Regionale Nachrichten und News mit der Pressekarte
Sie haben kein
gültiges Abo.
Regionale Nachrichten und News
Schließen
Spargelernte in Deutschland: Rund 243.000 Menschen aus dem Ausland arbeiteten 2023 auf deutschen Feldern (Archivbild).
Spargelernte in Deutschland: Rund 243.000 Menschen aus dem Ausland arbeiteten 2023 auf deutschen Feldern (Archivbild). Bild: Jens Büttner/dpa
Wirtschaft
Initiative kritisiert Arbeitsbedingungen für Erntehelfer

Knapp eine Viertelmillion Menschen arbeiten als Saisonarbeiter auf Deutschlands Feldern - und helfen auch bei der Spargelernte, die derzeit anläuft. Eine Initiative beklagt Gesetzesverstöße.

Frankfurt/Main.

Sie stechen Spargel, pflücken Erdbeeren oder helfen bei der Weinlese - und das zuweilen unter prekären Bedingungen: Auch in ihrem Saisonbericht 2024 prangert die gewerkschaftliche Initiative Faire Landarbeit teils illegale Beschäftigungsbedingungen für Saisonarbeiterinnen und -arbeiter in der Landwirtschaft an. Laut Deutschem Gewerkschaftsbund gibt es aber teils auch Fortschritte. 

Die von der Gewerkschaft IG BAU und kirchlichen Beratungsstellen unterstützte Initiative sprach von einigen Fällen nicht menschenwürdiger Behandlung. So zahlten manche Saisonarbeiter bis zu 800 Euro für ein Bett im Mehrbettzimmer und Verpflegung. "Wenn man das umrechnet, sprechen wir hier von Mieten von bis zu 60 Euro pro Quadratmeter", sagte IG-BAU-Vize, Harald Schaum. 

"Wuchermieten" für teils prekäre Unterkünfte

Solche "Wuchermieten" stünden in keinem Verhältnis zu den Wohnbedingungen: Es handle sich in untersuchten Fällen um "ungedämmte Metallcontainer" mit abgenutzten Möbeln, durchgelegenen Matratzen und zu wenigen Sanitäranlagen. Manchmal müssten sich 6, 10 oder gar 14 Beschäftigte ein Zimmer teilen. Deutschland habe 2024 eine Konvention zu Mindeststandards im Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Landwirtschaft ratifiziert, die unter anderem eine gute Unterbringung von Saisonarbeitskräften von den Arbeitgebern fordere. Davon sei die Realität "ziemlich weit entfernt", sagte Schaum. Die Probleme beschränkten sich zudem nicht auf einzelne schwarze Schafe, sondern seien "offenbar systematisch". 

Initiative sieht Mindestlohnverstöße

Ein Trick sei, die Unterkünfte in eine Art Immobiliengesellschaft auszulagern. So könnten die Mieten nicht vom Lohn direkt abzogen werden, schilderte die Initiative. Diese seien dann aber so hoch, dass im Endeffekt nicht einmal der gesetzliche Mindestlohn eingehalten werde. "Und die Saisonkräfte selber sagen, wenn der Mindestlohn steigt, dann steigt auch die Miete. Das darf natürlich so auf gar keinen Fall weiterhin passieren", so Schaum. Teils müssten Arbeiterinnen und Arbeiter zudem bis zu zwölf Stunden am Tag arbeiten, dann fielen wieder ganze Tage aus, die nicht entlohnt würden. 

Auch Fälle von sexualisierter Gewalt

Auch berichtete das Bündnis von sexualisierter Gewalt gegen Frauen, die knapp die Hälfte der Saisonbeschäftigten ausmachten. Bei den aufgedeckten Fällen sei es jeweils um Vorarbeiter gegangen, "die ihre Machtposition missbrauchten und die Arbeiterinnen zu sexuellen Handlungen zwangen, indem sie ihnen zum Beispiel mit Entlassung drohten", sagte Schaum. 

Bauernverband weist Vorwürfe zurück

Ein Sprecher des Deutschen Bauernverbands wies die Vorwürfe zurück, diese seien "in dieser Pauschalität völlig haltlos". Es sei zudem fraglich, warum nicht Staatsanwaltschaften bei den von der Initiative dargestellten Taten eingeschaltet worden seien. 

