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Wirtschaft
Warum der Mindestlohn 40 Cent unter 15 Euro bleibt

40 Cent Euro liegen zwischen der Forderung der SPD und dem Ergebnis der Mindestlohnkommission. Warum? Und wie könnten sich die nun anstehenden 14,60 auswirken?

Berlin.

Der SPD-Arbeitsministerin ist die Erleichterung anzumerken. "Ich kann damit gut leben", sagt Bärbel Bas. Dabei hat die Mindestlohnkommission wenige Stunden zuvor 13,90 Euro ab 2026 und 14,60 Euro ab 2027 beschlossen. 15 Euro, wie von der SPD gefordert, wird es so bald nicht geben. Was hinter der Entscheidung und hinter Bas' Erleichterung steckt und wie die künftige Schwelle wirken dürfte:

Wie steigt die Lohnuntergrenze im Vergleich zu heute? 

Von 12,82 Euro um 1,78 Euro in der Endstufe in eineinhalb Jahren. Andrea Kocsis vom Verdi-Vorstand, zugleich Mitglied der Mindestlohnkommission, rechnet vor: "Dies entspricht insgesamt einem Plus von 13,9 Prozent." Auf den Monat gerechnet erhalten Vollzeitbeschäftigte mit Mindestlohn bei 40 Stunden pro Woche demnach ab Januar 2026 rund 190 Euro brutto mehr. Im zweiten Jahr ergebt sich monatlich ein Plus von 310 Euro brutto im Vergleich zu heute. Auf das Jahr bezogen errechnet sich daraus ein Gesamtbetrag von 3.700 Euro brutto. 

Warum steigt der Mindestlohn nicht höher? 

Dies folgt klaren Kriterien: Im Rahmen einer Gesamtabwägung hat das Gremium mit Spitzenvertretern von Arbeitgebern und Gewerkschaften sowie einer unabhängigen Vorsitzenden geprüft, wie hoch der Mindestlohn sein muss für "einen angemessenen Mindestschutz" der Beschäftigten und für "faire und funktionierende Wettbewerbsbedingungen" - und das, ohne Beschäftigung "zu gefährden", so die Kommission. Die vorgeschriebene Berücksichtigung von Arbeitsmarkt und Konjunktur wirken dämpfend. Deutschland droht das dritte Rezessionsjahr in Folge. 

Wie kommen die 14,60 Euro konkret zustande? 

Einbezogen wurden laut der Geschäftsordnung der Kommission die Entwicklung der Tariflöhne und der mittlere Lohn in Deutschland. 60 Prozent vom mittleren Einkommen bei Vollzeitbeschäftigten zählt laut EU-Vorgaben zu den Mindestlohn-Maßstäben, denn dies ist die offizielle Schwelle für Armutsrisiko. Kommissionschefin Christiane Schönefeld erläutert: "Nur mit Prognosen kommt man zu einem Wert von 15 Euro 2026 – das ist nicht unsre Aufgabe." Einbezogen wird die vom Statistischen Bundesamt gemeldete vorangegangene Einkommensentwicklung laut Tarifverträgen. 

Ist jetzt mit heftigen Reaktionen der SPD zu rechnen? 

Erste Reaktionen fielen positiv aus, obwohl die Sozialdemokraten für 15 Euro Mindestlohn Wahlkampf gemacht haben und in der neuen Regierung erneut das Bundesarbeitsministerium führen. Ressortchefin Bärbel Bas, die wenige Stunden nach der Mindestlohn-Entscheidung auf einem SPD-Parteitag zur neuen Chefin neben Lars Klingbeil gewählt werden will, kündigt keine zwei Stunden nach der Einigung eine Umsetzung per Verordnung an. Fraktionsvize Dagmar Schmidt sagt: "Die Mindestlohnkommission hat einstimmig entschieden – das ist ein gutes Signal und zeigt, dass die Sozialpartnerschaft in Deutschland funktioniert. Das Ergebnis gilt es zu respektieren." Von einem "wirklich annehmbaren Ergebnis" spricht der Arbeitsausschussvorsitzende Bernd Rützel in der "Augsburger Allgemeinen" (Samstag). Bas sagt: "Natürlich haben wir uns mehr gewünscht für die Menschen in diesem Land, aber mir ist wichtig, dass es jetzt überhaupt eine Mindestlohnerhöhung gibt." 

Wie werben Gewerkschaften und Arbeitgeber für den Beschluss? 

DGB-Vorstandsmitglied und Verhandlungsführer Stefan Körzell spricht von einem "errungenen Ergebnis" und ruft in Erinnerung, dass manche Arbeitgeber am liebsten ganz auf eine Erhöhung verzichtet hätten. Die Gewerkschaftsseite habe immerhin ein Plus von insgesamt 13,9 Prozent durchgesetzt. Körzells Gegenpart der Arbeitgeber, Steffen Kampeter, sagt: "Die Zusammenarbeit von Arbeitgebern und Gewerkschaften funktioniert, auch wenn sie schmerzhafte Kompromisse für beide Seiten erfordert." Das sei "ein Signal gegen die Bevormundung und Einmischung der Politik in die Arbeit der Mindestlohnkommission". 

Was sagen Ökonomen? 

"Einen schleichenden Verlust von einfachen Jobs" fürchtet der Arbeitsmarktexperte des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), Hagen Lesch. Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm bescheinigte der Kommission in den Zeitungen der Funke Mediengruppe Realismus. "Der Versuch der Politik, durch Setzung von Preisen, die sich eigentlich in Märkten ergeben müssen, die Wirtschaft in eine gewünschte Richtung zu zwingen, muss misslingen", mahnt Grimm. 

Was ist mit Preisen, etwa in Friseursalons und bei Brötchen? 

Insgesamt räumt auch Körzell ein, dass sich der Mindestlohn auf die Preise auswirken könne. Aber: "Wir sehen nicht die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale." Kampeter warnt vor längerfristigen Lohn-Preis-Effekten. Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks wertet die moderate Erhöhung als wichtiges Signal. "Trotzdem können wir keine Entwarnung geben", so Hauptgeschäftsführer Friedemann Berg. "Allein die jetzige Erhöhung ist für viele Betriebe nur schwer zu stemmen." Der Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks zeigt sich zufrieden. "Wir müssen über bessere
Arbeitsbedingungen und faire Lohnstrukturen selbst dafür sorgen, dass der gesetzliche Mindestlohn nicht zum Dauermaßstab wird", sagte Präsidentin Manuela Härtelt-Dören. (dpa)

© Copyright dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH
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