Als die "Freie Presse" vor 25 Jahren erstmals online ging, war das für alle Beteiligten ein Experiment. Dass heute die Musik für den Verlag im Internet spielt, hätte damals keiner geglaubt. Ein Rückblick.
Als die "Freie Presse" im August 1996 ein Team aus drei Software- und Netzwerkspezialisten, einem Online-Redakteur (Autor dieses Beitrags), einem Anzeigenberater und einem Projektleiter zusammengestellt hatte, glich die Truppe dem Spähtrupp einer Expedition, die in fremde Welten vordringen sollte. In der Zeit galt die gedruckte Tageszeitung noch als Nonplusultra. Internet-Verbindung mit dem Handy war Utopie, die Auffahrt auf die Datenautobahn führte meist über ein Modem.
Das aus der anfangs auf Word-Dokumenten skizzierten Seitenstruktur mit Inhaltsbeschreibung innerhalb weniger Monate der erste Webauftritt der Regionalzeitung entstehen könnte, daran hatten wohl nicht viele geglaubt. Zumal es keine Blaupause gab. Die Webadressen deutscher Zeitungen konnte man an zwei Händen abzählen. "Learning by doing" (Lernen durch Anwenden) gehörte im Projektteam von "Freie Presse Online" zur Tagesordnung. Redaktionssysteme von der Stange für Internet-Auftritte gab es nicht. An nahezu jeder Stelle waren Eigenentwicklungen gefragt, übte sich auch der Online-Redakteur in Programmierbefehlen. Und nur "Insider" ahnten, was die kleine Truppe in unzähligen Überstunden und an Wochenenden in der obersten Etage des Verlagshauses an der Brückenstraße in Chemnitz tat. Der Enthusiasmus der Beteiligten war letztlich entscheidend dafür, dass am 28. November 1996 tatsächlich jener Meilenstein aus den Projektplänen erreicht wurde und die "Freie Presse" online ging. Noch mit vergleichsweise kleinem und vor allem textbasiertem Nachrichtenangebot, aber schon mit Datenbanken für Kleinanzeigen und Kinoprogramm. Über ein von der "Freien Presse" gespanntes Netz an Einwählpunkten in Südwestsachsen fanden Abonnenten zudem von daheim den Weg ins Netz.
Aufgetankt mit Selbstbewusstsein, diesen ersten Schritt geschafft zu haben, kreierte das "Freie Presse Online"-Team in den Jahren darauf eine Vielzahl eigener Web-Inhalte - auch emanzipiert von der Tageszeitungsproduktion. Dazu zählten Liveberichterstattung in Specials wie zum Motorrad-WM-Lauf auf dem Sachsenring mit eigenem Reporter vor Ort oder die Einrichtung von Chats und Diskussionsforen. Soziale Netzwerke wurden hier schon 1997 geknüpft. Über die Terroranschläge vom September 2001 in den USA berichtete "Freie Presse Online" im Live-Ticker über Tage rund um die Uhr. Internetportale für das Erzgebirge und Vogtland entstanden.
Teil dieses Projekts gewesen zu sein, erfüllt Beteiligte von damals noch heute mit Stolz. Doch jede Expedition hat ein Ende - im besten Fall mit neuen Erkenntnissen. Und dazu zählt, dass digitale Kanäle kein Experiment mehr für die "Freie Presse" darstellen, sondern selbstverständlicher Teil der Arbeit in Redaktion und Verlag ist. So auch für den ersten Online-Redakteur der "Freien Presse", der heute als Chefreporter tätig ist.