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Will einen schnellen EU-Beitritt: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, hier bei einer Pressekonferenz mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. (Archivbild)
Will einen schnellen EU-Beitritt: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, hier bei einer Pressekonferenz mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. (Archivbild) Bild: Efrem Lukatsky/AP/dpa
Welt
Neue EU-Analyse sieht Reformtempo der Ukraine kritisch

Einmal im Jahr werden in der EU die Reformanstrengungen von Beitrittskandidaten bewertet. Nun ist es wieder so weit. Die Ukraine muss sich Kritik gefallen lassen, andere schneiden deutlich besser ab.

Brüssel.

Die Ukraine muss ihr Reformtempo erhöhen, wenn sie die selbstgesteckten Ziele auf dem Weg zu einer Aufnahme in die Europäische Union erreichen will. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse, die die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas und Erweiterungskommissarin Marta Kos am Nachmittag in Brüssel vorgestellt haben. Kallas attestierte der Ukraine dennoch Fortschritte: Die umfassenden Reformen während des russischen Angriffskriegs zeigten das beachtliche Bemühen des Landes um eine EU-Mitgliedschaft.

In dem Text heißt es, die Ukraine habe im vergangenen Jahr trotz ihrer äußerst schwierigen Lage ein bemerkenswertes Engagement im EU-Beitrittsprozess gezeigt. Jüngste negative Entwicklungen müssten allerdings entschieden rückgängig gemacht werden – so etwa der Druck auf Antikorruptionsbehörden und die Zivilgesellschaft. 

Zudem mahnen die Autoren des Berichts an, die Angleichung an EU-Standards beim Schutz der Grundrechte sowie Verwaltungs- und Dezentralisierungsreformen voranzutreiben. Fortschritte seien weiterhin notwendig, um Unabhängigkeit, Integrität, Professionalität und Effizienz in Justiz, Staatsanwaltschaft und Strafverfolgung zu stärken sowie organisierte Kriminalität intensiver zu bekämpfen.

Ehrgeizige Ziele

Die ukrainische Regierung hat sich selbst das Ziel gesetzt, die EU-Beitrittsverhandlungen bis Ende 2028 abzuschließen. In der Analyse der notwendigen Reformfortschritte wird nun aber deutlich vor dem Risiko gewarnt, dass damit zu große Erwartungen geschürt werden könnten. Die Kommission unterstütze das ehrgeizige Ziel, weise jedoch darauf hin, dass hierfür eine Beschleunigung des Reformtempos erforderlich sei, heißt es dort. Das gelte insbesondere in grundlegenden Bereichen wie der Rechtsstaatlichkeit.

Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas (2.v.l) und EU-Erweiterungskommissarin Marta Kos (r) legen Berichte zu Reformfortschritten von Ländern vor, die in die Europäische Union streben. (Archivbild)
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas (2.v.l) und EU-Erweiterungskommissarin Marta Kos (r) legen Berichte zu Reformfortschritten von Ländern vor, die in die Europäische Union streben. (Archivbild) Bild: Ansgar Haase/dpa

Neben der Ukraine wurden an diesem Dienstag auch das kleine Nachbarland Moldau sowie die Westbalkanstaaten Montenegro, Albanien, Serbien, Bosnien-Herzegowina, Nordmazedonien und Kosovo als EU-Beitrittsanwärter von der EU-Kommission bewertet. Zur Türkei und Georgien gibt es ebenfalls Analysen, in beiden Fällen liegt der Beitrittsprozess allerdings wegen demokratischer und rechtsstaatlicher Defizite auf Eis.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen teilte mit, man sei entschlossener denn je, eine EU-Erweiterung zu verwirklichen. "Aber es muss und wird ein leistungsorientierter Prozess bleiben", fügte die deutsche Politikerin hinzu. 

Montenegro und Albanien kommen EU-Beitritt näher

Für Albanien wird ein Abschluss der Beitrittsverhandlungen bis Ende 2027 für möglich gehalten. Am weitesten im EU-Aufnahmeprozess ist nach der neuen Analyse Montenegro. Dem Land wird bescheinigt, die Beitrittsverhandlungen bis Ende 2026 abschließen zu können, wenn es das Reformtempo beibehält.

EU-Ratspräsident António Costa sagte auf einer Veranstaltung zur EU-Erweiterung des Senders Euronews, Montenegros Ziel, die Verhandlungen bis Ende nächsten Jahres abzuschließen, erscheine glaubwürdig – vorausgesetzt, das Land setze sein Engagement und die intensive Arbeit an den erforderlichen Reformen fort. Er glaube, dass Montenegro 2028 der 28. EU-Mitgliedsstaat werden könne.

Das Ende der Verhandlungen bedeutet nicht, dass die Länder dann auch wirklich beitreten können. Voraussetzung dafür ist, dass alle EU-Staaten den von der EU-Kommission ausgehandelten Beitrittsverträgen zustimmen und diese dann auch ratifizieren. In Frankreich etwa könnte vor der Ratifizierung noch ein Referendum organisiert werden.

Dauert der EU-Aufnahmeprozess zu lange? 

In Brüssel, aber auch in Deutschland werden die zuletzt sehr langwierigen Entscheidungsprozesse innerhalb der EU mit Sorge gesehen. Grund ist insbesondere das Risiko, dass Länder mit fehlender Beitrittsperspektive engere Partnerschaften mit den Systemrivalen China oder Russland eingehen könnten. "Die Menschen beginnen, das Vertrauen auf eine baldige Zukunft in der EU zu verlieren", warnte jüngst der deutsche Außenminister Johann Wadephul (CDU) zu einem Treffen mit den Westbalkanländern. Das könne man sich nicht leisten.

EU-Außenbeauftragte Kallas betonte, der russische Angriffskrieg und die geopolitischen Verschiebungen machten die Bedeutung einer EU-Erweiterung deutlich. Sie sei notwendig, wenn die Europäische Union auf der Weltbühne eine stärkere Rolle spielen wolle, sagte Kallas. Chancen böten sich nicht oft, aber jetzt sei das Fenster weit geöffnet. "Gleichzeitig werden wir keine Abstriche machen und wir werden keine Abkürzungen anbieten", fügte die estnische Politikerin hinzu. 

Georgien nur noch auf dem Papier Beitrittskandidat

Schon jetzt als äußerst schwierige Fälle gelten die Beitrittskandidatenländer Georgien und die Türkei, die auch in diesem Jahr wieder ein negatives Zeugnis ausgestellt bekommen. Zu Georgien heißt es, das Land sei angesichts des Kurses der aktuellen Regierung nur noch auf dem Papier ein Beitrittskandidat. Erweiterungskommissarin Kos betonte, die georgischen Behörden müssten dringend ihren Kurs ändern und auf die Forderung ihrer Bürger nach einer europäischen Zukunft reagieren.

Als Beispiele werden die Verabschiedung repressiver Gesetze, eine politische Instrumentalisierung der Justiz, die Verfolgung von Oppositionsführern sowie willkürliche Verhaftungen von Demonstrierenden und Journalistinnen und Journalisten genannt. In der Türkei wurden ebenfalls weitere Rückschritte in den Bereichen Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit festgestellt. Das Land sollte diese rückgängig machen, wird in dem Bericht gefordert. (dpa)

© Copyright dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH
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