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Reise
Wie ein Profibergsteiger mit Ängsten umgeht

Rudolf Hauser ist vertikale Eiswände ohne Sicherung hochgeklettert. Ein Gespräch über Stress, rationale Entscheidungen und Selbstvertrauen, das durch gute Vorbereitung entsteht.

Salzburg.

Der Profikletterer Rudolf Hauser hat viele extreme Herausforderungen gemeistert. So ist er ohne Absicherung eine 270 Meter hohe Eiswand im österreichischen Gasteinertal hinaufgeklettert. 

Ein anderes Mal hat er gleich zwei Solo-Felsklettertouren von jeweils mehr als 1.000 Meter Höhe an einem Tag gemacht – ebenfalls ohne Sicherungsseil, dafür mit einem Halbmarathon von 21 Kilometern, den er zwischen den Aufstiegen gerannt ist. 

Das Hirn wolle uns eigentlich davon abhalten, "solche Dummheiten zu machen", sagt er. Im Interview erklärt Hauser, wie er mit Ängsten umgeht und warum es bei riskanten Vorhaben oft schwerfällt, rational zu bleiben.

Frage: Herr Hauser, Sie haben mal gesagt: "Alle großen Bergsteiger, die noch leben, sind rationale, clevere Typen. Weil sie wissen, wann sie umkehren müssen." Haben Sie ein Beispiel?

Rudolf Hauser: Ich habe das Glück gehabt, dass ich über die Jahre Hans Kammerländer näher kennenlernen durfte. Hans ist einer der erfolgreichsten Höhenbergsteiger der Geschichte und definitiv einer der Typen, die es immer wieder geschafft haben, umzudrehen. Teils 50 Meter unterhalb vom Gipfel. 

Aber er hat diese Fähigkeit besessen, zu sagen: ab hier nicht mehr weiter. Es ist genug. Ich komme wieder. Ich habe was gelernt.

Große Bergsteiger können die Dinge sehr objektiv und rational betrachten. Was da sehr stark mit reinspielt, ist der Wille, etwas Großes zu geben. Denn natürlich ist da ein sehr hohes Restrisiko des Scheiterns, sprich: möglicherweise dabei zu verunglücken. 

Es gibt im Extremsportbereich aber auch Persönlichkeiten, die lieber sterben würden für die Sache, als tatsächlich umzukehren. Das muss jeder für sich selbst entscheiden, wie weit er gehen will.

Frage: Fit genug für den Berg zu sein, ist das eine. Doch Ausgeglichenheit und Klarheit im Kopf ist das andere. Lässt sich das trainieren?

Hauser: Zuerst kommt immer die körperliche Komponente. Du trainierst auf ein Ziel so lange hin, bis du das Gefühl hast, dass es jetzt klappen könnte. Die mentale Komponente ist eigentlich nahtlos an die körperliche Grundvoraussetzung gekoppelt. Fühl dich gut, aber nicht unsterblich, das ist der Grundsatz, den wir verfolgen in dem Zusammenhang.

Was ich über die Jahre bei vielen guten Leuten beobachtet habe, ist eine gewisse Grundresilienz, die man vielleicht schon in der Kindheit gelegt hat und die einem oft gar nicht so bewusst ist – durch die man aber in gewissen Stresssituationen effizienter und optimaler reagiert als andere.

Man kann gewisse mentale Fähigkeiten und Fertigkeiten durch Coaching trainieren oder sich mit Hilfe von Techniken aneignen, aber dieser letzte Rest ist definitiv tief verwurzelt. Ein Urvertrauen, geschaffen durch eine glückliche Kindheit zum Beispiel, wo man immer das Gefühl hatte: Man ist eingebettet in eine gute Struktur. Das sind jene Menschen, die unterbewusst schon sehr viel Kraft aus dieser Ebene holen können. Wenn man es schafft, dass man sich das ins Bewusstsein rückt und damit konstruktiv arbeiten kann, hat man definitiv sehr viel erreicht.

Frage: Von Ihnen stammt auch der Satz: "Das Gehirn ist wie ein Schutzschalter." Wie meinen Sie das?

Hauser: Gerade im Vorfeld von heiklen Projekten kommen sehr stark die Ängste zum Vorschein und auch die Zweifel. Weil egal, wie gut du vorbereitet bist: Es bleibt trotzdem in unserem Gehirn dieser Schutzschalter erhalten, der uns daran hindern will, solche Dummheiten zu machen. 

Wenn ich an Solo-Projekte herangegangen bin, habe ich eigentlich immer in den Wochen und Nächten davor meinen eigenen Absturz gesehen. Unser Hirn möchte nicht, dass wir uns in diese Situationen begeben, und das ist sehr stark sozialisiert. Ich sehe darin in gewisser Weise auch unsere christlich-soziale Prägung: Verantwortung gegenüber unseren Familien, unseren Kindern, unseren Freunden. Das fließt sehr stark mit rein, wenn wir ins Risiko gehen.

Aber so sieht man auch: Wo kommen diese Ängste her? Wo trifft es mich am härtesten? Was helfen kann: Das auf einem Blatt Papier aufzuschreiben, um es zu visualisieren und sich bewusst zu werden: Wo muss ich den Hebel ansetzen? Wo kann ich Arbeit leisten, um das Ganze ein bisschen rationaler zu betrachten und nicht zu sehr aus der Emotion heraus? Das macht dann schon einen großen Unterschied aus.

Hier kommt die Planung ins Spiel, neben dem Körperlichen und Mentalen ist sie ein weiterer, wichtiger Faktor – denn man baut auch darüber Selbstvertrauen auf, dass man gut vorbereitet ist. Es ist ganz entscheidend, dass man seine Planung dann konkret und rational abarbeitet und sich nicht überschätzt. Scheitern und Umdrehen muss eine Option bleiben.

ZUR PERSON: Rudi Hauser (42) ist Profibergsteiger und Filmemacher und lebt in Salzburg. Er hält auch Fachvorträge, etwa auf dem Kongress der Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin (GOTS) im Mai. (dpa)

© Copyright dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH
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