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Rechte FPÖ in Österreich kurz vor dem Kanzleramt

Die FPÖ war der klare Sieger der Wahl in Österreich. Nach dramatischen Tagen bekommen die Rechtspopulisten die aussichtsreiche Chance, eine Regierungskoalition mit der ÖVP zu schmieden.

Wien.

Die rechte FPÖ steht in Österreich kurz vor dem Einzug ins Kanzleramt. Bundespräsident Alexander Van der Bellen erteilte den Rechtspopulisten trotz eigener Vorbehalte offiziell den Auftrag zur Bildung einer Regierung. Parteichef Herbert Kickl solle Gespräche mit der konservativen ÖVP aufnehmen, sagte Van der Bellen. Damit könnte die FPÖ erstmals in Österreich das Kanzleramt übernehmen.

Die Partei hat eine Moskau-freundliche Haltung und steht der EU sehr skeptisch gegenüber. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban gilt zumindest in Sachen Migrationspolitik als Kickls großes Vorbild. 

Van der Bellen erklärte, das Land brauche gerade in der aktuell wirtschaftlich äußerst schwierigen Lage eine arbeitsfähige Regierung. Kickl habe ihm in dem Gespräch versichert, dass er sich die Aufgabe als Kanzler zutraue. "Der Respekt vor dem Wählervotum gebietet es, dass der Bundespräsident die Mehrheit achtet", auch wenn er selbst möglicherweise andere Wünsche und Vorstellungen habe, sagte Van der Bellen. "Ich habe mir diesen Schritt nicht leicht gemacht."

Gespräche von Protesten begleitet 

Das rund einstündige Treffen von Van der Bellen und Kickl war begleitet von Protesten. Vor der Präsidialkanzlei waren Hunderte Demonstranten aufmarschiert, die mit Schildern wie "Nazis raus" vor einem gewaltigen Rechtsruck warnten. 

Die konservative ÖVP und die rechte FPÖ hatten bereits in den 2000er Jahren und zwischen 2017 und 2019 Koalitionen gebildet - allerdings unter ÖVP-Regierungschefs.

Die FPÖ hatte die Parlamentswahl im September mit knapp 29 Prozent der Stimmen gewonnen. Zunächst wollte niemand mit den Rechtspopulisten regieren. Doch Gespräche über eine Regierung aus den Mitte-Parteien scheiterten.

ÖVP nach Kurswechsel zur Zusammenarbeit bereit

Die ÖVP hat nach dem Rückzug von Kanzler Karl Nehammer als Parteichef am Wochenende einen Kurswechsel vollzogen. Sie hat unter ihrem neuen Parteivorsitzenden, dem bisherigen ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker, ihre Bereitschaft erklärt, als Juniorpartner der FPÖ eine Regierung zu bilden.

Die Ausgangslage für die nun anstehenden Gespräche gilt als gut. Bei Themen wie Migration und Steuern scheinen sich die Ansichten der beiden Parteien weitgehend zu decken. Deutliche Differenzen zwischen FPÖ und der ÖVP gibt es aber in Sachen Außen- und Sicherheitspolitik. So möchte Kickl etwa dem geplanten europäischen Luftverteidigungssystem "Sky Shield" nicht beitreten. Den Russland-Sanktionen der EU steht die FPÖ äußert kritisch gegenüber - im Gegensatz zur ÖVP, die klar auf der Seite der Ukraine steht.

Großer Knackpunkt ist die Bewältigung der Budgetkrise

Völlig offen seien auch gemeinsame Konzepte zur Bewältigung der tiefen Budgetkrise, sagte der Präsident des Fiskalrats Christoph Badelt im ORF. Es sei fraglich, ob ein neuer Kanzler von der FPÖ mit unpopulären Sparmaßnahmen oder Steuererhöhungen starten wolle, so Badelt weiter. "Wir wissen alle nicht, wozu die FPÖ, wenn es wirklich ums Budgetkonsolidieren geht, eigentlich bereit wäre." Österreich muss dringend seinen Haushalt sanieren, um ein EU-Defizitverfahren zu vermeiden.

Die Budgetregeln der EU sehen vor, dass das Budgetdefizit in EU-Staaten drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht überschreiten darf. Der Schuldenstand sollte zudem nicht mehr als 60 Prozent des BIP betragen. Die EU-Kommission rechnet für 2025 und 2026 jeweils mit einem Budgetdefizit in Österreich von rund 3,6 Prozent.

Das Staatsoberhaupt, ehemals Vorsitzender der Grünen, hatte in seinen Erklärungen immer wieder betont, dass er "nach bestem Wissen und Gewissen" darauf achten werde, dass die Grundpfeiler der Demokratie - er nannte den Rechtsstaat, die Gewaltenteilung, freie, unabhängige Medien und die EU-Mitgliedschaft - weiter hochgehalten würden.

Scheitern der Dreier- und Zweier-Koalitionsgespräche

Van der Bellen hatte nach der Parlamentswahl entgegen der Gewohnheit zunächst nicht die FPÖ als stimmenstärkste Partei mit der Regierungsbildung beauftragt. Er berücksichtigte dabei, dass keine der anderen Parteien mit der FPÖ unter Kickl koalieren wollte und aus seiner Sicht ein solcher Auftrag daher nur "leere Kilometer" bedeutet hätte.

Vor wenigen Tagen scheiterten aber die Koalitionsgespräche von ÖVP, SPÖ und liberalen Neos nach wochenlangen Verhandlungen. Auch der Versuch einer Zweier-Koalition von ÖVP und SPÖ wurde schnell beendet. Damit waren die Karten neu gemischt.

FPÖ sitzt auf dem längeren Ast 

Sollten sich FPÖ und ÖVP entgegen den Erwartungen doch nicht auf ein Regierungsprogramm einigen, könnten die Rechtspopulisten einer Neuwahl gelassen entgegensehen. Ihr Stimmenanteil ist seit der Parlamentswahl vor drei Monaten laut Umfragen noch einmal deutlich auf mindestens 35 Prozent gewachsen. Außerdem ist die Parteikasse der FPÖ im Gegensatz zu anderen Parteien gut gefüllt. 

Für die ÖVP wäre die Rolle des kleineren Bündnispartners durchaus problematisch. "Als Juniorpartner gewinnt man nichts", sagt Politik-Analyst Thomas Hofer. Wie lange der neue Parteichef Stocker amtieren werde, müsse man sehen. "Mittel- und langfristig ist die Karte Sebastian Kurz nicht aus dem Spiel", meinte Hofer mit Blick auf ein Comeback des einst populären Ex-Kanzlers und ÖVP-Chefs. (dpa)

© Copyright dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH
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Albert Otti und Matthias Röder, dpa
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