Es war ein Meilenstein in der DDR-Luftfahrtindustrie: Mit dem ersten in Deutschland entwickelten Düsenverkehrsflugzeug „152“ wollten die sächsischen Flugzeugbauer den Weltmarkt erobern. Doch am 4. März vor genau 66 Jahren kam es bei Dresden zur Katastrophe.
Die „152“ ist eng mit dem Namen Brunolf Baade verbunden. Der frühere Junkers-Konstrukteur Brunolf Baade war im Oktober 1946 in einer sowjetischen Nacht- und Nebel-Aktion gemeinsam mit rund 2000 anderen deutschen Flugzeugbauern in die damalige UdSSR verbracht worden. Dort entwickelte er mit Kollegen mehrere Flugzeuge vornehmlich auf der Basis ehemaliger deutscher Projekte. Als Baade 1954 aber schließlich in seine Heimat zurückkehrte, wurde unter seiner Führung sofort der Flugzeugbau in der DDR aufgenommen. Anfangs wurde vor allem die zweimotorige Iljuschin-14 in Lizenz nachgebaut. Parallel dazu wurde aber auch schon in Dresden-Klotzsche die vierstrahlige „B 152 V-1“ entwickelt und gebaut. Dieses erste deutsche Düsenverkehrsflugzeug wurde im Osten flügge - nicht in der Bundesrepublik. Auch brauchte es sich nicht vor den westlichen Produkten des gerade erst beginnenden Düsenzeitalters zu verstecken. 1957 waren die Projektarbeiten abgeschlossen, die im Grunde bereits Ende 1953 in Sawjelowo nördlich von Moskau begonnen worden waren.
Weltweit bestaunter Jungfernflug
Der 30. April 1958 wurde dann zu einer großen Propagandaschau. Feierlich rollte die 31,4 Meter lange „DM-ZYA“, die eine Spannweite von 26,3 Metern, eine Reichweite von gut 2000 Kilometern besaß und rund 800 Stundenkilometer schnell sein sollte, aus der Montagehalle in Dresden. Den weltweit bestaunten 35 Minuten langen Erstflug am 4. Dezember 1958 nach siebenmonatiger Erprobung am Boden nutzte die DDR-Regierung dann zur großen Selbstdarstellung als Technik-Staat. Selbst SED- und Staatschef Walter Ulbricht reiste dazu mit großem Gefolge nach Dresden-Klotzsche an, aber von Beginn lief nicht alles rund: So waren die neuen Triebwerke aus Pirna-Sonnenstein nicht rechtzeitig fertig geworden, sodass die „152“ mit russischen Triebwerken zu ihrem Jungfernflug abheben musste. Das erfuhr die Öffentlichkeit aber nicht, zumal Testpilot Willi Lehmann, Copilot Kurt Bemme und Mechaniker Paul Heerling bis auf wenige vermeintliche Kleinigkeiten mit diesem Flug zufrieden waren.
TRiebwerke offenbar plötzlich ausgefallen
Die Katastrophe kam beim zweiten Flug am 4. März 1959. Um 12.55 Uhr hob das Flugzeug ab. Trotz des schlechten Wetters gelang ein Bilderbuchstart. An Bord: Die Piloten Willi Lehmann und Kurt Bemme sowie Bordingenieur Paul Heerling und Versuchsingenieur Georg Eismann. Alles schien in Ordnung. Augenzeugen berichteten aber dann später, dass in knapp 6000 Meter Höhe offenbar plötzlich die Triebwerke ausgefallen seien, der Jet in einen steilen Gleitflug übergegangen und schließlich bei Ottendorf-Okrilla abgestürzt sei. Obwohl es der Crew offenkundig gelungen war, die Triebwerke noch wieder anzuwerfen, war es zu spät. Alle vier Crewmitglieder an Bord kamen bei dem Aufprall um. Die Gründe für dieses Unglück wurden nie restlos geklärt.
Lag es an der Kraftstoffversorgung?
Nach langer, weitgehend geheimer Ursachensuche wurden später beim zweiten Prototyp B 152 V-4 konstruktive Mängel im Flügelbereich festgestellt, ohne dass je wirklich geklärt worden wäre, warum die B 152 V-1 abstürzte. Vielfach und sehr begründet wurden Unzulänglichkeiten in der Kraftstoffversorgung vermutet. In anderen Untersuchungen wird aber auch auf die mangelnde Erfahrung des Versuchs-Teams mit Strahltriebwerken hingewiesen. Die „152/II V-4“ flog im August und September 1960 noch zweimal. Es waren die letzten Flüge, weil die Versuchspiloten nicht mehr mitmachen wollten.
Statt Flugzeuge schließlich Landmaschinen produziert
Trotzdem wurden in Dresden noch zwei weitere Exemplare fertiggestellt und für knapp zwei Dutzend Flugzeuge Einzelteile produziert. Doch der Traum von 80 Jets - 1962 sollte die erste „152“ an die Interflug, die damals noch Lufthansa der DDR hieß, ausgeliefert werden - erfüllte sich nicht. Selbst die Interflug hätte höchstens 15 Exemplare dieses für 48 bis 72 Passagiere konzipierten Flugzeuges benötigt. Feste Auslandsbestellungen gab es nicht.
Insgesamt sollen Entwicklung und Bau des ersten deutschen Düsenverkehrsflugzeuges über zwei Milliarden Mark verschlungen haben - für damalige Verhältnisse eine gigantische Summe. Im März 1961 beschloss die SED-Führung die Einstellung des Flugzeugbaus im „ersten Arbeiter- und Bauernstaat auf deutschem Boden“. In den Werken, in denen zeitweise 20.000 Menschen beschäftigt waren, wurden nun landwirtschaftliche Maschinen, Kühlschränke und Elektrogeräte gefertigt und später wieder sowjetische MiGs gewartet. Der letzte noch existierende Rumpf der 152 ist auf dem Flughafen Dresden zu besichtigen. (juerg)