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1968: Prager Frühling - Panzer rollen durchs Erzgebirge

Bei der Niederschlagung des Prager Frühlings in der Tschechoslowakei wird Sachsen Aufmarschgebiet des Warschauer Pakts.

21. August 1968: Es ist die größte Militäroperation in Europa seit 1945. Etwa eine halbe Million Soldaten der Sowjetunion, Polens, Ungarns und Bulgariens fällt in der Nacht in die Tschechoslowakei ein. Innerhalb weniger Stunden sind alle strategisch wichtigen Positionen des Landes besetzt. Der Prager Frühling, ein im Ostblock einzigartiger Reformversuch der tschechoslowakischen Kommunistischen Partei unter Alexander Dubček zur Liberalisierung und Demokratisierung des Landes, ist gewaltsam beendet.

Am Tag des Überfalls druckt die "Freie Presse" ein Extrablatt. Die SED-Führung wendet sich darin "an alle Bürgerinnen und Bürger der Deutschen Demokratischen Republik". "Treu ergebene Persönlichkeiten der Partei und des Staates der ČSSR", so heißt es, hätten am 20. August "den Kampf zum Schutz der sozialistischen Staatsordnung gegen konterrevolutionäre Umtriebe" aufgenommen. Sie hätten sich mit der Bitte um militärische Hilfe an die sozialistischen Bruderstaaten Bulgarien, DDR, Polen, Ungarn und UdSSR gewandt. Diesem Ersuchen sei entsprochen worden.

Dubček wollte einen "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" schaffen. Das bedeutete Meinungs- und Pressefreiheit, Reisefreiheit und eine Annäherung an die westlichen Demokratien, mit der letztlich auch die führende Rolle der kommunistischen Partei infrage gestellt wurde. In der Bevölkerung der DDR stießen diese Ideen auf viel Sympathie, den Herrschenden in Moskau und Ost-Berlin galten sie als konterrevolutionär. Als sich im Sommer 1968 die Konfrontation zuspitzte, wurde Sachsen zum Heerlager. In den Wäldern des Erzgebirges fuhren Panzer auf, auch Truppen der Nationalen Volksarmee der DDR wurden in Alarmbereitschaft versetzt.

16.000 Mann aus zwei NVA-Divisionen sollten nach Nordböhmen und gegebenenfalls bis Prag vorstoßen. Die 7. Panzerdivision mit Hauptquartier in Dresden, darunter das Artillerieregiment 7 aus Frankenberg und das Motorisierte Schützenregiment aus Marienberg, sowie die 11. Motorisierte Schützendivision in Halle wurden nach Angaben des Militärhistorikers Rüdiger Wenzke der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland unterstellt. Lange hielt sich der Mythos von der NVA als Interventionsarmee. Erst nach Ende des Kalten Krieges ergab die Forschung, dass ostdeutsche Soldaten 1968 nicht in nennenswerter Zahl tschechoslowakischen Boden betraten, sondern auf Bitte tschechischer Dubček-Gegner vom sowjetischen Staatschef Leonid Breschnew in letzter Minute zurückgehalten wurden.

50 Jahre später widmete die "Freie Presse" dem Prager Frühling und seinem Ende eine komplette Wochenendbeilage aus sächsischer Perspektive. Ein ehemaliger Redakteur kommt dort zu Wort, der spätere Zwönitzer Bürgermeister Uwe Schneider, der damit den Glauben an den Sozialismus und seinen Arbeitsplatz bei der Tageszeitung in Karl-Marx-Stadt verlor. Die Recherchen zum Jubiläum 2018 zeigten, wie stark die Menschen in Sachsen mit den Ereignissen 1968 in ihrem Nachbarland verbunden waren und verbunden sind. Tausende zwischen Plauen und Zittau haben bis heute persönliche Erinnerungen an diese Zeit - ob als Kind an der Straße, als Ingenieur auf Dienstreise in Prag oder als NVA-Soldaten, die in den Wäldern des Vogtlands auf den Marschbefehl warteten. Manche von ihnen hat dieses Ereignis ein Leben lang geprägt. (oha)

Zum Beitrag: Hochzeit zum Frühlingsende - Als Panzer am Ferienheim Olbernhau rollten

Zum Online-Spezial zum Prager Frühling [FP+]

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