Explosionen im nordböhmischen Litvinov

Ein Großbrand in einem Chemiewerk im grenznahen tschechischen Ort Litvinov hat am Donnerstag für Umwelt-Alarm in Teilen des Erzgebirges gesorgt.

Kurz vor 9 Uhr früh erschütterte eine Explosion das zehn Kilometer südöstlich von Seiffen gelegene Werk der Unternehmensgruppe Unipetrol.

Bald loderten Flammen über die teils fünfgeschossigen Gebäude hinaus. Eine schwarze Wolke stieg auf.

Aufgrund der laut Deutschem Wetterdienst ungünstigen Richtung des Windes, der die Wolke in höheren Lagen auf die deutsche Grenze in Richtung Chemnitz zu blies, sandte das Landratsamt Megafon-Fahrzeuge in die Grenzregion.

Einwohner der Orte Deutschneudorf, Seiffen und Olbernhau forderte man auf, in den Häusern zu bleiben und Türen und Fenster zu schließen.

Kameraden der Feuerwehr Niederneuschönberg unternahmen Messfahrten, um eventuell vorhandene Luftschadstoffe zu erfassen.

Laut Unipetrol wurde das Werk komplett evakuiert, ein Mitarbeiter leicht verletzt.

Einsatzkräfte der tschechischen Feuerwehr sperrten die Fabrik ab. I

m Umkreis von einem Kilometer mussten Anwohner ihre Häuser verlassen. Die Straßenbahn-Linie zwischen Litvinov und Most stellte den Betrieb ein.

Zu Irritationen kam es am Nachmittag, als Unipetrol gemeldet hatte, das Feuer sei unter Kontrolle, tschechische Medien aber von weiteren Explosionen berichteten.

Unternehmenssprecher Mikulas Duda verwies gegenüber "Freie Presse" darauf, das in Brand geratene Propen sei nicht zu löschen. Man lasse es kontrolliert abbrennen.

Außer der Belästigung durch den Ruß der Wolke bestehe keine Gefahr. Die Bürgermeisterin von Litvinov, Kamila Blahova, sagte zu den Gründen der Evakuierung, die entwichenen Stoffe seien zwar "nicht giftig, aber schädlich sind sie auf irgendeine Weise schon".

Laut Unipetrol war das Feuer in Anlagen zur Produktion von Ethen ausgebrochen. Das zur Kunststoffherstellung benötigte Produkt wird in einem Dampfspaltungsreaktor gewonnen, ein Prozess, bei dem in geringem Anteil auch gesundheitsschädliche, teils giftige Nebenprodukte entstehen.

Der Dampfspalter in Litvinov hatte im Juli zu ungeplanter Wartung teilweise heruntergefahren werden müssen. Darüber informierte Unipetrol Aktionäre wegen zu erwartender Gewinnausfälle. Über den Hintergrund der Abschaltung sagte man nichts.

Im sächsischen Grenzgebiet sorgten die Nachrichten aus Tschechien für Unsicherheit. Die Website des Landesamtes für Umwelt brach zeitweise zusammen. Grund waren die zahlreichen Zugriffe besorgter Bürger auf die sonst stundengenau abrufbaren Schadstoffwerte.

Nach Auskunft von Amtssprecherin Karin Bernhardt blieben die Werte der Messstationen auf dem Erzgebirgskamm (Zinnwald, Schwartenberg, Fichtelberg, Annaberg und Carlsfeld) für die meisten Schadstoffkonzentrationen im Normbereich.

Lediglich der Ozonwert überschritt die Grenze, was aber nichts mit dem Chemieunfall zu tun gehabt habe.

Bürgermeister auf tschechischer wie deutscher Seite kritisierten den schleppenden Informationsfluss. Der Olbernhauer Bürgermeister Hans-Peter Haustein, der das Freibad hatte schließen lassen, atmete abends durch, dass alles "glimpflich abgegangen" sei.