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Wenn Eltern ihre Kinder von der Schule abmelden, dann verletzten sie die sogenannte Anmeldepflicht.
Wenn Eltern ihre Kinder von der Schule abmelden, dann verletzten sie die sogenannte Anmeldepflicht. Bild: Daniel Karmann/dpa/Symbolbild
Zwickau

Illegale Lerngruppen in Westsachsen: Gerichtsverfahren gehen stark zurück - hat sich das Problem jetzt erledigt?

Eltern, die ihre Kinder nicht zur Schule sondern in außerschulische Lerngruppen schicken, standen in und nach der Corona-Zeit regelmäßig vor dem Richter. Was ist aus den Freilernern geworden?

Zwickau.

In der Pandemie sind außerschulische Lerngruppen zu einem problematischen Phänomen geworden. Eltern melden ihre Kinder von der Schule ab, um sie anschließend selbst zu unterrichten oder in eine private Lerngruppe zu schicken. Nach Informationen des Zwickauer Amtsgerichts sowie der Bußgeldstelle des Landkreises scheinen Lerngruppen inzwischen kaum noch existent zu sein. Laut einer Sprecherin des Amtsgerichtes wurden diesem Jahr nur drei Verfahren gegen Erwachsene eröffnet, die der Schulanmeldepflicht nicht nachkamen.

In Pandemiezeiten stand zum Beispiel das sogenannte „Lern-Reich Sperlingsberg“ in Gablenz bei Crimmitschau im Fokus der Behörden. In einem Landgasthof wurden zu Zeiten von Lockdown und Maskenpflicht Kinder außerhalb staatlich geprüfter Schulen unterrichtet. Die „Freie Presse“ berichtete in einem Interview mit den Gründern dieser Lerngruppe über die Ansichten und Motivationen der Organisatoren. Sie verzichteten auf ausgebildete Pädagogen. An deren Stelle unterrichteten Lernhelfer, ohne Fachausbildung. Behörden hatten keine Kontrolle über die dort vermittelten Inhalte und Weltbilder.

Vom „Lern-Reich“ zum „Lernort“

Aktuell bezeichnet sich das Landhotel Sperlingsberg als „Lernort“ und bietet auf seiner Webseite nur außerschulische Programme wie Wandertage, Kitaausflüge, Seminare oder andere Veranstaltungen an. Meistens drehen sich die Themen um Kochen oder Natur. Darüber hinaus bietet das Landhotel Workshops von Externen wie der Autorin Sonja Meier an. Meier ist Gründerin einer 2009 eröffneten und 2019 wieder geschlossenen Privatschule in Österreich. Im November stellte sie ihr neuestes Buch im Sperlingsberg vor. Darin geht es um alternative Erziehungsmethoden, die sich laut Buchbeschreibung bei der Autorin „getragen von einer tiefen Spiritualität gefestigt haben“.

Das „Lern-Reich“ Sperlingsberg heißt nun „Lernort“. Mit dem Gesetz kommt man jetzt nicht mehr in Konflikt.
Das „Lern-Reich“ Sperlingsberg heißt nun „Lernort“. Mit dem Gesetz kommt man jetzt nicht mehr in Konflikt. Bild: Thomas Michel/Archiv


Das Buch richtet sich laut Meier an Menschen die „Wege abseits vorgegebener Vorstellungen von Unterricht suchen“. Es sei für Leser und Leserinnen „eine Bereicherung“ und werde „vielleicht sogar etwas bestätigen, was Sie in sich schon lange gespürt haben.“

Lerngruppen rein „private Angelegenheit“

Als einzige regelmäßige Veranstaltung bietet das Landhotel Sperlingsberg derzeit wöchentlich einen „Tanz in der Scheune“ an. Damit sind laut Website Bauern- und Kreistänze gemeint, die „Bewegung und Spaß mit allen Generationen“ ermöglichen sollen. Dazu solle „nach Möglichkeit“ ein „Energieausgleich“ im Rahmen der Tänze stattfinden.

Für telefonische Anfragen waren die Betreiber des Landhotels nicht erreichbar. Bei einem Anruf an einem Montagvormittag, einem ganz normalen Schultag, antwortete ein Mitarbeiter auf die Frage, ob es die Lerngruppen weiterhin gibt, dass das „eine rein private Angelegenheit“ sei und für Rückfragen bei den Betreibern zurzeit „keiner da“ wäre. Im Hintergrund waren Geräusche von Kindern zu hören.

Verletzungen der Anmeldepflicht stark rückläufig

Im Landkreis Zwickau sind Verletzungen der Schulanmeldepflicht stark rückläufig. Laut dem Amtsgericht Zwickau und der Bußgeldbehörde des Landkreises gab es 2023 noch 23 und in 2022 46 Verfahren. In diesem Jahr wurden hingegen nur drei solcher Fälle vermerkt. Es liegen „keine Erkenntnisse zu außerschulischen Lerngruppen vor“, teilt das Amtsgericht mit.

Die Schulverweigerung ist im Landkreis weiterhin auf einem hohen Niveau.
Die Schulverweigerung ist im Landkreis weiterhin auf einem hohen Niveau. Bild: Peter Kneffel/dpa/Symbolbild

Wenn die Schulpflicht von Eltern verletzt wird, droht ein Bußgeld in Höhe bis zu 1250 Euro, was aber soweit bekannt ist bisher im Landkreis Zwickau nicht ausgeschöpft wurde. In den meisten bisher verurteilten Fällen sind es 200 Euro. Neben den sogenannten Freilernern gibt es auch Eltern, die ihre Kinder nicht schutzimpfen lassen. Im letzten Jahr häuften sich Fälle von Eltern, die eine Maserschutzimpfung für ihre Kinder verweigerten.

Dazu kommen Fälle von Schulverweigerern. Das sind Kinder, die in der Schule angemeldet sind, aber dem Unterricht fernbleiben. Diese sind laut dem Landkreis auf einem weiter hohen Niveau. Durch die Bußgeldstelle wurden im Sinne der Schulverweigerung durch unentschuldigtes Fehlen im Unterricht in diesem Jahr bisher 583 Verfahren erfasst. Im Vorjahr waren es 745 und 2022 insgesamt 467 Verfahren. (jopa)

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