Ukraine - Unterwegs in Zwickaus Partnerstadt Volodymyr-Volynsky

Der Hauptmarkt von Volodymyr-Volynsky in der Ukraine am Tag vor der Parlamentswahl: Keine Spur mehr von Wahlkampf. Die wenigen Plakate sind verschwunden. Der Wochenmarkt hat die 40.000 Einwohner-Stadt schon um 7 Uhr auf die thermobehosten Beinen gestellt. Von blau-gelb beflaggten LKW wuchten Männer Zentner schwere Netze mit Kohl.

Ein Ehepaar füllt Honig aus einem Bleicheimer in Gläser, die die Kunden teilwiese selbst mitbringen. Söhne dürfen auswählen, welcher Karpfen gleich aus der Zinkwanne gefischt und in die Plastiktüte gesteckt wird.
 

Im August 2013 wurde die Partnerschaft zwischen der 93.000-Einwohner-Stadt in Westsachsen und der 40.000-Einwohner-Stadt in der Westukraine offiziell unterzeichnet. Damals konnte noch keiner ahnen, dass sich das Land wenige Monate später im Kriegszustand befinden würde.

Die älteren Frauen tragen bunte Tücher über den Wollmützen und klopfen das Schweinefleisch, das auf einem Klapptisch liegt mit einem Küchenmesser auf seine Saftigkeit ab. Was in Volodymyrs Partnerstadt Zwickau Frischemarkt heißt, müsste man hier Frischer-geht’s-nicht-Markt nennen.

Am letzten Tag vor den Herbstferien lädt das Kollegium die Zwickauer Gäste zu einem Essen im Sprachenkabinett des Gymnasiums ein.
 

Wodka und Gesang: ukrainische Gastlichkeit im Haus von Nadja Gubal (Mitte). Sie ist Lehrerin am Gymnasium von Volodymyr-Volynsky.

In den vergangenen Jahren sind unter anderem ausgediente Schultafeln, Stühle, Tische und Computer sowie neuestens eine Interaktive Tafel und neue Lehrbücher durch die Stadtverwaltung Zwickau und private Spenden in das Gymnasium von Volodymyr-Volynsky gebracht worden.

Der Zwickauer Stadtrat Karl-Ernst Müller (CDU) hat die Städtepartnerschaft initiiert. Sein Onkel ist im Zweiten Weltkrieg in der Nähe von Volodymyr-Volynsky gefallen. Beim Besuch im  Gymnasium trägt er die ukrainische Tracht und spielt am Klavier das deutsche Volkslied "Im schönsten Wiesengrunde."

Am Tag der Präsidentschaftswahl in der Ukraine. Die 16 Wahllokale in Volodymyr-Volynsky öffnen 8 Uhr. Der Andrang ist riesig.

Wahlleiterin Lyudmila Zhuk (links) begrüßt in der Schule Nr. 1 eine Bekannte. "Die Wahlen sind sicher", ist die Chemie- und Biologielehrerin überzeugt.

Neben drei Wahlbeobachtern der OSZE haben die meisten der 13 zur Wahl angetretenen Parteien eigene Aufpasser ausgebildet und eingesetzt. Allein für die Partei von Premierminister Arseni Jazenjuk sind am Wahltag 200 Freiwillige in Volodymyr-Volynsky unterwegs.
 

„Manche Politiker kaufen sich Stimmen“, erklärt ein 44-Jähriger, der für die Partei von Premierminister Arseni Jazenjuk die Wahl beobachtet. Durch Handlanger würden Wähler auf dem Weg zum Wahllokal bestochen oder betrunken gemacht, damit sie ihr Häkchen so machen wie gewünscht.
 

Die siebte Wahl zum Ukrainischen Parlament nach der Unabhängigkeit der Ukraine 1991  fand am 26. Oktober 2014 statt, nachdem Präsident Petro Poroschenko per Dekret das Parlament aufgelöst hatte, um den Weg zu seiner vorgezogenen Neuwahl freizumachen.Die übliche Legislaturperiode dauert in der Ukraine fünf Jahre, nach der Parlamentswahl in der Ukraine 2012 wäre also 2017 der reguläre Wahltermin gewesen.
 

Die gemäßigte nationalistische Volksfront von Ministerpräsident Arseni Jazenjuk gewann die Wahl mit 22,2 Prozent der Stimmen.Das Parteienbündnis von Präsident Petro  Poroschenkos holte 21,8 Prozent der Stimmen. Knapp dahinter folgte überraschend auf Platz drei die Bewegung Samopomitsch des Bürgermeisters von Lemberg (Lwiw) mit rund 11 Prozent.