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Merz' vorsichtiger Optimismus nach dem jüngsten Treffen mit Selenskyj ist düsteren Prognosen gewichen. (Archivbild)
Merz' vorsichtiger Optimismus nach dem jüngsten Treffen mit Selenskyj ist düsteren Prognosen gewichen. (Archivbild) Bild: Kay Nietfeld/dpa
Welt
Merz und Selenskyj: Der Hoffnungsschimmer ist verflogen

Die vielversprechenden Bilder von der Kiew-Reise des Kanzlers sind schnell verblasst. Sein vorsichtiger Optimismus ist innerhalb von drei Wochen düsteren Prognosen gewichen.

Berlin.

Als Bundeskanzler Friedrich Merz nur vier Tage nach seinem Amtsantritt den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj Mitte Mai in Kiew traf, waren die Hoffnungen auf einen echten Verhandlungsprozess zur Beendigung des Krieges noch groß. Wenn die beiden sich heute knapp drei Wochen danach in Berlin wiedersehen, ist davon so gut wie nichts übriggeblieben. 

Der dünne Gesprächsfaden zwischen Russland und der Ukraine ist abgerissen. Die russischen Luftangriffe sind heftiger als je zuvor. Und US-Präsident Donald Trump ist dabei, die Europäer mit dem Problem allein zu lassen.

Besuch nach langen Spekulationen bestätigt

Über den geplanten Besuch Selenskyjs in Berlin hatten in den vergangenen Tagen mehrere Medien berichtet, obwohl solche Reisen aus Sicherheitsgründen in der Regel möglichst bis zuletzt geheim gehalten werden. Eine offizielle Bestätigung gab es erst wenige Stunden vorher. "Bei dem Besuch wird es um die deutsche Unterstützung der Ukraine und die Bemühungen um einen Waffenstillstand gehen", teilte Regierungssprecher Stefan Kornelius am Morgen mit. 

Es ist bereits der vierte Besuch Selenskyjs in Berlin seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine vor mehr als drei Jahren. Er findet in einer äußerst schwierigen Lage statt - und fällt zeitlich zusammen mit dem Antrittsbesuch von Außenminister Johann Wadephul in Washington.

Merz' Chefdiplomat will sich bei seinem heutigen Treffen mit US-Kollege Marco Rubio für einen Schulterschluss mit den USA im Umgang mit Kremlchef Wladimir Putin einsetzen. "Damit Putin endlich an den Verhandlungstisch kommt, damit Russland endlich in ernsthafte Verhandlungen einsteigt, müssen wir den Druck aufrechterhalten", erklärte der CDU-Politiker vor dem Abflug nach Washington. "Wir Europäer werden die Sanktionsschrauben weiter anziehen, auch der US-Kongress ist zu mehr Sanktionen bereit."

Merz macht düstere Prognosen

Merz erweckte in den vergangenen Tagen den Eindruck, als habe er den Glauben an eine Lösung am Verhandlungstisch ganz aufgegeben. Kriege gingen in der Regel durch wirtschaftliche oder militärische Erschöpfung einer der beiden Seiten oder beider Seiten zu Ende, sagte er am Dienstag bei seinem Finnland-Besuch. "Davon sind wir in diesem Krieg offensichtlich noch weit entfernt. Deswegen rechne ich damit, dass wir uns möglicherweise noch auf eine längere Dauer einzustellen haben."

Die Ernüchterung über die diplomatischen Bemühungen ist auch der Grund dafür, warum Merz die Aufhebung der Reichweitenbegrenzung für den Einsatz deutscher Waffen im Ukraine-Krieg Anfang der Woche öffentlich machte. Er unterstützte damit ukrainische Militärschläge gegen Stellungen auf russischem Territorium, um dem russischen Präsidenten Putin zu signalisieren, dass die Solidarität der Europäer mit der Ukraine ungebrochen ist. 

Von den Grünen und auch aus der Union kommen nun wieder Forderungen nach der Lieferung der Taurus-Marschflugkörper mit einer Reichweite von 500 Kilometern. Da war Merz zuletzt aber sehr reserviert - er will in der Öffentlichkeit eigentlich gar nicht mehr über das Thema reden.

