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Mobilität
Käfer mit ABS: Ist das noch der VW-Klassiker?

Dem Kennzeichen nach ist er ein Oldtimer, doch er fährt wie ein Neuwagen: Bei Memminger Feine-Cabrios bringen sie alte Käfer wieder zum Fliegen – und das seit 25 Jahren. Unser Autor ist eingestiegen.

Reichertshofen.

Rostige Bleche, wohin das Auge schaut. Platte Reifen, aufgerissene Polster, verschlissene Verkleidungen und festgefahrene Motoren - wer mit Georg Memminger durchs Lager läuft, dem kommen fast die Tränen. Trostloser als hier, in den Hallen im bayerischen Reichertshofen, hat man den VW Käfer selten gesehen. 

Bis man sich im Schlepptau des Chefs vom Speicher in den Showroom vorgearbeitet hat – und die Bedrückung einer gewissen Begeisterung weicht. Dort strahlt die Mutter aller Volkswagen in einem Glanz, wie sie es in Wolfsburg und den Auslandswerken selbst zwischen 1938 und 2003 nicht hinbekommen haben, als VW den Käfer zum damals meistgebauten Auto der Welt machte.

Dazwischen liegen nicht nur vier Etagen in einem Industriebau am Stadtrand. Vor allem liegen dazwischen neun Monate Arbeit für die zehn Mitarbeiter von Memmingers Firma Feine-Cabrios und mindestens 171.000 Euro, für die aus einer Rostlaube wieder ein strahlender Neuwagen wird. 

Kaum jemand in Deutschland restauriert Käfer so gründlich wie Georg Memminger – und das seit mittlerweile einem Vierteljahrhundert.

Ein Original mit lauter Neuteilen 

Vom Original bleibt dabei meist nur noch wenig übrig. Zwar mühen sich Memminger und seine Mitarbeiter um möglichst viel Substanz, und an dem Blechstück mit der Fahrgestellnummer führt kein Weg vorbei, weil der Käfer sonst auch für die Behörden vom Oldtimer zum Neuwagen würde. 

Doch weil ihre Autos länger halten sollen als jene aus dem Werk, können sie mittlerweile rund drei Viertel aller Blechteile neu produzieren und entsprechend bei der Restaurierung in die Käfer einbauen. Und damit ihnen niemand vorwirft, dafür wertvolle Klassiker zu verschwenden, bauen die Bayern ausschließlich Wracks und Unfallautos auf, die für klassische Oldtimer-Projekte und konventionelle Restaurierungen viel zu schlecht wären. 

Käferbasis: Die Firma baut Wracks und Unfallautos auf. Was nie fehlen darf, ist das Blechstück mit der Fahrgestellnummer.
Käferbasis: Die Firma baut Wracks und Unfallautos auf. Was nie fehlen darf, ist das Blechstück mit der Fahrgestellnummer. Bild: Thomas Geiger/dpa-tmn

Neue Technik im alten Gewand 

Wo sie schon mal dabei sind, bringen sie neben der Karosserie und dem Interieur auch die Technik auf einen aktuelleren Stand: Es gibt ein Bilstein-Fahrwerk, das mit solider Bodenhaftung auch bei wilden Fahrmanövern den Abflug des Käfers verhindert. 

Die Scheibenbremsen haben genügend Biss für die im Käfer früher undenkbaren Fahrleistungen. Das ABS sorgt für das gute Gefühl von Sicherheit und eine Servolenkung hilft gegen Muskelkater in den Oberarmen. 

Außerdem strahlt der Käfer auf Wunsch mit Xenon-Scheinwerfern, unter dem handvernähten Leder der frisch aufgepolsterten Sitze glühen Heizdrähte. Ein dezent integriertes Navigationssystem weist den Weg.

Der restaurierte Käfer liegt dank Bilstein-Fahrwerk auch in schnellen Kurven stabil.
Der restaurierte Käfer liegt dank Bilstein-Fahrwerk auch in schnellen Kurven stabil. Bild: Thomas Geiger/dpa-tmn

Hubraum und PS lassen sich sehen

Und Memminger legt auch tatkräftig Hand ans Herz des Käfers. Dort, wo ab Werk selbst zum Ende der Bauzeit nach der Jahrtausendwende bei 40 kW/55 PS Schluss war, werden jetzt in Reichertshofen weiterentwickelte Boxer mit deutlich mehr Fahrspaßpotential eingebaut. 

Schon Memmingers Einstiegsmotor kommt auf 81 KW/110 PS. Und wer das leistungsfähigste Paket bestellt, der bekommt einen Typ-4-Motor, den VW im Bulli, im 411 und im "VW-Porsche" 914 eingesetzt hat. Memminger hat jedoch den Hubraum auf 2,7 Liter fast verdoppelt und entlockt dem Einspritzer bis zu 154 kW/210 PS und maximal 265 Nm Drehmoment. 

