarre, aus der sie sich rational nicht befreien könnten. In Schleswig-Holstein etwa konnten während der „Action Weeks“ fünf derartige Taten mit einem Gesamtschaden in Höhe von 90.000 Euro verhindert werden, so die Polizei. „In einem Fall stand das potenzielle Opfer bereits mit 15.000 Euro Bargeld am Treffpunkt und wartete auf den Abholer. Dieser erschien aber an keinem der Übergabeorte.
Telefonbetrug nimmt auch in Sachsen zu
Dabei nimmt der Telefonbetrug immer größere Ausmaße an. So haben Kriminelle durch Betrugsanrufe 2023 zum Beispiel in Sachsen einen Schaden von mindestens 2,3 Millionen Euro verursacht. Laut Landeskriminalamt ist das eine Verzwanzigfachung seit 2015. Die Anzahl der Fälle hat sich seither verfünffacht. Experten gehen jedoch von einer hohen Dunkelziffer aus, weil viele Menschen aus Scham nicht zur Polizei gehen. Der Telefonbetrug betrifft vor allem Senioren. In Sachsen registrierte die Polizei nach eigenen Angaben allein während der „Action Weeks“ insgesamt 20 derartige Betrugsversuche mit Geldforderungen in Höhe von 327.000 Euro. In zwei dieser Fälle stellten die Beamten fest, dass die Nachnamen der Angerufenen identisch sind. „Die Ermittlungen ergaben, dass die Anrufe von derselben Rufnummer getätigt wurden.“ Das sächsische Landeskriminalamt geht bei Schockanruf und Enkeltrick deshalb davon aus, dass die Täter Rufnummern aus Telefonbüchern „abtelefonieren“.
Hinter den Taten stecken Ermittlern zufolge oft kriminelle Roma-Großfamilien, die sich in Polen niedergelassen haben und bundesweit über ein Netzwerk mit Hunderten Komplizen verfügen. Die Chancen, ihr Geld wiederzubekommen, sind für die Betroffene äußerst gering. „Die Täter brauchen das Geld für ihren Lebensunterhalt und geben es sofort aus“, so ein Ermittler. (juerg)