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Der Freie-Presse-Buchverlag: Weltgefühl im Heimatbuch

Vor 30 Jahren erschien das erste Buch im Verlagsprogramm der "Freien Presse" - ihm folgten fast 150 Titel, von denen einige zu regionalen Bestsellern wurden.

Als vor 30 Jahren, im Januar 1991, das erste Buch im Chemnitzer Verlag erschien, ahnte Klaus Walther, "Erfinder" und Mitbegründer des Buchprogramms der "Freien Presse", sicher nicht, dass sich im Laufe der Zeit bis heute eine stolze Liste von etwa 150 Titeln ansammeln sollte, die zum Teil für einiges Aufsehen sorgen sollten.

Damals war die "Freie Presse" die erste ostdeutsche Tageszeitung, die über ein eigenes Buchprogramm verfügte. Ursprünglich hatte es Klaus Walther der damaligen Geschäftsleitung des Chemnitzer Verlages auch vorgeschlagen, um den nach der Wende plötzlich heimatlos, also verlagslos gewordenen Schriftstellern der Region Veröffentlichungsmöglichkeiten zu bieten. Darunter waren immerhin preisgekrönte, kritische Autoren wie Rainer Klis und Günter Saalmann. Das erste Buch im Verlagsprogramm stammte denn auch von dem renommierten Schriftsteller Wolfgang Eckert: "Der Meeraner Bote", ein echtes Kind der Wendezeit mit "Geschichten aus der Kleinstadt". Anfangs wurden eher sporadisch zwei, drei Titel im Jahr veröffentlicht, ein Profil des Verlages war noch nicht recht erkennbar. Doch bald entwickelte Klaus Walther, zum Teil mit Redakteuren der Freien Presse, Ideen, die dem Verlag ein ausgeprägtes regionales Profil verliehen. "100 sächsische Köpfe" sammelte in 100 Geschichten die Leistungen sächsischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Künstlerinnen und Künstler von internationaler Bedeutung. "Unsere schönsten Burgen und Schlösser", "Autoland Sachsen", "Das große Buch vom Vogtland", "Silbernes Erzgebirge" sind fast so etwas wie Standardwerke geworden und seit Jahrzehnten im Programm.

Daneben wurde vieles ausprobiert. Eine Interview-Reihe der Freien Presse mit Prominenten, initiiert von Ulrich Hammerschmidt und Torsten Kleditzsch, der damals noch nicht Chefredakteur der Zeitung war, wurde in mehreren kleinen Bänden verewigt, die heute wichtige Zeitzeugen sind. Einst in der DDR verfolgte Autoren wie Utz Rachowski und Axel Reitel erhielten im Buchverlag der Freien Presse Veröffentlichungsmöglichkeiten. Sogar an Lyrik versuchte sich der Verlag - und die erste Buchveröffentlichung des Hainicheners Andreas Altmann "die dörfer am ufer das meer" brachte ihm gleich einen Preis ein.

Und dann kam die Jahrtausendwende und mit ihr das "Jahrhundertbuch". 100 Geschichten über 100 Jahre sächsischer Geschichte, an dem Dutzende Autorinnen und Autoren, Fotografinnen und Fotografen mitarbeiteten. Das Buch verkaufte sich etwa 75.000 Mal und wurde damit ein echter Bestseller. Dieser Erfolg wurde wenige Jahre später noch übertroffen von einem ganz besonderen Buch, das eigentlich eine Broschüre ist. "Die Flut" entstand 2002 noch während der Hochwasserkatastrophe innerhalb von zwei Wochen. Redakteurinnen und Redakteure arbeiteten fast Tag und Nacht an dem Buch, das nicht zuletzt eine gewaltige Hilfsaktion der "Freien Presse" für die Hochwasseropfer unterstützte. Denn für jedes der etwa 95.000 verkauften Exemplare spendete das Unternehmen zusätzlich einen Euro für die Hochwasserhilfe, die damals vielen Menschen in der Region zugute kam.