DGB sieht auch Verbesserungen bei Arbeitsbedingungen

Für den Bericht, der seit 2018 jährlich erscheint, ist die Initiative Faire Landarbeit nach eigenen Angaben bundesweit 40 Mal aufs Feld gegangen, dabei trat sie mit etwa 3.100 Saisonbeschäftigten in Kontakt. Nach neusten Zahlen für 2023 arbeiteten den Abgaben zufolge knapp 243.000 Menschen aus dem Ausland auf deutschen Feldern. Sie helfen etwa bei der Ernte von Spargel, Beeren, Gurken, Kürbissen, Äpfeln und Weintrauben. 

Ziel der Initiative sei auch, die Menschen aus osteuropäischen Ländern schon vorab zu beraten, "bevor sie einen schlechten Vertrag unterschreiben", sagte Anja Piel, Vorstandsmitglied beim Deutschen Gewerkschaftsbund. Man wolle nicht alle Arbeitgeber über einen Kamm scheren - es hätten sich auch einige Dinge verbessert. So nehme die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in der Landwirtschaft zu, das sei ein sehr gutes Signal. Einige Betriebe böten zudem auch angemessene Unterkünfte und transparente Lohnabrechnungen. (dpa)

© Copyright dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH
Das könnte Sie auch interessieren
20:58 Uhr
5 min.
Piastri auf die Couch: Australier neuer WM-Spitzenreiter
Oscar Piastri schnappt sich die WM-Führung.
Oscar Piastri ist der Mann der Stunde in der Formel 1. Sieg in China, Sieg in Bahrain, Sieg in Saudi-Arabien. Damit entreißt er die WM-Führung seinem Teamkollegen. Stark ist aber auch Max Verstappen.
Jens Marx und Martin Moravec, dpa
07:00 Uhr
3 min.
„Was die Frauen mit ihren Fahrrädern machen, geht Sie überhaupt nichts an“: Streit in Hohenstein-Ernstthaler Keller eskaliert
Der Möchtegern-Ordnungshüter musste sich vor dem Amtsgericht Hohenstein-Ernstthal verantworten.
Ein Rentner soll so in Rage geraten sein, dass er einer Mutter und ihrer Tochter offenbar an den Hals ging. Jetzt trafen sich die damaligen Nachbarn vor Gericht wieder.
Bernd Appel
20:38 Uhr
1 min.
Johanngeorgenstadt: Fünf Garagen aufgebrochen
Diebe waren in Johanngeorgenstadt auf Beutezug.
Die Polizei untersucht den Fall.
Mike Baldauf
15.04.2025
5 min.
Worum es beim Streit um den Mindestlohn geht
Der Deutsche Gewerkschaftsbund geht von insgesamt sechs Millionen Menschen mit Mindestlohn in Deutschland aus. (Archivbild)
Millionen von Beschäftigten profitieren vom gesetzlichen Mindestlohn. Wie geht es weiter mit der Lohnuntergrenze, worum geht es im aktuellen Streit?
Andreas Hoenig und Basil Wegener, dpa
26.03.2025
3 min.
Initiative will digitales Bezahlen voranbringen
Mit ihrer Idee orientieren sich die Partner an ähnlichen Initiativen in anderen europäischen Ländern. (Symbolbild)
Beim Einkaufen werden digitale Bezahlverfahren immer beliebter. Nicht alle Händler hierzulande bieten aber bereits solche Möglichkeiten. Eine Initiative will das angehen.
14:00 Uhr
4 min.
Nach Messerangriff in Rochlitz: „Man hat ein gemischtes Gefühl“ - Staatsschutz prüft Post im Internet
Nicht wenige Autos stehen am Samstagmorgen auf dem Parkplatz am Aldi in Rochlitz.
Wo am Donnerstag zwei Menschen verletzt wurden, erledigten am Samstag Kunden ihre Ostereinkäufe - doch das Geschehen bewegt viele. Unterdessen äußert sich die Polizei zum Hintergrund des Tatverdächtigen.
Franziska Bernhardt-Muth
Mehr Artikel