Party der Öl-Industrie? 1.700 Lobbyisten auf Klimagipfel
Auf dem Klimagipfel 2023 versprach die Welt sich die Abkehr von Kohle, Öl und Gas. Ein Jahr später sind die Lobbyisten dieser Branchen trotzdem wieder dabei - anders als viele Regierungschefs.
Baku.Scharen von Lobbyisten für Öl, Gas und Kohle sorgen auf der Weltklimakonferenz für Empörung. Für den Gipfel in Aserbaidschan sind nach einer Datenanalyse mindestens 1.773 solcher Interessenvertreter ganz offiziell akkreditiert, wie die Koalition "Kick Big Polluters Out" in Baku auf Basis frei zugänglicher UN-Daten auszählte. Getragen wird das Bündnis unter anderem von Transparency International, Greenpeace und Global Witness. Luisa Neubauer von Fridays for Future äußerte sich empört: "Das ist ein Desaster!"
Der Datenanlayse zufolge verfügen die Lobbyisten über mehr Zugangspässe als alle Delegationen der zehn durch die Erderwärmung verwundbarsten Staaten zusammen. Das sind: Tschad, Salomonen, Niger, Mikronesien, Guinea-Bissau, Somalia sowie Tonga, Eritrea, Sudan und Mali.
Einfluss der Lobbyisten "wie eine giftige Schlange"
Nnimmo Bassey von "Kick Big Polluters Out" sagte: "Der Einfluss der Lobby für fossile Brennstoffe auf die Klimaverhandlungen ist wie eine giftige Schlange, die sich um die Zukunft unseres Planeten windet." Es gelte, ihre "Täuschungen aufzudecken" und entschlossen gegenzusteuern, um ihren Einfluss zu beseitigen.
Die Verbrennung von Öl, Gas und Kohle setzt das klimaschädliche Treibhausgas Kohlendioxid frei, das den Planeten gefährlich aufheizt. Auf der letztjährigen Klimakonferenz in Dubai einigten sich alle 200 Staaten auf eine Abkehr von diesen fossilen Brennstoffen.
Brice Böhmer von Transparency International sagte, die Einflussnetzwerke einiger mächtiger "und meist korrupter" Gruppen reiche weit über die nun offengelegten Zahlen hinaus. So werde noch immer gut 20 Prozent der nationalen Delegationen gestattet, Angaben zu ihrer Tätigkeit zu verweigern.
Fossil-Lobby dank Trump "als Weltmacht organisiert"
Christoph Bals, politischer Geschäftsführer der Organisation Germanwatch, sagte, im ersten Jahr, wo die Erderwärmung über 1,5 Grad liege, sei die Fossil-Lobby "so stark aufgestellt wie noch nie" - und nach der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten jetzt auch "als Weltmacht organisiert". Neubauer von Fridays for Future wies darauf hin, dass mehr Chefs von Unternehmen der fossilen Branche in Baku seien als 90 Staats- und Regierungschefs. Baku dürfe keine Party der fossilen Industrie werden, sondern eine Party, wo das Ende der fossilen Industrie gefeiert werde. "Und das ist ein großer Unterschied."
Bei der Klimakonferenz in Dubai waren der damaligen Analyse zufolge sogar mehr als 2.450 Fossil-Lobbyisten akkreditiert - ein Rekord. Davor, in Ägypten, waren es 636. Eine Erklärung könnte auch die schwankende Teilnehmerzahl sein: In diesem Jahr liegt sie in Baku den Angaben zufolge mit gut 52.000 deutlich unter der von Dubai mit rund 97.000 Teilnehmern.
Lobbyisten anscheinend teils inkognito bei Konferenzen
Dank des Drucks der Zivilgesellschaft waren in Dubai erstmals alle Teilnehmer von den UN dazu verpflichtet, offenzulegen, wen sie vertreten. Dadurch wurden den Aktivisten zufolge viele Lobbyisten "entlarvt", die wahrscheinlich inkognito als Teil von Delegationen oder Wirtschaftsverbänden an früheren Konferenzen teilgenommen hätten.
Auch an Aserbaidschan als Gastgeber der UN-Klimakonferenz gab es erneut Kritik. Hintergrund ist unter anderem die Auftaktrede von Staatschef Ilham Aliyev, in der er die klimaschädlichen Energieträger Öl und Gas als "Geschenk Gottes" pries. Prominente Wissenschaftler und Umweltpolitiker wollen nun, dass die Vereinten Nationen den Auswahlprozess für die Gastgeberländer reformieren. Aserbaidschan, eine autoritär regierte Ex-Sowjetrepublik, stützt seine Exportwirtschaft zu 90 Prozent auf Öl und Gas.
Zu den Unterzeichnern des offenen Briefs gehören unter anderem Sandrine Dixson-Declève, globale Botschafterin des Club of Rome, Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung sowie der ehemalige UN-Generalsekretär Ban Ki-moon. Auch sie forderten, dass die UN den Zugang für Lobbyisten beschränken sollte.
Tasneem Essop vom Climate Action Network International sagte, Öl- und Gas-Lobbyisten vergifteten schon zu lange die Klimaverhandlungen. "Wir fordern eine COP, die frei von Einmischungen großer Umweltverschmutzer ist." (dpa)