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Handwerk fordert: Sachsen soll Schülern Geld für Ferienpraktika zahlen

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In Sachsen-Anhalt gibt es sie schon, in Sachsen sperrt sich die Landesregierung dagegen: eine Prämienzahlung, mit der Schüler für einen Handwerksberuf begeistert werden sollen. Aber könnte die tatsächlich auch den Fachkräftemangel beheben?

Chemnitz.

Der Präsident der Chemnitzer Handwerkskammer (HWK) sorgt sich um den Nachwuchs im Handwerk. Schon jetzt fehlen in fast allen Handwerksberufen Fachkräfte, Kunden müssen oft wochen- oder monatelang auf einen Termin warten, Aufträge können nicht abgearbeitet oder nicht angenommen werden.

Hunderte Lehrstellen in Sachsen unbesetzt

Zwar ist die Anzahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Chemnitzer Kammerbezirk im vergangenen Jahr weiter leicht gestiegen. Die Lücke füllt das aber bei Weitem nicht, da Jahr für Jahr Hunderte Lehrstellen im Handwerk in der Region nicht besetzt werden. Es gebe eine erhebliche Schieflage im Bildungssystem, beklagt das Handwerk. So ist der Anteil der Schulabsolventen mit allgemeiner Hochschulreife in Sachsen seit 2010 von knapp 30 Prozent auf fast 40 Prozent gestiegen. Zugleich haben aber auch 2,6 Millionen junge Menschen in Deutschland keinen Berufsabschluss. Ein zentrales Problem bestehe darin, dass viele Jugendliche ihre Chancen nicht richtig kennenlernen und ihre Fähigkeiten sowie Interessen nicht erkunden würden, beklagt das Handwerk.

Chemnitzer Kammerpräsident: Es fehlt der Anreiz

Der Chemnitzer Handwerkskammerpräsident Frank Wagner fordert deshalb jetzt erneut vom Land, Schülerinnen und Schülern für ein Praktikum in einem Handwerksbetrieb in den Ferien eine staatliche Prämie zu zahlen. „Gerade die Ferien wären ein geeigneter Zeitraum, um in ein Berufsfeld hineinzuschnuppern und selbst zu testen, ob eine Ausbildung in einem Gewerk für einen geeignet ist“, sagt Wagner. Auf diesem Wege könne mit relativ geringem finanziellen Aufwand viel für die Berufsorientierung getan werden. „Es fehlt schlicht an mancher Stelle der Anreiz für die jungen Menschen, die im Übrigen mit dem Geld auch zum Beispiel Fahrtkosten zum Praktikumsplatz begleichen könnten.“ Sachsen-Anhalt, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern machten das schon vor.

Magdeburger Wirtschaftsministerium: Prämie ist in Sachsen-Anhalt eine Erfolgsgeschichte

Sachsen-Anhalt zum Beispiel zahlt Schülerinnen und Schülern schon seit 2020 eine Prämie fürs Handwerkspraktikum in der Ferien. Wer mindestens 15 Jahre alt ist und in den Ferien mindestens eine Woche lang bei einem ausbildungsberechtigten Handwerksbetrieb hineinschnuppert, erhält dort vom Land 120 Euro pro Woche. Das sei eine Erfolgsgeschichte, heißt es dazu aus dem Magdeburger Wirtschaftsministerium. Allein 2022 haben dort landesweit fast 800 junge Menschen diese Förderung in Sachsen-Anhalt in Anspruch genommen. Fast jeder Fünfte habe danach eine Ausbildung im Handwerk begonnen, so das Wirtschaftsministerium.

Handwerk: Keine Konkurrenz zu regulären Ferienjobs

Eine Konkurrenz zu den regulären bezahlten Ferienjobs sieht das Handwerk dabei nicht. „Da die Praktika ja tatsächlich vor allem zur Berufsorientierung dienen und verschiedene Aspekte und Abläufe des jeweiligen Betriebs nähergebracht werden“, sagt der Chemnitzer HWK-Referent Robert Gruner. „Bei einem Ferienjob geht es ja um die reine Arbeitsleistung.“

Darum lehnt Sachsens Kultusminister Piwarz die Prämie ab

Die sächsische Landesregierung sperrt sich dennoch gegen die Einführung einer derartigen staatlichen Prämie. So hatten die drei sächsischen Handwerkskammern den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) schon einmal vor einem Jahr in einem gemeinsamen Schreiben darum gebeten. Und mit dieser Idee hatte sich die Handwerkskammer Chemnitz sogar schon 2022 an den sächsischen Kultusminister Christian Piwarz (CDU) gewandet. Doch der lehnte ab. Die Begründung: Diese Beschränkung auf Handwerksbetriebe wäre eine Benachteiligung anderer Branchen. Zudem sollten die Schüler aus pädagogischer Sicht die Entscheidung über einen Praktikumsplatz nicht aus finanziellen Gründen treffen, sondern die Auswahl müsse unvoreingenommen erfolgen.

Sachsens Regierung setzt stattdessen auf Kooperationsvereinbarungen

Stattdessen werben Kretschmer und Piwarz für eine engere Zusammenarbeit von Schulen und Unternehmen. Dazu soll es vertraglich geregelte Kooperationsvereinbarungen geben, teilte das Kultusministerium am vergangenen Montag mit. „Wir wollen bei den jungen Leuten frühzeitig die Neugier für Natur und Technik wecken. Denn Wissen ist unsere wichtigste Ressource, besonders in den MINT-Fächern“, erklärte Kretschmer. Hinter MINT stehen die Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Eine intensive Zusammenarbeit zwischen Schulen und Betrieben fördere die Berufswahlkompetenz der Schülerinnen und Schüler und das Interesse an den MINT-Fächern.

Auch Arbeitgeberpräsident Jörg Brückner äußerte sich in diesem Sinne. „Wir brauchen dringend Fachkräfte. Ohne MINT finden wir keine Lösungen für die Aufgaben in den Bereichen Energie, Mobilität und Klimaschutz.“

Wirtschaftsminister Dulig für Zahlung

„Die Idee, Schülerinnen und Schüler noch stärker an die Betriebe heranzuführen, ist richtig“, sagt auch der Chemnitzer Handwerkschef Frank Wagner. Kooperationen zwischen Schulen und Betrieben seien aber nur ein Möglichkeit von vielen, junge Menschen für das Handwerk zu begeistern. „Es braucht einfach mehrere Wege, um den Mangel an Fach- und Arbeitskräften entgegenzutreten.“

Den sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) weiß Wagner dabei auf seiner Seite. „Grundsätzlich begrüßen wir alle Ideen, die dazu beitragen, junge Menschen für eine Berufsausbildung im Handwerk zu begeistern“, so Ministeriumssprecher Jens Jungmann auf Anfrage der „Freien Presse“ - und verweist auf das aktuelle Wahlprogramm der sächsischen SPD. „Mit Praktikumsprämien und Ausbildungsanreizen fördert der Freistaat insbesondere Kleinstunternehmen in den ländlichen Räumen, damit diese attraktive Angebote unterbreiten können“, kündigt die SPD dort an. Umgesetzt werden müsse das aber „bürokratiearm“, so Jungmann. (juerg)

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