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Die Mär vom Lokomotivenbau in der Hartmannfabrik Chemnitz

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Dass Chemnitz als sächsisches Manchester galt, geht auf ihn zurück: Richard Hartmann. Zum Imperium des Eisenbahnkönigs gehörten einst 116 Gebäude. Eines davon ist die für die Kulturhauptstadt sanierte Hartmannfabrik. Doch was wurde dort produziert?

Chemnitz.

Wenn sich in Chemnitz einer zu Richard Hartmann auskennt, dann ist das Eberhard Fiebig. Der 71-Jährige ist ausgebildeter Gästeführer und die Tour im historischen Hartmann-Kostüm ein Angebot in seinem Portfolio. Erst am 15. März fand die letzte statt und die nächste ist demnächst terminiert.

Blickfang auf der Tour: die frisch sanierte Hartmannfabrik, die am 3. Mai als Hauptquartier der Kulturhauptstadt-Gesellschaft und damit auch als große Empfangshalle für 2025 eröffnet werden soll. Ein Zehn-Millionen-Projekt eines privaten Investors. 116 Gebäude und 22 hohe Schornsteine auf einer Fläche von 260.000 Quadratmetern umfasste einst das Imperium von Richard Hartmann in Chemnitz. Die heutige Hartmannfabrik war also nur ein kleiner Teil auf einem großen Areal, das sich von der Chemnitz bis zum Schlossteich erstreckte. Und weil Hartmann als Sächsischer Eisenbahnkönig betitelt wird, kommt man schnell zu der Behauptung, dort seien Lokomotiven hergestellt worden. „Das stimmt nicht“, sagt der Gästeführer.

1832 war Hartmann als junger Zeugschmied-Geselle vom Elsass in die junge Industriestadt Chemnitz gewandert und ließ sich hier nieder. Fünf Jahre später gründete er eine Maschinenbauwerkstatt für Spinnmaschinen, ab 1840 wurden dort auch Dampfmaschinen gefertigt. 1848 beginnt das, weshalb Hartmann zum Eisenbahnkönig wurde: Als einer der ersten Lokomotivenbauer erhält er mit der Königlich-Sächsischen Staatseisenbahn einen großen Kunden für sein neues Produkt. Bergwerkmaschinen, Mühleneinrichtungen und Wasserturbinen: Hartmann baute sein Portfolio kontinuierlich aus. 1857 gründete er die Werkzeugmaschinenbau-Strecke. Und damit schließt sich der Kreis zum Kulturhauptstadt-Headquarter: Hier wurden früher Werkzeugmaschinen hergestellt. Ein über hundert Jahre alter Lageplan markiert den Teil, der davon übrig geblieben ist. Laut Eberhard Fiebig wurde der Grundstein für die Halle im Juni 1864 gelegt. „Sie wird also dieses Jahr 160 Jahre alt“, stellt er fest.

Vom Aufstieg und Fall im Industriezeitalter

Die Ära des Lokomotivbaus dauerte bis 1929, ein Jahr später wurde die Firma aufgelöst. Richard Hartmann war 1878 gestorben, die umsatzreichsten Jahre erlebte das Unternehmen nach der Jahrhundertwende, vor dem Ersten Weltkrieg. Auch das 1897 gebaute Verwaltungsgebäude an der heutigen Hartmannstraße prägt als Polizeisitz das Stadtbild bis in die Gegenwart.

Eberhard Fiebig ist fasziniert von der Person Richard Hartmanns. Er hatte selbst einst Maschinenbauer gelernt, bevor er 1989 nach der politischen Wende 25 Jahre lang ein Versicherungsbüro führte und nun im neunten Jahr Gäste durch die Stadt führt. Diese erfahren zum Beispiel auch, welche Maxime für Hartmann als erfolgreichen Unternehmer galten. Nebst kaufmännischer und organisatorischer Fähigkeiten, ausreichend Geld und agilem Reagieren auf dem Markt standen für den Industriepionier offenbar handwerkliches Geschick als Basis für den ersten Fachmann im Betrieb ganz oben. Fiebig findet diesen Ansatz in Zeiten, wo nur ein Studium beruflich was herzumachen scheint, sympathisch.

Richard Hartmann – wie er forderte und förderte

65 Arbeitsstunden an sechs Tagen pro Woche: Ein Blick in die Fabrikordnung von 1862 der Maschinenfabrik Richard Hartmann offenbart die rauen Arbeitsverhältnisse von damals. Laut Fiebig war Hartmann aber umgekehrt einer der Ersten, der ein Lehrgeld einführte. Damals sei eher üblich gewesen, dass der Lehrling Geld für seine Ausbildung mitbringe. Auch die Gründung der ersten Chemnitzer Werkssiedlung namens Kolonie „Heim“ im Jahr 1884 geht auf das Hartmann-Unternehmen zurück.

Wenn Richard Hartmann alias Eberhard Fiebig am 25. April um 16.30 Uhr das nächste Mal zur Gästeführung ansetzt, lautet das Motto: Vom Zeugschmied zu einem der erfolgreichsten „zugewanderten“ Chemnitzer. Beginnend an seiner Villa an der Kaßbergstraße 36 geht es durch die erweiterten Schlossteichanlagen, vorbei an der einzig erhaltenen Produktionshalle, der künftigen Kulturhauptstadt-Zentrale, bis zur Markthalle. Erwachsene zahlen zehn, Studenten sechs Euro. Kontakt: Eberhard-Fiebig@web.de. (suki)

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