Humor und Internet - das kann sehr schnell nach hinten losgehen. So wie jetzt für den bayerischen Brauer Erdinger. Auch aus Chemnitz kamen deutliche Worte.
Die oberbayerische Brauerei Erdinger Weißbräu wollte mit einem vermeintlich lustigen Video Bewerber fürs Unternehmen begeistern. Das ging jedoch gehörig nach hinten los. Was ist passiert?
„Des Erdinger Weißbier, des is hoid a Pracht…“: Mit diesem bekannten Jingle wirbt das im Jahr 1886 in Erding gegründete Unternehmen seit Jahrzehnten für seinen Gerstensaft. Und das mit Erfolg: Im Jahr 2023 erwirtschaftete das Unternehmen (500 Mitarbeiter) 184 Millionen Euro Umsatz, exportiert in über 100 Länder. Nach eigenen Angaben sind die Oberbayern die größte deutsche Weißbierbrauerei in Familienbesitz.
Mitarbeiterin mit Gewalt bedroht?
Nun zogen sich jedoch gewaltige Gewitterwolken am weiß-blauen Erdinger-Himmel zusammen. Grund: ein völlig missglücktes Instagram-Video. Darin zu sehen: Eine junge Erdinger-Mitarbeiterin, die in ängstlichem Ton ihren Text von einem Tablet abliest. Sie taucht auch in anderen Instagram-Videos des Unternehmens auf.
„Ich liebe es, bei Erdinger im Vertrieb zu arbeiten“, sagt sie. Während ihr ein Flaschenöffner an den Hals gehalten, ein Zapfhahn an ihre Schläfe gedrückt wird – und ein Holzhammer sowie eine Bierflasche bedrohlich über ihren Kopf gehalten werden. Offenbar von Männern. Die Botschaft ist klar: Ein falsches Wort und…!
Ihre Arbeit beim Bierbrauer sei sicher, das Gehalt super und man bekomme einen Firmenwagen. „Außerdem hat Erdinger gutes Bier.“ Hammer und Bierflasche werden nun bedrohlicher geschwenkt. Sofort korrigiert sich die Frau: „Das BESTE Bier!“ Anschließend fordert sie die Zuschauer auf: „Bewirb Dich jetzt, wir freuen uns auf Dich.“ Dann liest sie noch eine vermeintliche Anweisung ab: „Tu so, als würdest Du… oh!“ und lächelt in die Kamera.
„Safe Space Chemnitz“: Frauen-Leid wird für Werbezwecke genutzt
Im Netz sorgte das Video schnell für Ärger. Was für manchen (derber) Humor war, verorteten andere klar als frauenfeindlich. Unter anderem der Chemnitzer Instagram-Account „Safe Space Chemnitz“ (rund 5000 Follower).
In einem Video empört sich eine Sprecherin, zieht einen Vergleich zwischen der Werbung und Gewalt gegen Frauen: „Jeden Tag werden Frauen Opfer häuslicher Gewalt, fast jeden Tag begeht ein Mann einen Femizid. (…) Aber wie wir sehen konnten, gibt es Firmen wie Erdinger, denen das schlichtweg egal zu sein scheint oder noch schlimmer, sie diesen Fakt nutzen, um neue Mitarbeiter anzuwerben.“
Und weiter: „Ich setze noch einen drauf: Man nutzt das Leid einer ganzen Bevölkerungsgruppe (...) und kreiert daraus einen Werbespot.“ Von den Machern will sie wissen: „Wieviel Promille waren eigentlich im Spiel als Ihr das Drehbuch für Euren Spot geschrieben habt?“ Zudem forderte sie in ihrem mehr als 60.000 mal abgerufenen Instagram-Reel die Löschung des Clips. Dem kamen die Oberbayern schließlich auch nach.
Gegenüber dem Bayerischen Rundfunk nahm ein Unternehmenssprecher Stellung zum Ärger im Netz. Das Video habe niemanden verletzen sollen. Man habe es gelöscht, „um Menschen, die sich verletzt gefühlt haben, nicht noch weiter zu verletzen“.
So erklärt Erdinger den Videoclip
Wie es zu dem missglückten Clip kam? Wie viele andere Firmen, so suche auch Erdinger händeringend nach Personal. Um neue Bewerberinnen und Bewerber anzulocken, sei intern die Idee zum humoristischen Video entstanden. „Wir haben positives Feedback erwartet, sonst hätten wir das Video nicht veröffentlicht“, so der Pressesprecher gegenüber dem BR. „Wir haben nicht damit gerechnet, dass das so negativ ausgelegt wird.“
Seitens der Brauerei betont man aber: Trotz aller Aufregung und Vorwürfe habe es „größtenteils positive Rückmeldungen“ auf das Video gegeben. Allerdings wolle Erdinger künftig vor Veröffentlichung von Posts auf Social Media genauer drauf achten und kritischer hinterfragen, ob durch eine Aktion oder ein Video jemand verletzt werden könnte. Den Machern hinter „Safe Space Chemnitz“ reicht das jedoch nicht.
In einem jüngst hochgeladenen Reel fordern sie von Erdinger: „Ihr solltet Euch entschuldigen und Euch vielleicht ganz klar gegen Gewalt an Frauen aussprechen.“ (phy)