Die Stadtverwaltung bietet zu wenig für junge Leute, findet der Unternehmer. Was der Bürgermeister dagegenhält.
Der Anteil junger Menschen im Alter zwischen 18 und 35 Jahren an der Gesamtbevölkerung sinkt auch in Plauen. Unternehmer spüren, wie schwer es ist, Lehrstellen zu besetzen. Einer von ihnen ist Ralf Fischer, Geschäftsführer bei Sachsendruck. Er bemängelt im Gespräch mit Bürgermeister Tobias Kämpf (CDU), dass die Stadtverwaltung zu wenige Angebote für junge Leute macht. "Freie Presse"-Redakteur Swen Uhlig hat beide zur Diskussion an einen Tisch geholt.
Freie Presse: Herr Fischer, Sie sind bei Sachsendruck der Chef von knapp 140 Mitarbeitern. Auch für Ihr Unternehmen wird es immer schwerer, Nachwuchs zu finden und Ausbildungsplätze zu besetzen. Es fehlen junge Leute, die eher in die Metropolen abwandern. Was muss sich in Plauen ändern, damit die Stadt bei jungen Leuten als attraktiv wahrgenommen wird?
Ralf Fischer: Nun ja, ich komme als Berliner ja auch aus einer Metropole. Aber die Verhältnisse dort funktionieren natürlich nicht in Plauen, und das will ich auch nicht. Aber wenn ich mal die 900-Jahr-Feier hernehme und auf den Kalender schaue, da sieht man schon, die Stadt hat sich konzentriert auf eine große Feier, die in meinen Augen auch gelungen war. Aber dort hat man auch gesehen, die Bahnhofstraße war wie eine Grenze, links hat die Stadt gefeiert, und rechts der Straße das Mañana und das Theater. Und wo war die Jugend? Die war fast ausschließlich auf der rechten Seite. Das Mañana hatte eine Bühne hochgefahren; dort war es laut, das Publikum selbstbewusst - so, wie man sich das vorstellt. Und links der Bahnhofstraße? Da gab es Buden, da spielte eine Glam-Rock-Band, das sagt schon viel aus, finde ich. Ich habe mich da überhaupt nicht unwohl gefühlt, aber es war so offensichtlich, dass es auf der einen Seite die Generation gibt, die das politische, wirtschaftliche und kulturelle Leben bestimmt in der Stadt, die untereinander vernetzt ist, wo man sich kennt - und auf der anderen Seite der Teil, und das sehe ich auch bei uns im Unternehmen, der unheimliche Probleme hat, sich hier wohlzufühlen und hier zu bleiben. Und für uns als Unternehmer ist das eine Katastrophe, dass sich die junge Generation fragt, will man hier bleiben. Und da muss ich die Frage stellen: Woran liegt das? Ich hätte mir bei der 900-Jahr-Feier mehr Termine gewünscht, mehr kleinere Veranstaltungen, auch mehr Veranstaltungen, die das Altersspektrum von 18 bis 40 Jahre ansprechen.
Freie Presse: Woran denken Sie da konkret?
Ralf Fischer: Ein Beispiel: In Flöha findet jetzt die Ibug statt, ein Street-Art-Festival. Das hätte man doch nach Plauen holen können, hätte super gepasst zur 900-Jahr-Feier. In Plauen gibt es eine Street-Art-Szene, hier gibt es auch eine Skater-Szene - aber mein Eindruck ist, dass hier viele Dinge vorhanden sind, die wie Satelliten um die Stadt kreisen, die nicht eingebunden sind. Und wenn die Verantwortlichen Werbematerial drucken wollen, dann müssen sie im Rathaus nachfragen, ob sie das Logo der Stadt verwenden dürfen. Da frage ich mich immer: Was ist denn hier los? Das hat nichts mit Jugend und Generationen zu tun, aber daran sieht man, dass die Stadtverwaltung immer die Sonne ist und darum dreht sich was, aber man sieht nicht, dass die Sonne Strahlkraft auf die anderen ausübt.
Freie Presse: Herr Kämpf, Sie sind seit Februar als Bürgermeister auch für Jugend zuständig. Was sagen Sie zu dem, was Herr Fischer hier beschreibt?