Kräftiges Käferherz: Verbaut ist ein Typ-4-Motor mit bis zu 210 PS.
Kräftiges Käferherz: Verbaut ist ein Typ-4-Motor mit bis zu 210 PS. Bild: Thomas Geiger/dpa-tmn

Im vermeintlichen Oldtimer vorn dabei 

Das Ergebnis ist ein Auto, das wie von gestern aussieht, aber auch heute mühelos im Verkehr mitschwimmen und je nach Engagement des Fahrers manchen Sportwagen schrecken kann. Denn wenn um die 200 PS auf nicht einmal 1.000 Kilogramm Gewicht treffen, geht es ordentlich zur Sache. 

Von 0 auf 100 km/h fliegt der Käfer in weniger als sechs Sekunden. Bei Vollgas sind mehr als 200 km/h drin – da pfeift der Wind schon ganz ordentlich durch die schmucke Kabine. So mancher GTI-Fahrer schaut verdutzt in den Rückspiegel, wenn die Kulleraugen des Käfers von hinten immer größer werden. 

Wie ein Schwarz-Weiß-Film im Imax-Kino 

Zwar sieht das alles aus wie früher und weckt bei den Kunden selige Erinnerungen an die Kindertage, die sie oft genug in der schmalen Ablage zwischen Rückbank und Motorraum oder auf dem Schoß des Fahrers hinter dem Lenkrand verbracht haben. Und natürlich sind die stehenden Pedale noch immer zu schmal und auch die Schaltung hakelt wie eh und je. Doch darf man sich vom Memminger Käfer nicht täuschen lassen. 

Auch mit H-Kennzeichen ist das kein Oldtimer, sondern ein Neuwagen im Geist von gestern - er wirkt wie ein Schwarz-Weiß-Film im Imax-Kino. 

Manches ist auch Memminger Käfer wie früher: Die Pedale sind gewohnt schmal, die Schaltung ist gewohnt hakelig.
Manches ist auch Memminger Käfer wie früher: Die Pedale sind gewohnt schmal, die Schaltung ist gewohnt hakelig. Bild: Thomas Geiger/dpa-tmn

Einem Trend verweigern sich die Restauratoren aber: Elektromotoren kommen ihnen nicht ins Haus. Weder bei den Fenstern noch beim Verdeck und schon gar nicht für den Antrieb. So weit geht der Flirt mit der Zukunft dann doch nicht. 

Fazit: Ein bisschen Spaß muss sein

Genau wie an den Porsche-Umbauten von Singer oder den Mercedes-Klassikern von Mechatronik scheiden sich auch an den Käfern von Memminger die Geister. Doch spätestens nach der ersten paar Kurven fragt niemand mehr, ob das ein echter Klassiker ist oder nur eine kitschige Erinnerung. 

Es braucht nur ein paar Gasstöße, zwei, drei Gangwechsel und eine freie Landstraße, um die Zeitreise ohne Hintergedanken zu genießen und zugleich – zum ersten Mal in einem Käfer – echten Fahrspaß zu erleben. 

Selbst der stolze Preis ab 171.000 Euro relativiert sich dabei. Erstens sind auch gut erhaltene Käfer im Originalzustand mittlerweile keine Schnäppchen mehr. Und zweitens zahlt man für andere Autos mit ähnlich viel Spaßpotential wahrscheinlich noch mehr – egal, ob als Neuwagen oder als Oldtimer. 

Ist das noch ein Original-Käfer? Darüber lässt sich streiten, nicht aber über den Fahrspaß, meint der Autor.
Ist das noch ein Original-Käfer? Darüber lässt sich streiten, nicht aber über den Fahrspaß, meint der Autor. Bild: Thomas Geiger/dpa-tmn

Datenblatt: Memminger Käfer Cabrio 2.7 

Motor und Antrieb:Vierzylinder-Boxer-Benziner
Hubraum:2.717 ccm
Max. Leistung:ca. 141 kW/192 PS (Testwagen des Autors)
Max. Drehmoment:241 Nm bei 3 000 U/min
Antrieb:Hinterradantrieb 
Getriebe:Viergang-Schaltgetriebe

 

Maße und Gewichte 
Länge:4.140 mm
Breite:1.585 mm
Höhe:1.460 mm
Radstand:2.524 mm
Leergewicht:930 kg
Zuladung:k.A.
Kofferraumvolumen:310 Liter

 

Fahrdaten 
Höchstgeschwindigkeit:ca. 210 km/h
Beschleunigung 0-100 km/h:ca. 6 s
Durchschnittsverbrauch:ca. 8,0 Liter/100 km

 

Kosten 
Basispreis des Memminger VW Käfers:171.000 Euro
Typklassen:k.A.
Kfz-Steuer:k.A.

 

Wichtige Serienausstattung 
Sicherheit:Sicherheitsgurte, Kopfstützen, ABS
Komfort:Klimaanlage, Servolenkung, Sitzheizung

(dpa)

© Copyright dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH
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