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Goodbye Shanghai (15.12.12)

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Mein erster Gedanke an diese Morgen war: It's over; that's it.

Nach 124 Tagen in Shanghai hieß es heute Abschied nehmen und zurück nach Deutschland. Der Tag begann überraschend schön, weil die Sonne trotz Regenmeldungen schien. Es hatte nur über Nacht ein wenig geregnet. Die Straßen waren zwar noch nass, allerdings machte ich mir deshalb keine Sorgen.

Ein Fehler, wie sich schon bald herausstellen sollte. Etwas zu leichtsinnig wollte ich während meiner morgendlichen Fahrradfahrt zur Schule noch kurz vor einem Taxi abbiegen und bin dabei aber in zu steile Schräglage geraten und aufgrund der Nässe weggerutscht. Und weil es das erste Mal war, dass ich hingefallen bin, aber zugleich auch das letzte Mal, dass ich diese Strecke fuhr, hat es mich natürlich richtig erwischt: Die Hose war außen am linken Bein komplett eingesaut und auch die Jacke war auf der linken Seite dreckig. Zum Glück ist mir aber nichts weiter passiert und ich konnte noch in die Schule fahren. Dort habe ich dann erst Mal meine Sport-Hose angezogen, die ich zum Glück dabei hatte, weil wir heute Sport hatten.

Dann hatte ich meine letzten vier Unterrichtsstunden an der WISS und von Anfang an war zu merken, dass jedem bewusst war, dass ich während der Mittagspause gehen würde. Neben einigen persönlichen Abschiedsgeschenken bekam ich auch eine Karte von der gesamten Klassenstufe, in die jeder einen kleinen persönlichen Satz geschrieben hatte und in der viele mich daran erinnerten, dass ich mal vorbeikommen muss, wenn ich wieder in Shanghai sein werde. Ich hatte ehrlich gesagt nicht mit so viel Herzlichkeit gerechnet und verlasse Shanghai deshalb mit gemischten Gefühlen. Einerseits geht es zurück an meine alte Schule und zu meinen Freunden dort, aber andererseits verlasse ich auch auf längere Zeit meine neuen Freunde hier.

Gelohnt hat sich der Auslandsaufenthalt auf jeden Fall indem ich einen Einblick in ein völlig anderes und für mich meiner Meinung nach nicht ganz so passendes Schulsystem hatte, neue Freunde gefunden habe, im Englischen definitiv sicherer geworden bin und nicht zuletzt noch einmal mehrere Monate mit meiner Familie verbracht habe.

Über das Schulsystem, das Middle Years Programm (MYP) kann ich jetzt sagen, dass es mir häufig nicht tiefgründig genug und dafür aber viel zu viel Fleißarbeit ist und ich darauf keine Lust habe. Das wird schon darin deutlich, dass es nur 8 Fächer (Math, Chinese, Humanities, English, Sciences, PE, Art/Music, Tech) gibt und damit gerade einmal halb so viele wie an meiner Schule in Deutschland. Dass es da nicht ganz so umfassend sein kann, ist klar.

Science ist immer mein Paradebeispiel dafür, dass der Unterricht für mich manchmal mehr einer Beschäftigungs- als Lehrzweck hatte:

Unter Science sind Chemie, Physik und Biologie zusammengefasst und werden jeweils zu einem Drittel des Schuljahres unterrichtet. Ich habe dabei den Biologie- und Chemieunterricht miterlebt. In Biologie haben wir uns mit dem menschlichen Genom, DNA, Proteinen und der erblichen Weitergabe von physischen Merkmalen beschäftigt. Unter anderem war es dabei nötig mithilfe eines Kombinationsquadrats herauszufinden, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass zwei braunhaarige Eltern ein blondes Kind bekommen. Das ist eigentlich einfach und trotzdem haben wir solche Aufgaben mit übermäßig viel Schreibaufwand (Erscheinungsbild (also z. B. blond oder braun), Erbgut und aus dem Erbgut resultierende mögliche Gameten für beide Eltern und alle Kinder) immer wieder machen müssen, auch wenn die Antwort ohne all diese Schritte klar war. Doch gerade bei solchen Formsachen ist das International Baccalaureate (IB) sehr strikt und da lässt auch kein Lehrer mit sich reden.

In Chemie haben wir uns mit Alkanen, Alkenen und Alkoholen beschäftigt und dort ist mir aufgefallen, weil wir das auch gerade an meiner Schule in Deutschland machen und ich versuche den Unterrichtsstoff parallel nachzuholen, dass auch da im Vergleich zum Deutschen Schulsystem nur an der Oberfläche gekratzt wird:

In der ersten Stunde hat uns die Lehrerin kurz die ersten 10 Alkane und ihre Merkmale (Anzahl der Kohlenstoff-Atome) vorgestellt, in der zweiten die Alkene und dann sollte wir uns ein Experiment überlegen, in dem wir Alkohol verbrennen und dabei versuchen etwas herauszufinden. Was und auch die Methode war dabei uns überlassen, allerdings sollten wir einfach im Internet suchen, weil man dort ja alles über ein solches Experiment findet.

Als es dann an die Durchführung des Experiments ging, wurden wir in Zweiergruppen eingeteilt und dann mit den Arbeitsmitteln quasi uns selbst überlassen. Für mich kein Problem, weil wir im letzten Jahr verstärkt in Physik, Chemie und Biologie experimentiert haben. Mein Partner allerdings, so schien es mir zumindest, hatte bisher entweder gar nicht oder nur selten experimentiert und deshalb auch nicht wirklich Kenntnis über das richtige Ablesen vom Thermometer (Senkrecht zur Skala von der Seite) und war auch insgesamt eher zurückhaltend.

Während der Auswertung überraschte mich die Lehrerin ein wenig, weil sie bei einigen Chemischen Rechnungen die ich gemacht hatte (Stoff des letzten Schuljahres) und ihr dann zur Kontrolle geben wollte selber erstmal eine Weile überlegen musste. Sie hat mir dann noch gesagt, dass das eigentlich Stoff der IB-Oberstufe wäre. In Deutschland ist es Stoff der 9. Kasse.

Es gibt noch einige Beispiele auch aus anderen Fächern, in denen ich deutlich gemerkt habe, dass meine Deutsche Schule doch einige Vorzüge aufweist und ich sie wirklich nur ungern gegen die WISS oder eine andere Schule eintauschen würde. Doch ich denke, es ist klar geworden, was ich meine.

Der Bildungsaspekt ist auch einer der Hauptgründe dafür, wieder nach Deutschland zu gehen und nicht wie meine Eltern und meine Schwester für länger nach Shanghai umzusiedeln.

Sicherlich habe ich auch in Shanghai wunderbare Freunde gefunden (mit denen ich auch unbedingt versuchen werde in Kontakt zu bleiben!) und es war eine sehr schöne Zeit mit meiner Familie, allerdings sehe ich mein Gymnasium in Deutschland für meinen weiteren Bildungsweg doch als die bessere Alternative.

Nun beginnt das Boarding und ich verabschiede mich von Shanghai und sage: Bis Februar, wenn ich meine Eltern für zwei Wochen besuchen werde und wir eine Woche Urlaub in Hongkong machen werden.

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