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Zum ersten Prozesstag war das vermeintliche Opfer als Zeuge geladen, verweigerte aber die Aussage. An der linken Hand trägt es jetzt eine Prothese.
Zum ersten Prozesstag war das vermeintliche Opfer als Zeuge geladen, verweigerte aber die Aussage. An der linken Hand trägt es jetzt eine Prothese. Bild: Haertelpress/Archiv
Sachsen
Lügengeschichte vom Macheten-Überfall: Mutmaßlicher Neonazi aus Chemnitz muss zahlen

Ein Macheten-Angriff von Linksextremen? Eine Lügengeschichte. Tatsächlich täuschte ein mutmaßlich rechtsextremer Chemnitzer die Attacke nur vor und ließ sich verstümmeln. Dafür muss er nun eine Strafe zahlen.

Chemnitz.

Für den erfundenen Macheten-Angriff im Sommer 2023 in Chemnitz muss ein mutmaßlicher Rechtsextremer 4500 Euro Strafe zahlen. Gegen ihn sei Strafbefehl wegen Vortäuschens einer Straftat und versuchter Strafvereitelung erlassen worden, teilte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Chemnitz auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) mit. Der Mann habe dies akzeptiert, sodass die Entscheidung inzwischen rechtskräftig sei.

„Freie Sachsen“ verbreiteten Lügengeschichte

Der damals 29-Jährige hatte sich im August 2023 mit einer verstümmelten Hand bei der Polizei gemeldet. Dort gab das vermeintliche Opfer an, es sei aus der Neonazi-Szene und von Linksextremen im Chemnitzer Stadtpark mit einer Machete attackiert worden. Ihm seien mehrere Finger abgeschlagen worden. Auch im Telegram-Kanal der rechtsextremen Freien Sachsen wurde diese Geschichte verbreitet - samt einem Foto, auf dem das vermeintliche Opfer seine bandagierte Hand in die Höhe reckte, und einer Audio-Botschaft mit dem Titel: „Nach Macheten-Überfall: Jetzt spricht das Opfer!“.

Google-Suchanfragen verraten Betrugsabsicht

Weil zunächst der Verdacht einer politisch motivierten Straftat im Raum stand, hatte die Soko LinX zunächst die Ermittlungen übernommen. Doch die Ermittler stießen auf Widersprüche: Vor allem vorherige Suchanfragen des mehrfach vorbestraften Mannes, der aus Nordrhein-Westfalen nach Chemnitz gezogen war, ließen die Beamten stutzig werden. Denn es passte so gar nicht zu der Geschichte vom spontanen Überfall auf ihn, dass der mutmaßlich Rechtsextreme im Internet vorher danach geforscht hatte, wie Amputationsverletzungen richtig zu versorgen seien. Das fanden die Ermittler des Landeskriminalamtes (LKA) heraus, als sie dessen Smartphone untersuchten.

Finger in Glascontainer gefunden

Die abgetrennten Finger fanden die Ermittler schließlich in einem Glascontainer. Einen Angriff von Linksextremen schlossen sie aus. Stattdessen fanden sie heraus, dass das vermeintliche Opfer mit einem Komplizen vereinbart hatte, ihm seine linke Hand abzuschlagen, damit er infolge einer Behinderung staatliche Leistungen kassieren kann. Doch erwischte der Helfer nicht die ganze Hand, sondern nur drei Finger.

Komplize bereits verurteilt

Der Komplize ist schon im Dezember vom Landgericht Chemnitz zu einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt worden wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Ein Bekannter hatte in dem Prozess ausgesagt, dass das vermeintliche Opfer schon vor der Tat mehrfach ausprobiert habe, sich im Garten mit einem Beil selbst die Hand abzuhacken. Doch habe das nicht funktioniert. Überhaupt sei dessen Wunsch, seine Hand „loszuwerden“, um Kapital daraus zu schlagen, in seinem Umfeld ein offenes Geheimnis gewesen, berichtete ein weiterer Prozesszeuge. Mit der Lügengeschichte von einem Garten-Unfall hatten schon in den 90er-Jahren auch viele Ärzte, die zuvor ihre Gliedmaßen zu horrenden Prämien hatten versichern lassen, zu betrügen versucht.

Das Urteil gegen den Komplizen des vermeintlichen Opfers ist inzwischen rechtskräftig. Weil dagegen keine Rechtsmittel eingelegt worden seien, erklärte eine Gerichtssprecherin auf Anfrage. In dem Prozess war das vermeintliche Opfer als Zeuge geladen, hatte aber die Aussage verweigert. (juerg/dpa)

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