Die Familienkolumne: Wie ich per Smartphone mein Kind kontrolliere
Meine Tochter hat neuerdings ein Handy. Dadurch steigt meine Bildschirmzeit. Man könnte fast meinen, da steckt System dahinter.
Mittelsachsen.In der vorherigen Kolumne ging es um die Schreibschrift. Ich stellte die These auf, dass man auch irgendwann mal was weglassen muss, wenn immer mehr hinzukommt, was Kinder lernen müssen. Zum Beispiel einen vernünftigen Umgang mit dem Smartphone.
Typisch: Erwachsene verlangen etwas von Kindern und Jugendlichen, das sie selbst nicht hinkriegen. Manche Eltern haben zum Beispiel noch nie ein Fußballspiel, einen Tanz- oder Theaterauftritt ihres Kindes gesehen, weil sie ununterbrochen fotografieren und filmen müssen.
Natürlich sind die Geräte so konstruiert, dass sie uns abhängig machen. Wir brauchen das Navigationsprogramm, um wieder nach Hause zu finden, nachdem uns unser dank Navigationsprogrammen total verkümmerter Orientierungssinn in die Irre geführt hat. Wir lassen das Gerät unsere Schritte zählen und unsere Gesundheitsdaten überwachen, nachdem wir unsere Körper dank elektronisch unterstützter Bewegungsarmut heruntergewirtschaftet haben. Smartphones informieren uns über unsere Bildschirmzeit und erinnern uns daran, die Nachtruhe einzuhalten, nachdem der ständige Bildschirmgebrauch unseren Schlafrhythmus nachhaltig vermasselt hat. Kurz gesagt: Die Geräte befriedigen Bedürfnisse, die es ohne sie gar nicht gäbe. So schlau ist der Kapitalismus.
Eine Freundin sagte, wenn sie König von Deutschland wäre, gäbe es diese Geräte nicht. Leider ist sie aber nicht König von Deutschland. Denn das ist ja schon Rio Reiser (Ich glaube daran!). Es bleibt mir also als Mutter nichts anderes übrig, als mich mit den teuren Minicomputern auseinanderzusetzen.
Die Große hat also jetzt ein Handy bekommen. Zum zwölften Geburtstag. Vergleichsweise spät. Wenn ich den Kindern erzähle, dass ich mir mit 18 mein erstes Mobiltelefon gekauft habe, schauen sie mich mit großen Augen an.
Interessanterweise führt das neue Gerät dazu, dass ich ihre Bildschirm-Aktivitäten besser im Blick habe als zuvor, wenn sie mein Handy oder meinen Computer nutzte. Über die Familieneinstellungen kann ich ihre Bildschirmzeit begrenzen und kann festlegen, welche Apps sie nutzen darf. Eine praktische Sache, die allerdings dazu führt, dass meine eigene Bildschirmzeit gestiegen ist - wie gesagt, die Hersteller und Programmierer solcher Geräte sind nicht dumm.
Ansonsten führt die Familieneinstellung auch mal dazu, dass ich mitten in der Redaktionskonferenz eine Push-Nachricht vom Gerät meiner Tochter bekomme: Sie fragt an, ob sie sich ein bestimmtes Spiel herunterladen darf. Und ich antworte natürlich sofort. In einem normalen Unternehmen würde das zu einer Abmahnung oder zumindest einem strengen Blick der Chefin führen. In einer Zeitungsredaktion führt es lediglich zu einer angeregten Diskussion. Und zu der Frage, ob man nicht mal was über das Thema schreiben sollte. Hiermit erledigt. Jetzt bin ich fertig und entspanne mich noch ein bisschen. Aber wo ist denn eigentlich mein Smartphone? (eva)


Eva-Maria Hommel, Jahrgang 1984, ist Redakteurin bei der „Freien Presse“. Sie wollte schon immer drei Kinder, und so ist es auch gekommen. Das (Familien)Leben hält viele Überraschungen bereit - einige davon sind Thema dieser Kolumne.