Das kann für Millionen Hausbesitzer und Mieter richtig teuer werden: Der DIN-Ausschuss plant eine Art TÜV für Wohngebäude. Sächsische Haus- und Wohnungsbesitzer sind empört.
Das Deutsche Institut für Normung (DIN) hat einen 40-seitigen Entwurf erarbeitet, der den sperrigen Titel „Verkehrssicherheitsüberprüfung für Wohngebäude“ trägt und sozialen Sprengstoff in sich birgt. Konkret werden dort engmaschige Vorgaben gemacht, was Haus- und Wohnungseigentümer künftig alles von externen Fachleuten prüfen lassen sollen: Insgesamt handelt es sich dabei um fast 250 Kontrollen. Das geht natürlich richtig ins Geld.
Zusätzliche Prüfkosten von jährlich bis zu 1000 Euro stehen im Raum
So rechnet René Hobusch, Chef des Eigentümerverbands Haus & Grund in Sachsen, bei einem Einfamilienhaus mit rund 1000 Prüfkosten jährlich. Da diese Zusatzkosten zum Großteil umlegbar wären, müssten auch Wohnungsmieter von „mehreren Hundert Euro“ Mehrbelastung pro Jahr ausgehen, heißt es. Bei Großvermietern fielen für den Gebäude-TÜV sogar schnell weit über 100.000 Euro pro Jahr an – die am Ende wiederum deren Mieter bezahlen müssten.
Von der Dachrinne bis zur Treppenbreite: Fast 250 Kontrollen geplant
Laut geplanter DIN-Norm soll künftig unter anderem künftig geprüft werden müssen, ob Dachrinnen, Schneefallgitter, Vordächer und Markisen, Rankgitter und Pflanzkästen sicher befestigt sind, ob Dachluken richtig verschlossen, Schornsteinköpfe verwittert, die Wasserabläufe frei und die Rohre dicht sind. Fassaden, Treppengeländer und Balkonverkleidungen sind demnach ebenfalls jährlich zu kontrollieren. Selbst ob die Treppen ausreichend breit sind, ob brennbare Materialien im Treppenhaus abgestellt oder ob die Treppenhausbeleuchtung richtig angebracht worden ist, soll überwacht werden. Im Prüfdokument soll am Ende eine Ampel mit den Farben Grün, Gelb und Rot sichtbar machen, in welchem Zustand das Gebäude ist.
Haus & Grund: Das ist moderne Wegelagerei
Sachsens Haus & Grund-Chef Hobusch ist empört. Denn Wohneigentümer haben bereits vielfältige Verkehrssicherungspflichten zu erfüllen. Das heißt, sie müssen selbst dafür sorgen, dass ihr Haus oder ihre Wohnung sicher ist, sonst sind sie dran. Die neuen DIN-Vorgaben würden daran nichts ändern – außer dass die Kosten dadurch für die Mieter enorm in die Höhe getrieben würden, so Hobusch. Dabei werde die Heizung etwa ohnehin regelmäßig bei der Wartung geprüft, der Schornsteinfeger schaue regelmäßig nach, ob alles in Ordnung ist. Neubauten würden zudem nur bei Einhaltung Hunderter DIN-Vorschriften genehmigt und abgenommen. „Warum also sollte da jetzt noch einmal ein hochbezahlter Prüfingenieur aufs Dach steigen und in den Keller gehen müssen?“, fragt Hobusch. „Zumal Deutschland doch gar nicht bekannt für gravierende Sicherheitsmängel im Wohnbereich ist.“
Dem DIN-Institut wirft Kai Warnecke, Präsident des Bundesverbands Haus & Grund, „moderne Wegelagerei“ vor. Auch Hobusch spricht von einem „riesigen Auftragsvolumen, das der DIN-Ausschuss seinen Mitgliedern verschafft“. Dem DIN-Institut gehören viele Vertreter aus Wirtschaft, Industrie und Handwerk an.
DIN-Normen haben oft Einfluss auf Gerichtsurteile
Wann die neue DIN-Norm in Kraft tritt, ist noch offen. Verbände haben nun bis Anfang April die Möglichkeit, zum geplanten Gebäude-TÜV Stellung zu nehmen. Die Anwendung von den Normen ist zwar grundsätzlich freiwillig. Sie sind nur rechtsverbindlich, wenn in Gesetzen oder Rechtsverordnungen auf sie verwiesen wird - zum Beispiel in EU-Richtlinien. Im Streitfall dienen sie Gerichten aber sehr oft als Entscheidungshilfe, um zu beurteilen, ob jemand die allgemein anerkannten Regeln der Technik beachtet und somit die verkehrsübliche Sorgfalt eingehalten hat. „Für Wohneigentümer, die den Gebäude-TÜV nicht machen, bedeutet das: Im Schadensfall könnten sich Versicherer auf die Nichteinhaltung dieser DIN-Norm berufen und nicht zahlen“, warnt Hobusch.
Sachsens Wohnungsgenossenschaften: Neue DIN-Norm überflüssig
Viele Vermieter sind von dem Entwurf überrascht worden, so auch der Verband der Sächsischen Wohnungsgenossenschaften (VSWG), dessen Mitglieder etwa jede fünfte Mietwohnung im Freistaat bewirtschaften. „Durch die neue DIN-Norm entsteht kein Mehrwert; weder für die Gebäudeeigentümer noch für die Mieter“, beklagt VSWG-Chefin Mirjam Philipp. Im Gegenteil: Sie schaffe sogar Probleme, weil der Entwurf auf Einzelgebäude abstelle. „Gerade in der Wohnungswirtschaft erfolgt die Verkehrssicherung jedoch im Quartierszusammenhang“, so Philipp. Ein weiterer Knackpunkt für Großvermieter: Für die Prüfung soll künftig ein Sachkundenachweis erforderlich sein. Den haben aber viele qualifizierte und geschulte Mitarbeiter und Hausmeister nicht, die bisher für die Verkehrssicherung sorgen. „Eine zusätzliche Zertifizierung von Mitarbeitern schafft hier aber keine Vorteile in der Sicherheit der Quartiere und Gebäude, sondern nur zusätzlichen Aufwand und Kosten.“ Mirjam Philipp: „Daher ein klares Nein zu dieser neuen und überflüssigen DIN-Norm von unserer Seite.“ (juerg)