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"Vielleicht ist diese Krise heilsam"

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Interview mit dem Vorsitzenden des Plauener Vereins der Haus und Grundstückseigentümer Detlev Braun

Vor allem mit Fragen rund um das Thema Energieversorgung wird der Verein der Haus und Grundstückseigentümer derzeit konfrontiert. Mit dem Vorsitzenden des Plauener Verbandes Detlev Braun sprach Swen Uhlig.

Womit werden Sie als Verband der Haus- und Grundstückseigentümer derzeit konfrontiert?

Natürlich geht es vor allem um die Fragen der Energieversorgung. Das ist zurzeit das Thema. Aber nicht überall. Ich glaube, es ist noch nicht überall durchgedrungen.

Was heißt das?

Ich denke, die Situation, in der wir uns befinden, ist noch nicht bei allen Mietern angekommen. Viele lesen das oder hören das und sagen, warten wir erst einmal ab. Auf die Hauseigentümer trifft das natürlich nicht zu. Sie haben die Änderung ihrer Verträge schon auf dem Tisch, sie wissen, um wie viel sich zum Beispiel Erdgas verteuert.

Aber dass die Energiepreise steigen, dürfte doch mittlerweile bei jedem angekommen sein.

Der Vermieter muss ja in Vorleistung gehen, er kauft das Gas. Das Geld holt er sich über die Betriebskostenabrechnung vom Mieter zurück. Aber die Abrechnungen werden ja erst nächstes Jahr erstellt.

Aber der Vermieter kann eine Erhöhung der Vorauszahlung verlangen.

Das kann er. Bisher liefen solche Erhöhungen ja eher moderat, um fünf bis acht Prozent. Da gab es nie die großen Sprünge. Jetzt haben wir Steigerungen beim Gaspreis von 300 bis 400 Prozent. Wer bis uns Mitglied ist, der hat in der Regel ein Haus mit vier oder fünf Wohnungen. Das heißt, man kennt sich untereinander, hat häufig auch ein Vertrauensverhältnis. Wenn der Eigentümer dann mit den höheren Energiepreisen konfrontiert ist, dann gibt es häufig auch eine gewisse Scheu, die Kosten weiterzugeben, zumal in solchen Dimensionen. Wir hatten gerade erst eine ältere Frau hier, die eine Wohnung vermietet hat. Sie sagte, ihre Mieter seien junge Leute, und sie hat mich gefragt, ob sie die Erhöhung weitergeben kann. Auf meine Antwort, natürlich müsse sie das, erwiderte sie, ihr tun die Mieter leid. Na klar, die haben über Jahre ein gutes Verhältnis, und jetzt muss sie solche Abschläge verlangen. Unsere Mitglieder sind fast alle ortsansässig, die sind nicht anonym. Und viele von denen fühlen sich auch verantwortlich für ihre Mieter.

Was raten Sie Ihren Mitgliedern, wenn es um die Frage geht, die Heizung umzurüsten.

Dass Heizungsanlagen modernisiert werden müssen, um klimafreundlicher zu heizen, drin gt erst seit wenigen Jahren ins Bewusstsein. Das war bisher ein langfristig angelegtes Thema. Man braucht ein Konzept, man braucht Firmen, die verfügbar sind. Aus der Regierung hieß es ja immer, wir müssen den Ausstoß von Kohlendioxid reduzieren, die Abkehr von russischem Gas war ja nie Thema. Das hat sich über den Sommer geändert. Wir sind ja schon beim Thema CO2 an Grenzen gestoßen, kein Material, keine Handwerker. Jetzt kann man ja gar keinen neuen Kess el bestellen, den bekomme ich nämlich nicht. Genauso geht es mit einer Photovoltaik-Anlage, es gibt keine. Ich selbst suche seit einem Jahr und bekomme nicht mal ein Angebot, nicht mal zum Tagespreis mit Preisanpassungsklausel.

Was raten Sie dann? Sollte man ungeachtet aller Probleme dennoch versuchen, die Heizungsanlage umzustellen?

Offen g esagt, ich bin da auch ratlos. Wenn man sich mit Planern und Sanitärfachleuten unterhält, sagen die, sie könnten nichts raten. Überall ist vom Einbau moderner Wärmepumpen die Rede, aber die funktioniert nur im Niedrigen- ergiehaus, aber nicht im Altbau. Und wenn außerdem die Strompreise in Dimensionen steigen, von denen jetzt die Rede ist, dann wird auch die Wär mepumpe völlig unwirtschaftlich.

Was heißt das für die Situation von Hauseigentümern?

Die Kaltmiete in Plauen liegt bei 4 bis 5 Euro, das heißt, der Betriebskostenanteil an der Gesamtmiete war schon immer höher als in westdeutschen Bundesländern. Wenn die Heizkosten jetzt so stark steigen, wird der Betriebskostenanteil den Anteil der Kaltmiete bald über- steigen. Was passieren könnte, ist vielleicht auch eine Entwicklung, mit der gar niemand rechnet, nämlich dass Vermieter ihre Wohnungen lieber leer stehen lassen, als sie neu zu vermieten.

Haben Sie eine solche Situation wie jetzt schon einmal erlebt?

Ja, im Winter 1978/1979. Meine Frau war damals hochschwanger, meine Tochter ist im Januar 1979 geboren worden. Erst fiel die Heizung aus, dann das Licht. Was haben wir gemacht? Wir sind zu meinen Eltern gezogen. Ich könnte mir vorstellen, dass sich derartige Dinge wieder- holen, dass die Menschen enger zusammenrücken.

Wird es im Winter wieder so etwas geben, dass Menschen zusammenrücken?

Im Notfall ja, denke ich.

Und für alle anderen wird es extrem teuer?

Das wäre vielleicht sogar gerecht. Wir müssen umdenken, die Ressourcen sind begrenzt. Die Weltbevölkerung wächst weiter. Jedem Menschen steht Wärme zu, aber nicht auf 100 Quadratmetern. Vielleicht ist diese Krise ja auch in gewisser Weise heilsam. su

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