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Ein Jahr nach Nach den großen Protesten
Ein Jahr nach Nach den großen Protesten Bild: Monika Skolimowska/dpa
Wirtschaft

Bauern angespannt auf dem politischen Feld

Vor der Branchenschau bei der Grünen Woche ist das Geschäft für viele Landwirte schwierig. Große Proteste wie vor einem Jahr gibt es nicht. Kurz vor der Bundestagswahl geht es aber wieder um viel.

Berlin.

Vor einem Jahr rollten aufgebrachte Bauern mit Traktoren durch die Republik. Und auch diesmal bringen sich die Landwirte zur Messe Grüne Woche in Berlin wieder politisch in Stellung. Denn es läuft der Bundestagswahlkampf. "Wir brauchen einen echten Neustart in der Landwirtschaftspolitik", sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied der Deutschen Presse-Agentur. Zum großen Jahresauftakt der Ernährungswirtschaft ab Freitag sieht die Branche eine anhaltend schwierige Geschäftslage - und appelliert auch an die Supermarktkunden.

"Der Motor stottert weiter, das ist leider so", sagte Rukwied. "Bei Getreide ist das Stottern sogar stärker geworden, denn die Perspektiven auf den Märkten sind eher düster." Bei der Schweinehaltung, die zuletzt als einziger Bereich ein ordentliches Ergebnis erzielt habe, zeigten sich rückläufige Preise. "Daher müssen wir dort auch mit rückläufigen Ergebnissen rechnen." Arbeitsintensive Kulturen wie Spargel, Erdbeeren oder Wein belaste zusätzlich die Erhöhung des Mindestlohns. "Der einzige Lichtblick ist im Moment der Milchsektor." 

Gewinneinbruch nach Rekordjahr

Nach zuvor guten Gewinnen hatte sich die Stimmung unter Landwirten schon eingetrübt. Im Ende Juni abgelaufenen Wirtschaftsjahr 2023/24 sackten die Ergebnisse der Betriebe im Schnitt auf 77.500 Euro ab. Dies lag um 29 Prozent unter dem Rekordniveau des Wirtschaftsjahres zuvor. Vom Gewinn sind unter anderem auch noch Investitionen zu finanzieren. Vielen Höfen machen weiter hohe Kosten für Energie, Pflanzenschutz und Dünger zu schaffen. 

Zur Lage auf den Feldern sagte Rukwied, Weizen, Gerste oder Raps stünden "im Moment ordentlich da". Niederschläge im Herbst und auch jetzt im Winter hätten die Wasservorräte im Boden aufgefüllt. "Insofern haben wir ordentliche Startbedingungen. Aber bis zur Ernte im Juli kann noch vieles geschehen."

Bauern spüren noch Unterstützung

Anspannung gibt es ebenso auf dem politischen Feld. Das zeigt sich auch zur Agrarmesse Grüne Woche, die an diesem Freitag in der Hauptstadt beginnt. Bis zum 26. Januar präsentieren sich in den Hallen unter dem Funkturm 1.500 Aussteller aus fast 60 Ländern. Für Cem Özdemir (Grüne) wird die Messe auch eine Abschiedstour als Agrarminister. Knapp einen Monat später kommt schon die Bundestageswahl - mit der Landwirtschaft als Wahlkampfthema. 

Dabei sind die Bauernproteste von Anfang 2024 noch in Erinnerung - ausgelöst durch das Ende für Steuervergünstigungen beim Agrardiesel, das die damalige Ampel-Koalition abrupt verkündete. "Wir haben die Bedeutung der heimischen Lebensmittelerzeugung gerade in politisch fragilen Zeiten im positiven Sinne an die Esstische und ins Zentrum der Diskussion bringen können", sagte Rukwied rückblickend. "Die Unterstützung spüren wir heute noch tagtäglich." 

"Nicht nur auf letzten Cent schauen"

Die künftige Regierung dürfe nicht nur etwas an Stellschrauben drehen, machte der Bauernpräsident klar. "Klima- und Umweltschutz, Biodiversität und Tierwohl sind Themen, die wir natürlich weiterhin intensiv bearbeiten. Aber wir brauchen eine Veränderung in den Köpfen: Raus aus dem Krisendenken, rein in einen Lösungsansatz." Soll heißen: unternehmerische Freiheiten, Innovationen, ein Ende "bürokratischer Fesseln". Die Union will den "Kardinalfehler" beim Agrardiesel nach der Wahl korrigieren, wie Fraktionsvize Steffen Bilger betonte. 

Auf die Supermarktkunden kommt es der Branche zur Messe, die eine große Probiermeile ist, ebenfalls an. "Es braucht ein noch stärkeres Engagement der Verbraucherinnen und Verbraucher beim Einkaufen", sagte Rukwied. "Auch ich erfreue mich beispielsweise am Silvesterfeuerwerk. Aber wenn Millionen Euro für Böller ausgegeben werden, sollte man bei Lebensmitteln nicht nur auf den letzten Cent schauen - sondern auch gezielt zu heimischen Produkten greifen."

Investitionen in Ställe für 20 Jahre

"Wir arbeiten mit am nachhaltigsten, was Umweltschutz und Tierwohl betrifft. Das muss sich auch in höheren Preisen widerspiegeln", argumentierte der Bauernpräsident. Die Wertschöpfung in der Lebensmittelkette bis zum Handel müsse dann aber auch gleichmäßig verteilt werden. "Es ist unabdingbar, dass mehr bei uns Bauern ankommt." 

Tierhalter brauchten eine Finanzierung für den Wandel zu besseren Bedingungen und dazu Planungssicherheit. "Wenn ein Landwirt in einen neuen Stall investiert, muss er sicher sein, ihn 20 Jahre ohne weitere Umbauten nutzen zu können - egal, ob sich noch Vorgaben verändern."

Bei Bio-Lebensmitteln zeichnet sich nach Branchenangaben ab, dass das in der hohen Inflation gebremste Geschäft wohl weiter in Schwung gekommen ist. In der Landwirtschaft sei "eine verhaltene Umstellungsbereitschaft" zu Bio da, sagte Rukwied. 

Das von der Regierung für 2030 gesetzte Ziel von 30 Prozent Bio-Flächen sei noch weit entfernt. Der Anteil stieg weiter, aber nur leicht auf 11,4 Prozent der gesamten Agrarfläche Ende 2023. "Am Ende entscheiden es die Verbraucherinnen und Verbraucher an der Ladentheke", sagte Rukwied. (dpa)

© Copyright dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH
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