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Ungewöhnlicher Gast: Ein Schakal auf Sylt.
Ungewöhnlicher Gast: Ein Schakal auf Sylt. Bild: Privat/Daniela Andersen/dpa
Wissenschaft
Ein Goldschakal auf Sylt - wie ungewöhnlich ist das?

Erstmals soll in Deutschland ein Goldschakal erschossen werden. Schützen will man damit Vögel, die Schafe der Insel und auch den Deich. Woher kommt das Tier, das da sein Unwesen treibt?

Flintbek/Sylt.

Schakaljagd auf Sylt - das mag nach Aprilscherz klingen, passiert aber gerade wirklich. Etwa 20 bis 30 Jägerinnen und Jäger versuchten, das Tier auf seinen nächtlichen Streifgängen vors Gewehr zu bekommen, sagte Manfred Uekermann, der stellvertretende Kreisjägermeister Nordfrieslands. Es wäre der erste behördlich genehmigte und bestätigte Abschuss eines Goldschakals in Deutschland, wie es vom Deutschen Jagdverband (DJV) heißt.

Gibt es Schakale nicht nur in der Steppe?

Tatsächlich ist der Goldschakal (Canis aureus) - anders als der Wolf, der hier vor seiner Ausrottung schon einmal heimisch war - ein Neuankömmling in Deutschland und anderen europäischen Ländern. Besonders häufig sind Goldschakale im Nahen Osten, in Indien und in weiteren Regionen Asiens.

In Europa siedelten Goldschakale als einzige hier vorkommende Schakalart ursprünglich vor allem im südöstlichen Balkan, breiten sich aber immer mehr Richtung Norden und Westen aus. In der afrikanischen Savanne lebt der Schabrackenschakal (Canis mesomelas), in Afrika südlich der Sahara der Streifenschakal (Canis adustus).

Warum soll der Schakal auf Sylt sterben?

Goldschakale sind nach der Bundesartenschutzverordnung besonders geschützt und gehören hierzulande nicht zu den regulär jagdbaren Arten. Der Schakal hat auf Sylt aber zahlreiche Lämmer gerissen. Das Landesamt für Umwelt in Schleswig-Holstein erteilte daraufhin eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung.

"In diesem Fall liegen gleich drei gewichtige Gründe vor, deshalb befürworte ich eine Ausnahmegenehmigung durch das Landesamt für Umwelt", hatte Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) erklärt. Es gehe darum, weitere Schäden bei Nutztieren zu verhindern. Das Tier bedeute auch eine Gefahr für Bodenbrüter. "Zudem hat die Deichschäferei eine besondere Bedeutung für den Küstenschutz."

Schafe sind in vielen Regionen ein zentrales Element des natürlichen Deichschutzes. Der kurz gehaltene Grasbewuchs schützt ebenso wie die Bodenverdichtung durch das Herumlaufen der Tiere und das Wegfressen von Gehölzschößlingen vor Erosion.

Warum tötet der Schakal mehr Lämmer, als er fressen kann?

Das Phänomen der Mehrfachtötung durch Raubtiere - Surplus Killing genannt - tritt meist auf, wenn Beutetiere eingezäunt sind. Die Schafe auf Sylt können weder effektiv fliehen noch sich verteidigen. Ihr Herumlaufen löst den Beutefangreflex immer wieder aufs Neue aus - in freier Wildbahn hingegen würden die anderen Tiere einer Herde hingegen verschwinden, wenn eines erbeutet wurde.

Schafe sind leichte Beute für Raubtiere: Sie sind wehrlos und ihr Fluchtreflex ist nicht mehr stark ausgeprägt. (Archivbild)
Schafe sind leichte Beute für Raubtiere: Sie sind wehrlos und ihr Fluchtreflex ist nicht mehr stark ausgeprägt. (Archivbild) Bild: Federico Gambarini/dpa

Bekannt ist das Phänomen zum Beispiel auch von Wölfen, die viele Tiere einer Nutztier-Herde töten können, oder von in Hühnerställe eindringenden Mardern und Füchsen. Typisch für Goldschakale ist zudem, dass sie Vorräte mit Kadavern anlegen, die sich nicht gleich fressen können.

Ist denn sicher, dass ein Schakal der Übeltäter ist?

