Studie: Darum wollen viele Ältere in Sachsen neben der Rente noch weiter arbeiten
Senioren, die länger im Job bleiben, könnten den Fachkräftemangel deutlich verringern. Viele Ältere wären in Sachsen sogar dazu bereit - allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen.
Dresden/Gütersloh.Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat errechnet, dass bis 2035 die Anzahl der erwerbstätigen 55- bis 70-Jährigen aufgrund des demografischen Wandels um rund 1,5 Millionen Personen auf dann nur noch knapp 9 Millionen sinkt. Das lasse sich aber kompensieren, wenn es Wirtschaft und Politik gelinge, ausreichend Menschen in der letzten Phase ihres Berufslebens zu ermuntern, mehr zu arbeiten, länger im Job zu bleiben oder aus dem Ruhestand noch einmal zurückzukehren, sagt Arbeitsmarktexperte Eric Thode von der Bertelsmann Stiftung. Dazu seien aber passgenaue Angebote für Ältere und ein ganzes Bündel an Schritten und Veränderungen erforderlich, zum Beispiel finanzielle Anreize, arbeitsrechtliche Erleichterungen, die Schaffung altersgerechter Arbeitsplätze, aber auch der Ausbau von Gesundheitsvorsorge, Pflege- und Betreuungsangeboten.
Jeder dritte zwischen 65- und 69-jährige Sachse wäre zur Weiterarbeit bereit
Die Bereitschaft älterer Menschen, länger zu arbeiten, ist durchaus vorhanden. So kann sich zum Beispiel jeder dritte 65- bis 69-jährige Sachse vorstellen, neben der Rente noch arbeiten zu gehen. Das gilt gleichermaßen für Frauen wie für Männer. Mit weiter steigendem Alter nimmt das Interesse an einem Job neben der Rente dann aber deutlich ab. Das geht aus einer aktuellen Studie hervor, für die im Auftrag des sächsischen Sozialministeriums landesweit 2430 Seniorinnen und Senioren befragt worden sind.
Diese Voraussetzungen müssen erfüllt sein
Demnach müssen aber bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, um Senioren länger im Job zu halten. Die in Sachsen Befragten erwarten zum Beispiel angepasste Arbeitsbedingungen und Weiterbildungsmöglichkeiten für ältere Beschäftigte. So würden sie gern kontinuierlich jedes Jahr weniger Stunden pro Woche arbeiten, nicht jeden Abend so lange im Betrieb oder in der Verwaltung bleiben müssen oder die Brückentage frei nehmen dürfen, um an diesen dann langen Wochenenden besser ausspannen zu können. Gefordert wird aber zum Beispiel auch, dass Menschen, die im Rentenalter weiter arbeiten, auf den Lohn keine Steuern mehr zahlen müssen sollten.
Geld nur einer von vielen Gründen
Die Gründe für die Bereitschaft, im Rentenalter noch einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, sind vielschichtig. Vielen geht es laut Studie dabei um Teilhabe an der Gesellschaft, um Wertschätzung im Alter, darum, Berufserfahrungen an Jüngere weitergeben zu dürfen. Viele brauchen aber auch einfach nur das Geld. Zwar gaben in der Studie zwei Drittel der befragten Rentner in Sachsen an, sie kämen finanziell gut über die Runden. Etwa jeder Fünfte (22,7 Prozent) beklagte sich aber, er habe zu wenig und müsse sich einschränken. Auch unter den Rentnerinnen und Rentnern, die bereits zusätzlich arbeiten, schätzt ein knappes Drittel (29,1 Prozent) die eigene finanzielle Situation als unzureichend ein.
Das ist Sprengstoff für eine soziale Spaltung
Die Studie offenbart zugleich eine große Unzufriedenheit unter den Rentnern in Sachsen. Viele beklagen, bereits ab 60 Jahren als Alte „abgestempelt“ zu werden, obwohl sie bis zum regulären Renteneintritt noch voll arbeiten. Ihre geringe Rente empfinden zudem viele Sachsen als Beleg für mangelnde Wertschätzung. „Ein großes Unverständnis herrscht unter den Befragten darüber, dass die (eigene) Rente nach jahrelanger Lohnarbeit und Einzahlung in die Rentenkasse nicht ausreicht“, fassen die Autoren der Studie die Ergebnisse der Befragungen zusammen. Das sorge nicht nur für Frust und Existenzängste. Es entstünde vielfach auch der Eindruck, dass andere Bevölkerungsgruppen „für weniger Leistung mehr Geld bekommen“ oder dass der Staat das Geld an der falschen Stelle ausgebe. Das berge „ein großes Potenzial für gesellschaftliche Spaltung“.
Sächsische Linksfraktion fordert jetzt mindestens 1200 Euro netto im Monat für jeden Rentner
„Wer im Alter weiterarbeiten möchte, soll dies tun – das hilft unserer vom Arbeitskräftemangel geplagten Gesellschaft“, konstatiert Susanne Schaper, sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion im sächsischen Landtag. „Es darf aber niemand dazu gezwungen sein, weil Geld fehlt.“ Im Osten sei die gesetzliche Rente für viele die einzige Einkommensquelle. „Immer mehr Menschen reicht sie nicht zum Leben.“ So sei die Anzahl der Menschen, die im Rentenalter weiterarbeiten, im Freistaat zwischen 2008 und 2022 um mehr als die Hälfte gestiegen. „Bestandsrentnerinnen und -rentner in Sachsen erhielten Ende 2023 im Durchschnitt 1303,36 Euro, neue Rentnerinnen und Rentner bekamen durchschnittlich nur noch 1204,14 Euro. Da fällt es schwer, mit steigenden Preisen und Mieten klarzukommen.“
Schaper fordert daher, dass alle Erwerbstätigen für ihre gesamten Einkünfte im Job und am Finanzmarkt Beiträge in den Rententopf entrichten sollten – auch Beamte, Selbstständige und Freiberufler wie Politikerinnen und Politiker. Die Beitragsbemessungsgrenzen müssten weg, damit Menschen mit hohen Einkommen pflichtgemäß zur Solidargemeinschaft beitragen. „Wir wollen eine solidarische Mindestrente in Höhe von 1200 Euro netto im Monat für alle einführen“, erklärt sie. „Bei der Rentenbesteuerung müssen großzügige Freibeträge gelten.“ Dann könnten alle ihren Ruhestand genießen und frei darüber entscheiden können, ob sie arbeiten wollen oder nicht. (juerg)