Ein Höhepunkt der Verlagsgeschichte sollte auch der Roman "Ein Himmel aus Stein" von Eberhard Görner werden, der dem Erbauer der Dresdener Frauenkirche George Bähr gewidmet ist und bis heute mehr als 20.000 interessierte Leserinnen und Leser gefunden hat. Inzwischen gehören historische Romane aus der Feder von Eberhard Görner, der die Fernsehserie "Polizeiruf 110" in der DDR miterfunden hat, zu den Konstanten im Verlagsprogramm. Erst jüngst hatte der Autor aus Bad Freienwalde mit seinem biografischen Roman über Rosina Schnorr, die mutige Unternehmerin aus dem Erzgebirge, wieder den Nerv der Zeit getroffen, würdigt er doch darin eine Frau, für die zu ihrer Zeit wirtschaftlicher Erfolg keineswegs selbstverständlich und neben der Versorgung von fünf eigenen und acht angenommenen Kindern eine Herausforderung war.

Sehr viele begeisterte Leserinnen und Leser fanden auch die "Sächsischen Wanderführer" von Hans-Gerd Türke, die in ihrer Art wohl einmalig sind. Beschreibt der Autor doch nicht nur die Wanderwege selbst und Naturschönheiten am Wegesrand, sondern weiß auch kurz und knapp, immer aber gründlich recherchiert und aufmerksam registriert, über jedes besonderen Stein, jedes Gebäude, jedes Denkmal, dem die Wanderer begegnen, Interessantes zu berichten.

Der Bergbau als einer der prägendsten Wirtschaftszweige der Region mit Wirkungen auf die soziale und kulturelle Geschichte nicht nur des Erzgebirges spielte immer wieder eine Rolle im Verlagsprogramm. Mit dem kürzlich verstorbenen Freiberger Gunther Galinsky, den ausgezeichneten Bergbaukennern Jens Kugler und Bernd Lahl haben renommierte Autoren im Buchprogramm der "Freien Presse" veröffentlicht. "Alles kommt vom Bergwerk her" ist ebenfalls zu einer Art Standardwerk über den Bergbau in Sachsen geworden.

Besondere Aufmerksamkeit fanden auch die Bildbände von Dirk Hanus. Dem Chemnitzer Fotografen gelingt es wie kaum einem anderen, "seine" Stadt ins Bild und in Szene zu setzen. Sein Debüt im Buchprogramm der Freien Presse, der Band "Chemnitz - Stadt in Bildern", ließ selbst Einheimische verwundert kommentieren: "Ich wusste gar nicht, dass meine Stadt so schön ist." Ähnlich aufsehenerregend seine Luftbildbände über das Erzgebirge und sein detailreicher Bildband über den Kaßberg. Der jüngste Bildband von Dirk Hanus, "Tradition mit Zukunft" stellt erstmals historische und zeitgenössische Industriearchitektur, Industriekultur im weitesten Sinne vor. Er ist geradezu eine Liebeserklärung an eine Stadt, die sich nicht auf ihren Traditionen ausruht, sondern mit Mut und Fantasie Zukunftsideen entwickelt.

Diese Verbindung von Tradition, Gegenwart und Zukunft ist zum Markenzeichen des Buchprogramms der "Freien Presse" geworden. Die Autorinnen und Autoren haben, fest verwurzelt in der Heimat, immer den Blick in die Welt gesucht, im Kleinen das Große gesehen und umgekehrt. Da war und ist für Engstirnigkeit und Provinzialität kein Platz. Dies beweist auch Klaus Walther selbst, der pünktlich zum 30. Jubiläum des Buchprogramms Leserinnen und Leser an seinem ganz persönlichen "Erlebnis Erzgebirge" teilhaben lässt.

Mit dieser Art weltaufgeschlossener Heimatverbundenheit hat sich das Buchprogramm der Freien Presse einen guten Namen gemacht und sich trotz veränderter Lesegewohnheiten einen angesehenen Platz in der regionalen Verlagslandschaft erobert. 

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