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Keine Trittbrettfahrerei mehr: Nato beginnt Gipfel mit Trump

Können sich die Alliierten noch bedingungslos auf ihren mächtigsten Partner verlassen? Bundeskanzler Merz versteht, was US-Präsident Trump als Gegenleistung beim Nato-Gipfel in Den Haag dafür fordert.

Den Haag.

Der diesjährige Nato-Gipfel in Den Haag wird nach Einschätzung von Bundeskanzler Friedrich Merz das Ende der "Trittbrettfahrerei" beim stärksten Bündnispartner USA markieren. Die Amerikaner hätten das sicherheitspolitisch über viele Jahrzehnte akzeptiert - "jetzt nicht mehr", sagte Merz in Berlin. "Wir Europäer müssen uns auf uns selbst gestellt stärker machen. Wir müssen stärker werden."

Mit Blick auf Deutschland und die anderen Alliierten kann sich US-Präsident Donald Trump damit schon jetzt als Gewinner des Gipfels fühlen - bevor der überhaupt begonnen hat. Die Bündnispartner stimmten auf Druck der USA zu, die Ausgaben für Militär und Infrastruktur drastisch zu erhöhen. 

Dennoch sind die Verbündeten unsicher, ob sich die Vereinigten Staaten - trotz der Vereinbarung - dem Bündnis noch bedingungslos verpflichtet fühlen. Trumps Annäherung an Russlands Präsidenten Wladimir Putin und die Vernachlässigung europäischer Stimmen im Krieg zwischen Israel und dem Iran nähren Zweifel. Die USA hatten trotz laufender Verhandlungsbemühungen der Europäer drei iranische Atomanlagen angegriffen.

Die Allianz hofft bei dem zweitägigen Treffen am Dienstag und Mittwoch auf ein eindeutiges Zeichen der Geschlossenheit von Trump.

Rutte sieht "wahrhaft historischen Moment"

Nato-Generalsekretär Mark Rutte sagte bei einer Pressekonferenz, man treffe sich in einem wahrhaft historischen Moment, in dem die Sicherheit der Alliierten vor erheblichen Herausforderungen stehe. Eine massive Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent der Wirtschaftsleistung sei unentbehrlich, um den eine Billion Menschen in den 32 Nato-Staaten weiter Sicherheit garantieren zu können.

Mindestens fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts 

Wie die Deutsche Presse-Agentur nach einer schriftlichen Entscheidung erfuhr, wollen sich die Alliierten beim Gipfel bereiterklären, ihre jährlichen verteidigungsrelevanten Ausgaben auf mindestens fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu erhöhen.

Ein Betrag von mindestens 3,5 Prozent des BIP soll dabei auf klassische Militärausgaben entfallen. Zudem könnte zum Beispiel militärisch nutzbare Infrastruktur im Wert von 1,5 Prozent des BIP angerechnet werden. Als Frist für die Erfüllung des neuen Ziels soll das Jahr 2035 gelten, wie nach Angaben von Diplomaten aus dem Entwurf für die Abschlusserklärung hervorgeht. Diese soll am Mittwoch formell angenommen werden.

Derzeit sieht das Nato-Ziel für die Verteidigungsausgaben lediglich jährliche nationale Ausgaben in Höhe von mindestens zwei Prozent des BIP vor. Gründe für die vereinbarte Erhöhung sind insbesondere die Bedrohungen durch Russland, aber eben auch die Forderung von Trump, dass die Europäer künftig die Hauptverantwortung auf ihrem Kontinent übernehmen sollen.

Klingbeil will 2029 neues Nato-Ziel erfüllen 

Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) plant für das Jahr 2029 mit Verteidigungsausgaben von 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sollen die Ausgaben bis dahin schrittweise steigen und bereits in diesem Jahr eine Nato-Quote von 2,4 Prozent erreichen.

Allein für Bundeswehr, Bevölkerungsschutz, Nachrichtendienste und Hilfe für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten wie die Ukraine sind in diesem Jahr 75 Milliarden Euro vorgesehen, wie aus den der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Plänen hervorgeht. . Bis 2029 sollen die Ausgaben in diesen Bereichen auf fast 170 Milliarden Euro anwachsen. 

Ernüchterndes für die Ukraine

Ernüchternd dürfte der Text für die Abschlusserklärung für die Ukraine werden. Ihr wird dort nach Angaben von Diplomaten lediglich vage eine fortgesetzte Unterstützung in Aussicht gestellt. Noch im vergangenen Jahr hatte die Nato der Ukraine beim Gipfel in Washington zugesichert, Sicherheitsunterstützung in Höhe von 40 Milliarden Euro bereitzustellen. Zudem wurde damals festgehalten, dass ihr Pfad zur Mitgliedschaft unumkehrbar sei. Wegen des Widerstandes insbesondere der USA konnten solche Formulierungen nun nicht mehr wiederholt werden, so die Diplomaten. 

Trump hofft noch immer darauf, den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine auch durch Zugeständnisse an Putin zu beenden.

Nato-Ziele sind für viele Alliierte herausfordernd 

Für zahlreiche der 32 Nato-Staaten stellt die neue Zielvorgabe eine riesige Herausforderung dar. So kam Deutschland im vergangenen Jahr lediglich auf eine Quote von etwa 2,1 Prozent, und nach Angaben von Merz würde jeder Prozentpunkt mehr für Deutschland derzeit ungefähr 45 Milliarden Euro mehr an Verteidigungsausgaben bedeuten. 

Kritische Länder wie Spanien konnten nach Angaben von Diplomaten letztlich doch mit an Bord geholt werden, weil für das Jahr 2029 eine Überprüfung der neuen Zielvorgabe in Aussicht gestellt wurde. Dann sollen ohnehin neue Planungsziele für Abschreckung und Verteidigung vereinbart werden. 

Nato-Generalsekretär Rutte sicherte Spaniens linkem Regierungschefs Pedro Sánchez zudem schriftlich zu, dass dessen Land das neue Prozent-Ziel nicht erreichen muss, wenn es die von ihm geforderten militärischen Fähigkeiten auch mit weniger Geld bereitstellen kann. In Brüssel wird dies allerdings für wenig realistisch gehalten.

Den Haag wird zur Festung: Operation "Orange Shield"

Der Gipfel ist für die Gastgeber-Stadt Den Haag auch logistisch eine große Herausforderung, immerhin werden rund 40 Staats- und Regierungschefs in der niederländischen Küstenstadt erwartet. Nach Angaben der Regierung ist es die größte Sicherheitsoperation in der Geschichte der Niederlande. Das Bedrohungspotenzial wird angesichts der Spannungen im Nahen Osten hoch eingeschätzt. Die Streitkräfte legten mit der Operation "Orange Shield" eine Art Schutzpanzer um die Stadt. Rund 27.000 Polizisten sind im Einsatz. Dazu kommen noch mehr als 10.000 Soldaten. (dpa)

© Copyright dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH
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