Ja. Tatsächlich werden Schafe und Lämmer oft von freilaufenden Hunden getötet. Dass für die rund 100 Risse auf Sylt seit 19. Mai ein Goldschakal verantwortlich ist, wurde aber gesichert über Proben genetisch nachgewiesen. Zudem gibt es mit Handy und Wildtierkamera gemachte Aufnahmen.

Wie kam der Schakal auf die Insel?

Gesehen hat das wohl niemand. Sylt ist über den etwa acht Kilometer durchs Wattenmeer führenden Hindenburgdamm mit dem Festland verbunden, über den das Tier vermutlich gelaufen ist. Von Rehen und anderen Arten ist bekannt, dass sie den Damm als Weg zur Insel nutzen. Hundeartige wie Wolf, Kojote und Schakal können aber auch schwimmen.

Gibt es Goldschakale überall in Deutschland?

Weitgehend. Erste bestätigte Nachweise gab es 1997 im südlichen Brandenburg. In den Jahren darauf folgten Dutzende Sichtungen in immer mehr Bundesländern, zuletzt in Rheinland-Pfalz. Gesamtzahlen für Deutschland sind bislang nicht bekannt.

Einen ersten Nachweis gab es zuletzt auch im Bundesland Rheinland-Pfalz.
Einen ersten Nachweis gab es zuletzt auch im Bundesland Rheinland-Pfalz. Bild: --/FAWF/KLUWO /dpa

Die Art breitet sich der Large Carnivore Initiative for Europe (LCIE) zufolge in Mittel-, West- und Nordeuropa aus. Wandernde Goldschakale können dem Naturschutzbund (Nabu) zufolge bei der Suche nach neuen Revieren erhebliche Strecken von mehreren hundert Kilometern zurücklegen. Nach LCIE-Hochrechnungen leben inzwischen etwa 150.000 Goldschakale in Europa. Zum Vergleich: Der Wolfsbestand in dieser Region wird auf 23.000 Tiere geschätzt.

Muss ich Angst vor einem Goldschakal haben?

Nein. Die sehr scheuen Tiere meiden den Kontakt mit Menschen und sind keine Gefahr, auch nicht für ausgewachsene Rinder oder Pferde - für kleinere Nutztiere wie Schafe oder Ziegen aber schon.

Warum habe ich noch nie einen gesehen?

Der kleine Bruder des Wolfes macht sich weitgehend unbemerkt auf den Weg in immer neue Gefilde: Er ist scheu, nachtaktiv und recht leicht mit einem Fuchs oder auch einem schlanken Hund zu verwechseln. Direkte Beobachtungen sind selten, die meisten Nachweise werden durch Fotofallen erbracht. 

Wie erkenne ich so ein Tier?

Der Goldschakal verdankt seinen Namen seiner oft gelbgrauen Fellfärbung. Er hat einen fuchsähnlichen Puschelschwanz und wiegt etwa zehn Kilogramm. Damit ist er größer als ein Fuchs und kleiner als ein Wolf, mit dem er eng verwandt ist.

Der Goldschakal wirkt hochbeiniger als ein Fuchs und hat anders als dieser meist keine helle, sondern eine dunkle Schwanzspitze. Typisch sind zudem die Winsel-, Heul- und Belllaute der Tiere, mit denen sie sich verständigen.

Wie verhalten sich Goldschakale und was fressen sie?

Goldschakale leben oft im Familienverband aus den Eltern und ihrem jüngeren Nachwuchs. Ältere Jungtiere wandern ab und suchen eigene Reviere. Paare bleiben lebenslang zusammen.

Zum bevorzugten Lebensraum gehören Feuchtgebiete, die Tiere passen sich aber gut an ganz verschiedene Lebensräume und Kulturlandschaften an. In Wolfsterritorien lassen sie sich allerdings ungern nieder: Der große Bruder stellt eine tödliche Gefahr dar.

Goldschakale sind Allesfresser. Sie futtern Kleinsäuger, Amphibien und Fische ebenso wie Insekten, Aas und pflanzliche Nahrung wie Äpfel und Früchte. An seine Beute schleicht sich ein Goldschakal ähnlich wie ein Fuchs an und springt dann überraschend auf sie los. (dpa)

© Copyright dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH
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