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Leserobmann: Der mit den Lesern spricht

Seit August 2010 gibt es bei der "Freien Presse" einen Leserobmann, der sich um die Anliegen der Leser kümmert und für sie ein unmittelbarer Ansprechpartner ist, wenn es um redaktionelle Inhalte der Zeitung geht.

Selbstverständlich könnte ich mir mit einer einzigen Zahl selbst auf die Schulter klopfen und meine Arbeit als Leserobmann in einem guten Licht darstellen: In den vergangenen elf Jahren habe ich am Telefon mehr als 22.000 Gespräche mit Leserinnen und Lesern geführt - ich schreibe fortlaufende Protokollnotizen - und mir angehört, was sie an kritischen Bemerkungen zu Artikeln und Fotos in der Zeitung zu sagen haben, welche Fragen sie an meine Kollegen in der Redaktion stellen möchten oder ob sie selbst Vorschläge machen wollen zu Themen für eine dann nach Möglichkeit investigative Recherche.

Bitte, bitte, jemand möge mir diese Frage jetzt stellen, ich möchte sie unbedingt beantworten: Ist der Leserobmann nach so langer Zeit also ein Redakteur der "Freien Presse", der genau weiß und voraussagen kann, was in den Köpfen der Menschen in Region vor sich geht, wie sie ticken und wo ihnen möglicherweise der Schuh drückt? Ich bekenne freimütig: Nein, das ist er ganz bestimmt nicht. Meine Arbeit ist niemals von Routine bestimmt, wird es nie sein, und sie ist jeden Tag eine neue und oft nicht leichte Herausforderung.

Ziel der Arbeit des Leserobmanns war damals und ist es bis heute, durch mehr Transparenz die Glaubwürdigkeit der "Freien Presse" zu erhöhen und das Vertrauen der Menschen in die Zeitung zu stärken. Wer sich von der Redaktion falsch verstanden fühlt, wer auf der Suche nach einem Ansprechpartner unter den Kollegen ist oder einen Leserbrief veröffentlichen möchte, ist bei mir ebenso an der richtigen Adresse. Und häufig hilft schon ein Gespräch, um ein Problem aus der Welt zu schaffen. Dafür bin ich da. Nicht alles, was in der Zeitung steht, gefällt den Leserinnen und Lesern. Fragen entstehen: Warum berichtet die Redaktion auf diese Art und Weise? Beiträge begeistern oder enttäuschen. Fehler ärgern. Bilder verstören. Ich höre mir jedes Anliegen an und versuche zu helfen.

Auch diese Frage stelle ich mir selbst: Wie verhalte ich mich, wenn der Unmut mit emotionaler Wucht auf mich niedergeht, dass "Schimpfen" ein harmloses Wort dafür ist? Ich versuche, zu Wort zu kommen und zu deeskalieren. Das gelingt mir leider eher selten. Oder ich warte ab, bis der Redeschwall beendet ist und versichere, dass ich mir Notizen gemacht habe und sie an die Redaktion weiterleite, und frage nach, ob es weitere Anliegen gibt. Das häufigste Ende solcher Gespräche ist eins, dass ich ganz wunderbar finde, wenn ich dies höre: "Jetzt fühle ich mich wirklich besser."

Und wie verdaut man es, wenn man so oft mit Unmut, der gar nicht persönlich gemeint ist, konfrontiert wird, und wenn man eher selten etwas zur Hand hat, was den Anrufern wirklich hilft, besser mit ihrem Problem klarzukommen oder es sogar zu lösen? Mein Rezept, heute darf ich es verraten: Ich konzentriere mich außerhalb des Büros ganz bewusst mit viel mentaler Energie auf das, was mir guttut, Balsam für Geist und Seele ist und mich auf eine Weise abschalten lässt, die manchmal sogar einem meditativen Versenken gleichkommt. Soll heißen: Ich schalte meinen inneren Motor auf Genießen um.

Meine Antwort auf die letzte abschließende (fiktive) Frage, sie kommt von Herzen: Nein, ich habe noch niemals darüber nachgedacht, zum Chefredakteur zu gehen und ihn zu bitten, mir eine andere Aufgabe zu geben, die ich liebe diesen Job, ganz ehrlich.

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