80 Millionen Bundestrainer gibt es in Deutschland – wir haben zehn davon und machen sie zu unseren Experten für die EM. Heute geht es um die Rückkehr des Stolzes auf die deutsche Nationalmannschaft.
Ich war ja schon ein wenig überrascht, als ich gefragt wurde, ob ich beim Expertenteam der „Freien Presse“ für die EM mitmachen möchte. Ich habe zwar sehr viel mit Fußball zu tun, aber vor allem mit meinem Verein, dem FC Erzgebirge. Daran hängt mein Herz, das ist mein Leben, und das wird immer so bleiben. Mit der Nationalmannschaft habe ich schon seit etlichen Jahren nicht mehr so viel am Hut. Das liegt unter anderem daran, dass die Politik sich hier immer mehr in den Fußball eingemischt, ihn fast schon für ihre Zwecke benutzt hat, mit dem Höhepunkt bei der WM in Katar. Einst war das anders: Als Deutschland 1990 Weltmeister geworden ist, war ich als damals Zwölfjähriger glückselig – wie die ganze Nation. Ich hatte von meinem Vater gelernt, wie wichtig es ist, stolz auf diese Mannschaft, stolz auf unser Land zu sein. Das war ich. Bei der WM 2006 sind diese Gefühle noch einmal etwas aufgeflammt, danach hat sich mein Verhältnis dazu deutlich abgekühlt.
Diese EM kann nun tatsächlich ein Neuanfang sein. Ich habe am Sonntag ein deutsches Team auf dem Platz gesehen, das, obwohl es schon fürs Achtelfinale qualifiziert war und spielerisch nicht sehr viel funktionierte, kämpferisch alles in die Waagschale geworfen hat, gegen einen stärkeren Kontrahenten, als es die ersten beiden waren, mit Leidenschaft und sogar ein bisschen Wut den Ausgleich noch erzwungen hat. Das hat mir imponiert, das ist ein moralischer Sieg. Wie wichtig Füllkrugs Tor zum 1:1 war, hat man auch an der Reaktion des Trainers und der gesamten Reservebank gesehen. Dieser Moment kann die deutsche Mannschaft jetzt im Achtelfinale und unter Umständen darüber hinaus beflügeln, es kann bei diesem Turnier tatsächlich weit gehen. Für unser Land kann das nur gut sein, es stärkt den Zusammenhalt. Und vielleicht weckt es ja verschüttete Impulse: Ich hoffe, wir alle können bald wieder stolz auf diese Nationalmannschaft, stolz auf Deutschland sein.


Unser Autor Mario Dörfler ist neben Skerdilaid Curri der zweite Mann mit größerem Bekanntheitswert in der Expertenrunde. Der 46-Jährige ist seit November 2015 Stadionsprecher des FC Erzgebirge Aue – und das stets mit vollem Einsatz. Nicht selten kann er nach Heimspieltagen kaum noch sprechen. Umso besser, dass er über die EM-Spiele nur schreiben muss.