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Still-Leben

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Betreiber von Online-Netzwerken wie facebook sind keine Busenfreunde. Jedenfalls nicht in aller Öffentlichkeit. Andernfalls wäre es kaum möglich gewesen, den Zorn abertausender Internetnutzer auf sich zu ziehen. Die Sache ist die: Etliche weibliche Mitglieder haben in den vergangenen Jahren vollkommen offenherzig Bilder mit nackten Tatsachen auf ihren persönlichen Profilen hinterlegt. Fotos, die zeigen, wie frau sich einen zur Brust nimmt. Manchmal auch zwei. Die Rede ist von ... Säuglingen!

Die Bilder zeigen mehr oder weniger das, was so ein kleiner Kerl den lieben langen Tag am Busen der Natur macht, wenn er nicht gerade schläft, schreit, sich den Hintern abwischen lässt oder die Grimassen schneidende Verwandtschaft ertragen muss. Die Mütter jedenfalls fanden die Fotos schön, stellten sie online und hatten dabei wohl nicht auf der Rechnung, dass Facebook das eine oder andere Still-Leben löschen würde. Der Grund ist nicht etwa, dass die Aufnahmen ausufernde Trinkgelage minderjähriger Milchbubis zeigen, also quasi Bilder so genannter Mothersucker. Vielmehr lässt Facebook-Sprecher Barry Schnitt im Brustton der Überzeugung verlauten, die Fotos verstießen gegen die Richtlinien, wonach obszöne, pornografische oder sexuell eindeutige Inhalte nicht veröffentlich werden dürfen.

Das ist ein starkes Stück. Ist ein Säugling bei der Arbeit jetzt schon anstößig? Bei Facebook hat man da klare Vorstellungen: Fotos, die eine vollkommen entblößte mütterliche Brust zeigen, sind bäh. Eigentlich genügt es schon, wenn ein Brustwarzenhof zu sehen ist. Wobei man gern betont, nicht von sich aus aktiv zu werden, sondern erst, wenn andere Nutzer sich über solche Bilder beklagen. Natürlich!

Der Widerstand hat nicht lange auf sich warten lassen. Er begann, als Facebook der US-Amerikanerin Kelli Roman via E-Mail die Pistole auf die Brust setzte: Sie solle, so hieß es sinngemäß, Teile ihres Profils nicht länger missbrauchen. Gemeint waren Bilder, die Roman und eines ihrer Kinder beim Stillen zeigten. Roman ließ sich das nicht bieten, organisierte Protest. Mit Erfolg. Ihre Facebook-Petitionsgruppe "Hey, Facebook, breastfeeding is not obscene!" (Stillen ist nicht anstößig) zählt inzwischen 161.000 Unterstützer. Der Kampf gegen die Facebook-Politik kulminierte Ende Dezember in einem virtuellen Massen-Stillen: 11.000 Mitglieder ersetzten Porträtbilder ihrer Facebook-Profile durch Bilder, auf denen Frauen ihrem Kind die Brust geben. Derzeit sieht es nicht nach Stillstand an der Stillfront aus.

Unterdessen wartet man gespannt darauf, welche vermeintlich obszönen Inhalte noch herausgefiltert werden. Sind Bilder von grünen Gurken, Baseballschlägern und Wolkenkratzern weiterhin erlaubt? Prüde Menschen könnten darin schließlich einen Phallus erkennen. Und darf man Wörter wie Finnischer Meerbusen, Armbrust oder Brustbeutel in Zukunft ungestraft verwenden? Mit ein wenig Fantasie ließe sich so ziemlich alles auf den Index setzen. Quasi von hinten durch die Brust ins Auge. Nur was passiert dann wohl mit einem Netzwerk, das allzu restriktiv gegen seine Mitglieder vorgeht? Es nippelt ab.

Von Ronny Strobel


Website der Petitionsgruppe "Stillen ist nicht anstößig": http://www.facebook.com/group.php?gid=2517126532

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