Die militärische Lage: Der Ukraine fehlen Waffen

Militärisch ist die Ukraine seit langem in der Defensive; doch es ist Russland auch nach mehr als drei Jahren Angriffskrieg nicht gelungen, den Widerstand der Ukrainer zu brechen. Um in die Vorhand zu kommen, bräuchte die ukrainische Armee schlagkräftige Waffensysteme, um russische Kommandostellen und Versorgungswege hinter der Front zu zerschlagen. 

In seiner Videobotschaft kündigte Selenskyj an, die Rüstungsindustrie weiter auszubauen. Russland müsse fühlen, dass alle seine Untaten gegen die Ukraine beantwortet würden. "Schlüsselelemente (dafür) sind Angriffsdrohnen, Abfangjäger, Marschflugkörper und ukrainische ballistische Raketen. Wir müssen alles produzieren", forderte er.

Mehr als Planspiele sind das bisher nicht, auch wenn Selenskyj erklärte, dass die Regierung Investitionsverträge mit europäischen Partnern vorbereite, um weitere Militärproduktion ins Land zu verlagern. 

Hinhaltender Widerstand der Ukraine

Die Ukraine hat bereits ihre Drohnen weiterentwickelt. Damit kann sie punktuell Energieanlagen und Militärobjekte in Russland beschädigen oder den zivilen Flugverkehr stören. Die Lufthoheit liegt aber weiter bei Russland, wie die schweren nächtlichen Bombardements vom vergangenen Wochenende gezeigt haben.

Zwar ist die ukrainische Luftverteidigung verstärkt worden - gerade auch mit deutscher Hilfe. Doch die russischen Drohnenschwärme werden größer, gegen Gleitbomben und ballistische Raketen gibt es kaum eine Abwehr. Es fehlt an Waffensystemen und Flugabwehrmunition.

Bei Kämpfen am Boden zeigt sich der ukrainische Mangel an Soldaten deutlich. Im Donbass im Osten leisten die Verteidiger hinhaltenden Widerstand. Die russischen Angreifer rücken Schritt für Schritt vor, auch wenn sie dabei große Verluste an Soldaten und Technik erleiden. Für den Sommer zieht Moskau Truppen für weitere Offensiven zusammen. Auch droht eine Verlängerung der Front, weil Russland entlang seiner Grenze eine Pufferzone erobern will. Beide Seiten stecken in einem Abnutzungskrieg mit ungewissem Ausgang.

Friedensbemühungen? Trumps schneller Vorstoß ist gescheitert

Der Plan von US-Präsident Trump bei Amtsantritt lief daraus hinaus, mit seinem - wie er es einschätzt - guten Draht zu Putin ein rasches Kriegsende zu erreichen. Nicht auf ihn machte er Druck, sondern auf die bislang verbündete Ukraine. Doch trotz mehrerer Spitzentelefonate und Vorbereitungstreffen kam nicht mehr zustande als ein direktes ukrainisch-russisches Gespräch in Istanbul. Es brachte bis auf einen Gefangenenaustausch kein Ergebnis.

Kiew hat Trumps Vorschlag einer 30-tägigen Waffenruhe als Einstieg in Verhandlungen angenommen. Moskau lehnt dies weiter ab und bleibt trotz aller Beteuerungen von Friedenswillen letztlich bei Maximalforderungen: Die Ukraine soll entwaffnet und praktisch wieder unter russische Kontrolle gebracht werden.

Angesichts der schwankenden Haltung Trumps wächst den europäischen Staaten größere Bedeutung zu, für Sicherheit auf dem eigenen Kontinent zu sorgen. Neben dem Versprechen der anhaltenden militärischen Unterstützung dürfte bald auch ein weiteres Sanktionspaket folgen. Von Strafmaßnahmen hat sich Russland bisher aber unbeeindruckt gezeigt.

Auch die zunehmende Unzufriedenheit Trumps hat die russische Führung kühl weggewischt. Als der US-Präsident am Wochenende nach massiven russischen Bombardements ukrainischer Städte sagte, Putin sei "verrückt geworden", wertete der Kreml das als Zeichen "emotionaler Überlastung" wegen der laufenden Verhandlungen. (dpa)

© Copyright dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH
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