Tobias Kämpf: Es ist sicherlich so, dass wir in Plauen für Kinder eine Super-Infrastruktur haben, sowohl was Kitas und Schulen anbelangt, aber auch Vereinsleben und Vereinsaktivitäten, ob das Parkeisenbahn ist oder im Umfeld die Talsperren. Schwieriger wird es für die Altersgruppe ab dem Ende der Schulzeit. Dort haben wir im Angebot eine große Lücke, das ist eine Herausforderung. Meine Erfahrung ist aber, wenn man eine gute Ausbildung gemacht hat, in einen guten Job eingestiegen ist, wenn ich dann relativ früh einen Partner habe und vielleicht auch Familie, hat das Stadtleben nicht mehr die erste Priorität. Da geht es um andere Schwerpunkte. Aber für Singles ist es in Plauen sicher schwieriger, wenn man sich treffen und ausprobieren will, wenn man etwas erleben will, da ist tatsächlich nicht viel. Was die 900-Jahr-Feier betrifft: Das ist in der Breite konzipiert worden, weil es natürlich ein Fest für die gesamte Bevölkerung ist. Aber wie ich das seit meinem Amtsantritt mitbekommen habe, ist man in der Verwaltung immer extrem offen, wenn es darum ging, wie kann man Dinge unterstützen, bei denen junge Menschen aktiv werden wollen. Das Hauptproblem aus meiner Sicht ist, dass wir eine Mentalität haben, wo jeder sagt, wir wollen gern unterhalten werden, wir wollen gern bespielt werden, aber wenn es darum geht, selbst etwas zu organisieren für die eigene junge Generation, selbst also Verantwortung zu übernehmen, das ist meines Erachtens noch zu wenig ausgeprägt. Ralf Fischer: Sehe ich anders. In Plauen gibt es eine ganze Menge, das müsste viel mehr rangezogen werden. Da ist das Zooma, warum machen die zur 900-Jahr-Feier keine Sonderveranstaltung? Dann haben wir das Forum K, die werden immer ein wenig als Underdogs wahrgenommen. Die machen aber so viel; die engagieren sich, alles ehrenamtlich, weil sie Kunst lieben, weil sie was machen wollen. Und bei Ausstellungseröffnungen ist niemand von der Stadtverwaltung dabei. Warum? Das Rathaus ist genau auf der anderen Straßenseite. Mag ja sein, dass die ihr eigenes Ding machen. Aber warum zieht man sich die Leute nicht ran? Warum fragt man nicht mal, wie man als Stadtverwaltung helfen kann - und da geht es doch gar nicht um Geld. Aber warum lässt die Stadt das alles so geschehen? Oder warum war zur 900-Jahr-Feier an den Weberhäusern so wenig los? Ist es wirklich deshalb, weil jemand entscheidet, dass es da zu laut sein könnte? Wir haben so eine Super-Grundlage hier, man fährt ein paar Kilometer aus der Stadt raus, das ist wie Urlaub. Mieten sind in Ordnung, öffentliche Verkehrsmittel - alles super. Warum holt man die Leute nicht mal an einen Tisch und redet mit denen?
Tobias Kämpf: Mag sein, dass es an dieser Stelle vielleicht auch mit Unterstützung der Stadtverwaltung einen Neuaufschlag geben müsste. Ich finde den Gedanken sehr gut, die Leute, die aktuell etwas machen und die sich vielleicht auch ein Stück allein gelassen fühlen, mal zusammen zu bringen und die Dinge auf den Tisch zu bringen. Ich bin aber dabei für einen konstruktiven Ansatz: Was kann man konkret besser machen? Allgemeine Beschreibungen helfen uns nicht weiter. Was wir in Plauen brauchen, ist doch, die Kräfte zu bündeln, die wir in der Altersgruppe haben, sonst bekommen wir nicht diese Strahlkraft, diese Schlagkraft ...
Freie Presse: Sie meinen, die kritische Masse?
Tobias Kämpf: ... genau, diese kritische Masse, dass Leute sagen, wow, hier ist was los. Wenn jeder nur für sich etwas macht, und dann kommen fünf, sechs Leute, dann ist damit ein Riesenaufwand verbunden, und die Organisatoren sind frustriert. Wir brauchen hier eine neue Strategie, weil in dieser Altersgruppe ist es für uns als Stadtgesellschaft am schwierigsten, weil diese Gruppe aktuell einfach zu klein ist. Bei Familien ist das anders, das nehme ich auch als Familienvater wahr. Da gibt es genügend Angebote, Freizeitmöglichkeiten. Aber es ist richtig: Dafür ist es erst mal nötig, dass Leute sagen, ok, ich werde hier sesshaft, ich gründe hier eine Familie - dann ändert sich auch der Blickwinkel. Aber bis es dazu kommt, braucht es eine Grundlage, und die fehlt uns tatsächlich. Wofür ich sehr dankbar bin, ist unsere große Vereinsstruktur, die leisten Großartiges. Gerade über die Vereinsarbeit wird eine Bindung von jungen Leuten erreicht, da entstehen Freundschaften, die über Ausbildung und Studium hinweg halten. Und da ist es wichtig, dass es Anlaufpunkte gibt, wo man sich nicht nur bespaßen lassen kann, sondern wo man Dinge auch voranbringen kann. So etwas schweißt doch zusammen, das führt zu Beziehungen, zu Freundschaften, dass Leute sagen, hier fühle ich mich wohl, hier leben meine Freunde und hier bleibe ich auch. Wer geht denn heute noch aus Plauen weg? Was ich in meinem eigenen Umfeld beobachte, sind das Leute, die keine berufliche Perspektive haben, weil sie vielleicht etwas gelernt oder studiert haben, was hier nicht nachgefragt ist. Aber das wird ja immer seltener. Wer eher weggeht sind junge Leute, die hier keinen Partner finden, die ungebunden sind - und da hat man natürlich in Städten wie Dresden und Leipzig ein viel größeres Angebot. Aber als Stadt Plauen müssen wir die Leute zusammenbringen, dass eben nicht der Eindruck entsteht, man ist auf sich allein gestellt.
Ralf Fischer: Ich will überhaupt nicht negativ sein. Plauen hat genügend Potenzial. Und Sie haben recht, es gibt diese lebendige Vereinskultur. Die Grundlage ist da. Aber: Wir wissen nicht, was passiert, wenn die Stadt mal etwas auf die Beine stellt. Wir haben gesehen, wenn es das Mañana mal krachen lässt, ist die Hütte voll. Wenn man sieht, was in Wacken abgeht, 75.000 Besucher, die Leute haben richtig Bock auf Festivals. Es gibt keinen Grund, es hier nicht zu versuchen. Warum soll die Stadt nicht einfach mal etwas Großes machen? Wir als Unternehmer sind es, die mit den Folgen leben. Es gibt keine Fachkräfte, bei mir gehen Leute weg.