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Welt
Neuer Krisenherd Portugal: Familienfirma stürzt Regierung

In Portugal schien die Welt bis vor wenigen Wochen noch weitgehend in Ordnung. Doch plötzlich hat Europa dort einen weiteren Krisenherd - und zwar einen, der auch deutsche Interessen betrifft.

Lissabon.

Die undurchsichtigen Geschäfte eines Unternehmens der Familie von Ministerpräsident Luís Montenegro haben seine konservative Minderheitsregierung in Portugal zu Fall gebracht - und das Land in Ungewissheit gestürzt. Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa verlor keine Zeit und traf am Tag nach dem erfolgreichen Misstrauensvotum die verschiedenen Parteichefs, um über eine mögliche Neuwahl zu beraten.

Montenegro war in den vergangenen Wochen von der Opposition, die ihm Vorteilnahme und einen Interessenkonflikt vorwirft, zunehmend in die Ecke getrieben worden - bis der 52-Jährige im Parlament die Vertrauensfrage stellte und bei der Abstimmung darüber eine vernichtende Niederlage erlitt.

Rebelo de Sousa könnte nun zwar auch einen anderen Politiker des Regierungsbündnisses Demokratische Allianz (AD) oder aber Oppositionsführer Pedro Nuno Santos von der Sozialistischen Partei (PS) mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragen. Es gilt aber als wahrscheinlich, dass er nach der Konsultationsrunde und der Beratung mit dem Staatsrat - einem Gremium, dem aktuelle und ehemalige Mandatsträger sowie andere Persönlichkeiten angehören - Wahlen ausrufen wird - und zwar für den 11. oder 18. Mai.

Das Staatsoberhaupt muss nun eine Entscheidung treffen. (Archivbild)
Das Staatsoberhaupt muss nun eine Entscheidung treffen. (Archivbild) Bild: Urs Flueeler/KEYSTONE/EDA/POOL/dpa

Werden die Rechtspopulisten profitieren?

Aber egal, wie die Entscheidung Rebelos ausfällt - Portugals Zukunft ist ungewiss. Viele befürchten eine Erstarkung der Rechtspopulisten von Chega, die schon jetzt die dritte Kraft sind. Kolumnist Manuel Fonseca hatte bereits vor der Abstimmung in der Zeitung "Correio da Manhã" prophezeit: "Heute gewinnt Chega." Ähnlich äußerten sich später Kommentatoren im Sender CNN Portugal.

Profitiert er vom Chaos? (Archivbild)
Profitiert er vom Chaos? (Archivbild) Bild: Joao Henriques/AP/dpa

Speziell in Deutschland dürften einige nun sorgenvoll auf das beliebte Urlaubsland blicken. Die geschäftsführende Regierung hat nur beschränkte Befugnisse. Viele Projekte werden auf Eis gelegt, darunter auch die Privatisierung der Fluggesellschaft TAP, an der unter anderem auch die Lufthansa interessiert ist.

Alles schien in Portugal bis vor kurzem in Ordnung

Dabei kam die Krise durchaus überraschend. Der einstige EU-Schuldensünder verzeichnet auch nach dem Regierungswechsel vom Frühjahr 2024 gute Wachstumsraten und eine historisch niedrige Arbeitslosigkeit bei anhaltend strikter Ausgabendisziplin. Doch zuletzt überschlugen sich die Ereignisse.

Die Opposition wirft Montenegro Vorteilnahme vor. Das von Montenegro 2021 gegründete Beratungs- und Immobilienunternehmen Spinumviva soll demnach von der Position des Ministerpräsidenten profitiert haben, um Verträge mit Privatfirmen zu unterzeichnen. Montenegro bestreitet jede Unregelmäßigkeit. Informationen etwa zu den Kunden gab er allerdings nicht preis.

Die Parlamentsdebatte war hitzig.
Die Parlamentsdebatte war hitzig. Bild: Armando Franca/AP/dpa

Im Rahmen der Affäre überstand Montenegro immerhin zwei Misstrauensvoten. Da die Opposition aber trotzdem ihre Pläne für eine Untersuchungskommission nicht aufgab, stellte er sich der Vertrauensfrage. Die Neuwahl sei ein "notwendiges Übel". "Zwei Monate Instabilität sind besser als anderthalb Jahre langsamer Zerfall", betonte der nun scheidende Regierungschef.

Der Regierungschef wollte keine zermürbende Untersuchung

Nach Einschätzung von Beobachtern nimmt Montenegro die Neuwahl in Kauf, weil er eine zermürbende Untersuchung verhindern wollte - und weil sein AD laut Umfragen sogar auf einen Sieg mit einem besseren Ergebnis als im März 2024 hoffen kann. Der Gestürzte meinte, er wolle wieder kandidieren. Die Parlamentsneuwahl wäre bereits die dritte innerhalb von nur gut drei Jahren. (dpa)

© Copyright dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH
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