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Im Prozess zur VW-Dieselaffäre wurden vier Haftstrafen ausgesprochen, nur in zwei Fällen gab es Bewährung.
Im Prozess zur VW-Dieselaffäre wurden vier Haftstrafen ausgesprochen, nur in zwei Fällen gab es Bewährung. Bild: Julian Stratenschulte/dpa Pool/dpa
Brennpunkt
Urteil zur Dieselaffäre - Haftstrafen für Ex-VW-Manager

Lässt sich die strafrechtliche Verantwortung für den Dieselskandal bei Volkswagen nach fast zehn Jahren noch klären? Ein Gericht in Braunschweig sieht persönliche Schuld bei vier Männern.

Braunschweig.

"Ein besonders schwerer Fall des Betrugs" - Die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Braunschweig hat fast zehn Jahre nach dem Auffliegen des Dieselskandals bei Volkswagen vier frühere Führungskräfte schuldig gesprochen. Zwei Angeklagte müssen mehrjährige Haftstrafen antreten, zwei Ex-Mitarbeiter erhielten Bewährung. 

Mit viereinhalb Jahren Gefängnis für einen ehemaligen Leiter der Dieselmotoren-Entwicklung gingen die Richter sogar über die Forderung der Staatsanwaltschaft hinaus. Der 59-Jährige stand nach Überzeugung der Kammer "im Zentrum des Geschehens" und erhielt nach fast vier Jahren Prozess mit 175 Verhandlungstagen die härteste Strafe. 

Das Urteil ist nicht rechtskräftig und die juristische Aufarbeitung ist auch nach diesem Schuldspruch nicht beendet. 

Angeklagte verfolgen Urteil mit gesenktem Kopf

Ins Gefängnis soll auch ein früherer Leiter der Antriebselektronik. Der 65-Jährige wurde zu zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt. Vor allem die beiden von der Haft Betroffenen verfolgten die mehr als dreistündige Urteilsbegründung im nahezu vollem Gerichtssaal mit gesenktem Kopf gestützt in gefaltete Hände. 

Der ranghöchste Angeklagte, ein Ex-Entwicklungsvorstand der Marke Volkswagen, erhielt ein Jahr und drei Monate auf Bewährung. Ein ehemaliger Abteilungsleiter wurde zu einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Er war auch der erste VW-Mitarbeiter, der den Betrug gegenüber US-Behörden zugab. 

Bauernopfer in der Dieselaffäre?

Für alle Angeklagten sah die Kammer einen bandenmäßigen Betrug ab dem Zeitpunkt ihrer Kenntnis der Schummelsoftware als erwiesen an. Den verursachten Schaden bezifferte die Kammer auf etwa 2,1 Milliarden Euro, für den aber nicht alle gleichermaßen verantwortlich seien. 

Während des Prozesses hatten die vier Angeklagten deutlich gemacht, dass sie sich als Bauernopfer in der Dieselaffäre sehen. Die Verteidiger hatten drei Freisprüche und eine Verwarnung gefordert. Entsprechend fiel ihre Reaktion am Montag aus: "Das Urteil ist falsch", sagte Rechtsanwalt Philipp Gehrmann nach der Verkündung. Besonders für seinen Angeklagten sei die Kammer mit dem Strafmaß von mehr als zwei Jahren Haft weit über das Ziel hinausgeschossen, sagte er und kündigte Revision an. 

Manipulationen flogen 2015 in den USA auf

Der Skandal um Manipulationen bei Abgastests von Dieselautos war im September 2015 aufgeflogen. In den USA hatte der Wolfsburger Autobauer kurz zuvor falsche Testergebnisse eingeräumt. Wenige Tage später trat Konzernchef Winterkorn zurück. VW schlitterte in eine seiner größten Krisen, die den Konzern nach eigenen Angaben bisher etwa 33 Milliarden Euro kostete.

Im Prozess zur VW-Dieselaffäre wurden vier Haftstrafen ausgesprochen, nur in zwei Fällen gab es Bewährung.
Im Prozess zur VW-Dieselaffäre wurden vier Haftstrafen ausgesprochen, nur in zwei Fällen gab es Bewährung. Bild: Julian Stratenschulte/dpa Pool/dpa

Der Vorsitzende, Christian Schütz, machte deutlich, dass die vier verurteilten früheren Führungskräfte nach Überzeugung der Kammer nicht allein die Verantwortung tragen. Die betroffenen Motoren seien von einer Vielzahl von Personen entwickelt worden, Pläne zur Abschaffung der Technik habe es nicht gegeben, sagte Schütz. Die Manipulationen müssten arbeitsteilig und in einem sehr hierarchischen System betrachtet werden. Es gebe weitere Involvierte mit Schlüsselrollen, die teils gar nicht angeklagt seien. 

Richter: Zeugen mit unzutreffenden oder ungenauen Angaben

Direkt zu Beginn stellte Richter Schütz klar, dass er mit einigen Zeugenaussagen während des Prozesses überhaupt nicht einverstanden war. Zeugen hätten vorsätzlich unzutreffende oder ungenaue Angaben gemacht, da sie teilweise selbst Beteiligte seien. Mit Blick auf einen Zeugen sagte Schütz sogar, dass er die "Kammer schamlos angelogen" habe. 

Der Richter ging auch darauf ein, dass es in dem Ermittlungskomplex schon Einstellungen gegen Geldauflagen gab. Dadurch stand der Vorwurf von Gefälligkeitsaussagen im Raum, um sich selbst aus der Schusslinie zu nehmen. Schütz betonte, dass seine sechste Strafkammer nur für die vier Angeklagten zuständig sei. Er machte aber auch deutlich, dass seine Kammer einige der anderen Verfahren wohl nicht eingestellt hätte.

Weitere Verfahren im Dieselskandal

In Braunschweig sind nach dem ersten Prozess und dem Komplex gegen Winterkorn noch vier weitere Strafverfahren gegen insgesamt 31 Angeklagte offen. Wie ein Sprecher des Landgerichts nach dem Urteil ankündigte, soll das nächste Verfahren gegen fünf Angeklagte im November beginnen. 

Ursprünglich geplant war, dass der frühere Volkswagen-Konzernchef Martin Winterkorn mit auf der Anklagebank sitzt. Sein Verfahrensteil wurde aber schon vor dem Auftakt im September 2021 aus gesundheitlichen Gründen abgetrennt. Mittlerweile äußerte sich Winterkorn sowohl als Zeuge als auch als Angeklagter vor Gericht und wies dabei die Verantwortung für den Dieselskandal entschieden von sich. 

Ein Unfall mit einem Klinikaufenthalt unterbrach den Prozess gegen den prominentesten Angeklagten aber. Ob und wann das Verfahren gegen den mittlerweile 78-Jährigen fortgesetzt werden kann, ist völlig offen. (dpa)

© Copyright dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH
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