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Israels Militär geht im Westjordanland verstärkt gegen militante Palästinenser vor.
Israels Militär geht im Westjordanland verstärkt gegen militante Palästinenser vor. Bild: Majdi Mohammed/AP/dpa
Welt

Israel beginnt großen Militäreinsatz im Westjordanland

Kaum ist im Gazastreifen eine Feuerpause in Kraft getreten, nimmt die Gewalt im Westjordanland zu. Verschärft wird die explosive Lage dort durch Angriffe radikaler Siedler auf palästinensische Dörfer.

Tel Aviv/Dschenin.

Kurz nach Beginn der Waffenruhe im Gazastreifen hat Israel einen umfangreichen Militäreinsatz gegen militante Palästinenser im Westjordanland eingeleitet. Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums in Ramallah wurden bei dem Einsatz in der Stadt Dschenin zehn Menschen getötet und mindestens 40 verletzt. Der Militäreinsatz, der jüngste in einer Reihe von Razzien der israelischen Armee im Westjordanland in den vergangenen Monaten, diene der "Bekämpfung des Terrorismus" und werde "umfangreich und bedeutsam" sein, erklärte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu

Medienberichten zufolge drangen Bodentruppen und Spezialeinheiten in Dschenin ein, das als Hochburg radikaler Palästinenser gilt. Es habe auch Drohnenangriffe gegeben. Sicherheitskräfte der Palästinensischen Autonomiebehörde, die mehrere Wochen lang selbst gegen Militante im Einsatz gewesen waren, zogen sich nach palästinensischen Angaben zuvor zurück. 

Bei dem israelischen Militäreinsatz im Westjordanland kamen nach palästinensischen Angaben mehrere Menschen ums Leben.
Bei dem israelischen Militäreinsatz im Westjordanland kamen nach palästinensischen Angaben mehrere Menschen ums Leben. Bild: Nasser Nasser/AP/dpa

Gewalt nimmt zu

Das Vorgehen der israelischen Streitkräfte in Dschenin erfolgt zu einer Zeit, da sich die ohnehin schon gespannte Lage im Westjordanland angesichts eines Erstarkens militanter Palästinenser und zunehmender Gewalt radikaler israelischer Siedler gegen palästinensische Zivilisten drastisch verschärft hat.

Am Montag, einen Tag nach Inkrafttreten einer Waffenruhe im Gaza-Krieg zwischen Israel und der islamistischen Hamas, hatte Israels Generalstabschef Herzi Halevi gesagt, man müsse in den kommenden Tagen auf umfangreiche Anti-Terror-Einsätze im Westjordanland vorbereitet sein, "um den Terroristen zuvorzukommen und sie festzunehmen, bevor sie unsere Zivilisten erreichen".

Einen Tag später kündigte Halevi seinen Rücktritt als Armeechef an und begründete dies unter anderem mit dem Versagen des Militärs, Israel vor dem Terrorüberfall der Hamas am 7. Oktober 2023 mit rund 1.200 Todesopfern zu schützen. Das Massaker wurde zum Auslöser des Gaza-Kriegs. Die seit 2007 im Gazastreifen herrschende und im Verlaufe des Krieges durch die israelische Armee geschwächte Hamas habe ihre Bemühungen zur Bewaffnung radikaler Palästinenser im Westjordanland verstärkt, um eine weitere Front gegen Israel zu eröffnen, sagten Analysten der "New York Times". 

Netanjahu: Gehen gegen "iranische Achse" vor

Der israelische Regierungschef Netanjahu sagte zum Einsatz in Dschenin, man gehe überall dort vor, wohin die "iranische Achse" reiche. Zu Irans Verbündeten zählen neben der Hamas die von Israel ebenfalls militärisch geschwächte Hisbollah im Libanon sowie die Huthi-Miliz im Jemen

Seit dem Terrorüberfall der Hamas am 7. Oktober 2023 stieg die Zahl der im Westjordanland getöteten Palästinenser nach palästinensischen Angaben auf 828. Angeheizt wird die Lage durch die Gewalt radikaler jüdischer Siedler. 

