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Horrorfilm-Drohung an Flüchtlingshelfer

Die "Identitäre Bewegung" arbeitet subtiler, hat aber die gleiche Stoßrichtung wie Neonazi-Gruppen, sagt Extremismus-Expertin Kerstin Köditz. Auch der Verfassungsschutz hat jetzt ein Agieren gegen die Demokratie erkannt.

Dresden/Zwickau. Vor dem Bad Schlemaer Rathaus im Erzgebirge luden sie im April nachts Misthaufen ab, in die sie Schilder steckten mit Botschaften wie: "Wer Multikulti sät, wird Scheiße ernten." In Zwickau sorgten sie mit Störungen der DGB-Kundgebung am 1. Mai für den Abbruch der Rede von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). Der Zwickauer Tony G., der als Mitglied der "Nationalen Sozialisten" im Ort Kontakt zum mutmaßlichen Terrorhelfer André E. pflegt, also einem der Angeklagten im Münchner Prozess zum "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU), heizt als Redner bei Leipziger Legida-Demos die Stimmung gegen Einwanderer an. Dabei deklariert er sich explizit als Mitglied jener Gruppierung, deren Beobachtung das Landesamt für Verfassungsschutz jetzt angekündigt hat: der sogenannten "Identitären Bewegung Sachsen".

Diese ist ein Ableger jener neu-rechten Bewegung, die, vom französischen "Bloc identitaire" ausgehend, in mehreren Ländern Europas Nachahmer fand und in Deutschland nach eigenem Bekunden jetzt 54 Ortsgruppen zählt. In Sachsen macht Verfassungsschützer Martin Döring fünf Ortsgruppen aus und darüber hinaus Anhaltspunkte für Aktionen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Das ist der Grund für die Beobachtung.

"Um zu der Erkenntnis zu gelangen, muss man die Bewegung nicht durch einen Geheimdienst beobachten lassen. Da reicht eine Internet-Recherche", sagt Kerstin Köditz, Rechtsextremismus-Expertin der Links-Fraktion im Sächsischen Landtag. Die Bewegung bedrohe nicht nur Flüchtlinge, sondern auch Menschen, die sich für diese einsetzen. Köditz verweist auf ein Flugblatt, mit dem der österreichische Ableger der Identitären auf subtile Art Bedrohungsszenarien aufbaute: "Multikulti tötet - und ihr seid schuld", lautet der an Wiener Flüchtlingshelfer und Asylbefürworter gerichtete Satz, mit dem die Gruppe ihr Flugblatt betitelte. Dem schoben sie nach: "Wir wissen, was ihr letzten Sommer getan habt." Dessen Drohung steckt in der Assoziation. Der Satz basiert auf dem Titel des Horrorfilms "Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast", der den blutigen Rachefeldzug eines Serienkillers zeigt. Der tötet Jugendliche, die Schuld auf sich geladen haben.

"Natürlich verlassen die Identitären den Boden der Demokratie", urteilt Köditz. Nur sei die Rhetorik eben subtiler. "Es ist nicht mehr das platte ‚Ausländer raus‘ der alten Rechtsextremen, aber im Grunde dasselbe in neuem Gewand. Jetzt betonen sie, dass unsere Identität bedroht sei." Mit derselben Botschaft schoben Neonazi-Gruppen wie die 2014 verbotenen "Nationalen Sozialisten Chemnitz" bereits ihre "Volkstod-Kampagne" an.

Auch der erwähnte Legida-Sprecher Tony G. formulierte in einem fürs heidnische "Julfest 2005" erstellten Redemanuskript noch unmissverständlicher: Er gehe seit drei Jahren "gegen Regime und Untermenschen vor". Immerhin sei er einer der "Lichtmenschen", und die hätten "die Bestimmung und das gegebene Schicksal, nicht nur Deutschland, sondern die ganze Welt zu richten". G.s Redebeitrag fand das BKA auf einem Computer, der beim NSU-Angeklagten André E. beschlagnahmt wurde.

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