Schlössertour Mylau

Burg Mylau ist ungewöhnlich. Hier gibt es keine Latrine eines Erzbischofs und nicht das Schlafzimmer eines letzten Fürsten zu besichtigen.

Denn die Anlage war immer eine bürgerliche Burg - durchaus repräsentativ, aber eher nüchtern und pragmatisch ausgestattet, wie es Chefin Sina Klausnitz formuliert.

Und die Burg gehört bereits seit 1892 der Stadt. "Damit musste nach 1945 auch niemand enteignet werden", erzählt die Diplom-Restauratorin. Ungewöhnlich ist ferner, dass die vor 800 Jahren von den Herren von Milin errichtete Wehranlage nie an wichtigen Verkehrswegen lag. Weil das bis heute so geblieben ist, hat sie nie jene touristische Bedeutung erlangt, wie Burgen und Schlösser entlang historischer Handelsstraßen.

Restauratorin und Museumsmitarbeiterin Sina Klausnitz auf dem Wehrgang der Burg Mylau im saechischen Vogtland. Rechts der rote Turm, links das Renaissance-Treppentuermchen mit der dahinterligenden Spitze des Glockenturms.

Nur ein berühmter Herrscher war hier: Kaiser Karl IV. aus Böhmen, als er 1367 die Außengrenzen seiner Herrschaftsgebietes auszudehnen begann. "Er erwarb die Burg. Damit kam Mylau unter die böhmische Krone, und Karl verlieh der winzigen Ansiedlung Stadtrecht. Dabei hatte der Ort bis 1830 nicht mal einen Marktplatz", weiß Klausnitz.

Als Karls Nachfahren kein Geld mehr hatten, gaben sie die Burg als Pfand an die Wettiner. "Seitdem sind wir sächsisch", sagt die Expertin mit einem Schmunzeln. Die Wettiner setzten als Verwalter die Adelsfamilie Metzsch ein, die die Burg 1460 kaufte. Unter ihr vollzog sich der Wandel von der Verteidigungsanlage zum Wohnschloss, woran heute das Metzschzimmer erinnert.

Restauratorin und Museumsmitarbeiterin Sina Klausnitz im Metzschzimmer der Burg Mylau, welches einst als Vereinszimmer und Schlossschenke diente. Die Wandmalereien stammen vom Reichenbacher Richard Harnisch von 1892. Das Zimmer war in den Kriegsjahren verschlossen und wurde erst in den 1980er Jahren anhand alter Fotos originalgetreu restauiert. An der Decke befindet sich das Wappen der Familie Metzsch.

Der mit Martin Luther befreundete Joseph Levin Metzsch führte in Mylau die Reformation ein. Als er starb, teilten seine fünf Söhne die Herrschaft. Nach weiteren Besitzerwechseln verkaufte 1772 der letzte adlige Burgherr aus der Familie von der Planitz den Herrschaftssitz an den Greizer Textilverleger Petzold.

"Damit begann das bürgerliche Zeitalter der Burg", bewertet Klausnitz den Einschnitt. "Petzold, der rund 250 Handweber beschäftigte, nutzte die Burg nur, um repräsentativ zu wohnen. Aber im Grunde war sie ein riesiger verfallener Kasten, in den er hätte mächtig investieren müssen. Er übernahm sich damit."

Die Erben führten einen langen Rechtsstreit, dann verkauften sie 1796 an die Mylauer Textilunternehmerbrüder Golle, die aber mehr an dem dazu gehörenden Rittergut Obermylau interessiert waren. Weil sie für die Burg keine Verwendung hatten, verpachteten sie diese an einen Textilunternehmer, der bis 1828 in den Räumen eine große Baumwollspinnerei betrieb. "Mehr als 1000 Handspindeln liefen hier. Auf jede Spindel gab Sachsens Regierung einen Reichstaler als Prämie", weiß Sina Klausnitz.

Sie erzählt auch, dass zu dieser Zeit in der Burg eine Fabrikschule eingerichtet wurde. Für jene Kinder, die in der Spinnerei arbeiten mussten, um die Familie mit zu ernähren. In Ermangelung von Wasserkraft dienten die Räume später nur noch als Lager. Drei Feuer trugen zum weiteren Verfall bei, was vor allem den Bürgern sehr missfiel. Auf ihr Drängen kaufte die Stadt das Rittergut und bekam die Burg als "Knochenbeigabe" dazu, wie es Klausnitz formuliert.

Dem damals gegründeten Schlossbauverein sei die Rettung zu verdanken. Er überzeugte Sponsoren und die Landesregierung, begann mit Ausbauarbeiten und der Einrichtung einer Schänke als Vereinsdomizil. Das Museum des Naturkundevereins zog ein. "Schließlich sah sich auch die Stadt genötigt, etwas zu tun. Sie richtete anstelle des Pallas ihr Rathaus ein. Am Giebel prangte die deutsche Kaiserkrone. Damit war gewissermaßen die Wartburg von Mylau hergerichtet", sagt die Restauratorin scherzhaft. Die Stadtverwaltung zog erst 1966 aus.

In Folge der Auseinandersetzungen um Denkmalpflege in Deutschland setzte sich auch auf Mylau nach 1905 zeitgemäßes Bauen im historischen Bestand durch. Seither birgt die Burg neben Ratssaal, Schänke und Museum auch einen Trauraum. "Das Museum wurde ab 1956 Museum des Kreises, auch mit politischen Botschaften, so zur Textilarbeitergeschichte", erzählt die heutige Leiterin.

Nach der Wende fiel alles wieder an die Stadt, die angesichts von 2600 Einwohnern aber an ihre finanziellen Grenzen stieß. 2010 übergab sie die Burg in Erbpacht an den Evangelischen Schulverein, der ein Betreiberkonzept entwickelt hatte. Die EU bewilligte 3,5 Millionen Euro für den Umbau der oberen Burg, die Umstrukturierung des Museums und Neugestaltung einer Dauerausstellung. Auch die Oberstufe des Gymnasiums erhält hier Räume. Dachdecker, Zimmerer, Maler, Elektriker, Tischler, Treppenbauer, Klempner und Heizungsinstallateure geben sich die Klinke in die Hand. "Wir liegen gut in der Zeit", sagt Klausnitz. Wer will, kann sich davon selbst überzeugen.

Die Burgkapelle mit Kreuzgewoelbe und rekonstruierter Deckenmalerei im Palas der Burg Mylau dient heute als Trauzimmer und Ausstellungsraum. Die Kapelle geht auf auf ca. 1900 zurueck, als der Schlossbauverein die Burg massiv umbaute.

Im Entree-Bereich Burg Mylau findet man dieses Deckengemaelde des Reichenbachers Richard Harnisch von 1892.