Die Gewalt israelischer Siedler im Westjordanland hat zugenommen.
Die Gewalt israelischer Siedler im Westjordanland hat zugenommen. Bild: Majdi Mohammed/AP/dpa

Israelische Siedler greifen Dörfer an 

Als nach dem Inkrafttreten der Feuerpause in Gaza Dutzende palästinensische Häftlinge im Austausch gegen drei Hamas-Geiseln aus israelischen Gefängnissen freikamen und viele von ihnen ins Westjordanland zurückkehrten, kam es dort wiederholt zu Angriffen radikaler israelischer Siedler auf palästinensische Dörfer. Israelischen Medienberichten zufolge setzten die vermummten Siedler in den Dörfern Gebäude und Fahrzeuge in Brand. 

Israel hatte während des Sechs-Tage-Krieges 1967 unter anderem das Westjordanland, den Gazastreifen und Ost-Jerusalem erobert. Im Westjordanland leben inmitten von drei Millionen Palästinensern inzwischen etwa eine halbe Million israelischer Siedler. Einschließlich Ost-Jerusalems sind es sogar 700.000 Siedler. Der UN-Sicherheitsrat hatte 2016 die Siedlungen als eine Verletzung des internationalen Rechts bezeichnet und Israel aufgefordert, sämtliche Siedlungsaktivitäten in den Palästinensergebieten zu stoppen.

US-Präsident Trump hob die US-Sanktionen gegen israelische Siedler auf.
US-Präsident Trump hob die US-Sanktionen gegen israelische Siedler auf. Bild: Julia Demaree Nikhinson/AP/dpa

Hamas ruft zu "Generalmobilisierung" auf

Der erst kurz zuvor vereidigte US-Präsident Donald Trump hob jedoch einen Tag nach dem Beginn der Gaza-Feuerpause Sanktionen gegen radikale Sieder im Westjordanland wieder auf, die die Regierung seines Vorgängers Joe Biden verfügt hatte. Unter anderem waren Vermögenswerte in den USA blockiert worden. US-Bürgern und generell allen Menschen, die sich in den USA befinden, wurden außerdem Geschäfte mit sanktionierten Organisationen und Personen untersagt. Auch die Europäische Union hatte Sanktionen gegen radikale Siedler verhängt.

Nach Aufhebung der Sanktionen durch Trump äußerte das palästinensische Außenministerium in Ramallah die Befürchtung, dass es nun zu noch mehr Gewalt jüdischer Siedler im Westjordanland kommen könnte. Die Hamas rief unterdessen die Bevölkerung zur "Generalmobilisierung" und zu Konfrontationen mit den israelischen Sicherheitskräften und Siedlern auf. Angesichts des israelischen Militäreinsatzes in Dschenin forderte auch die Organisation Islamischer Dschihad die Bewohner des Westjordanlands dazu auf, sich "diesem kriminellen Einsatz mit allen Mitteln zu widersetzen".

Verletzte bei Messerangriff in Tel Aviv

Derweil wurden bei einem Messerangriff in der israelischen Küstenmetropole Tel Aviv am Abend laut dem israelischen Rettungsdienst vier Menschen verletzt. Der Täter wurde Medienberichten zufolge von einem Passanten erschossen. Die Polizei sprach von einem terroristischen Angriff. Laut der "Times of Israel" war der aus Marokko stammende Mann, der eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung in den USA besessen habe, am Samstag als Tourist nach Israel eingereist. Die Hamas pries ihn als Märtyrer und stellte seine Tat als Reaktion auf den israelischen Militäreinsatz in Dschenin dar.

Wie die Zeitung in der Nacht weiter berichtete, erschossen Beamte der Grenzpolizei drei Palästinenser, die sie in einem Flüchtlingslager bei Jerusalem mit Steinen beworfen hätten. Nach Angaben der Polizei hätten Dutzende Palästinenser während eines Einsatzes der Sicherheitskräfte zu randalieren begonnen. Die Polizisten hätten sich dabei in Lebensgefahr gesehen und das Feuer eröffnet. (dpa)

© Copyright dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH
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