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Versenktes Auto im Schloßteich: Was der Klimawandel mit den nächsten "Gegenwarten" in Chemnitz und einer Ausstellung in Bad Ischl zu tun hat

Erinnern Sie sich noch an die Kunstaktion mit dem versenkten Auto im Chemnitzer Schloßteich? Es hatte mit dem Klimawandel zu tun. Ein Thema, das die Kunst nicht loslässt. Das zeigen derzeit auch die Kulturhauptstadt Bad Ischl und demnächst die Chemnitzer "Gegenwarten" - die vielleicht wieder ein Aufreger werden.

Kunst.

Selten hat Kunst in Chemnitz für so viele Diskussionen gesorgt wie das im Schloßteich halb versenkte Auto, von dem fast nur Frontscheibe und Scheinwerfer aus dem Wasser ragten. Die einen fragten entsetzt: Das ist Kunst? Andere nutzten es als ungewöhnliches Fotomotiv. Und wieder andere erkannten darin Kunst mit relevantem Hintergrund. Denn in der Aktion "Versinken" des Schweizer Künstlers Roman Signer ließen sich Anspielungen auf katastrophale Wetterlagen wie sintflutartige Regenfälle und Überschwemmungen finden, die der Klimawandel mit sich bringt. Und auch wenn manchen das Thema zum Hals raushängt: Der Klimawandel bleibt aktuell im Lebensalltag wie in der Kunst selbst. Das zeigen auch die bereits zu sehende Hauptausstellung der derzeitigen Kulturhauptstadt Bad Ischl in Österreich und die kommende Ausstellung "Gegenwarten" in Chemnitz.

Zweite Auflage ab 22. Juni

Das versenkte Auto war ein Objekt der ersten Ausgabe der "Gegenwarten" im Jahr 2020, einer Ausstellung internationaler zeitgenössischer Kunst im Stadtzentrum unter freiem Himmel. Initiiert vom damaligen Chef der Chemnitzer Kunstsammlungen, Frédéric Bußmann, war diese erste Auflage auch ein Vorzeigeprojekt für die damals finale Bewerbungsphase der Stadt um den Titel Kulturhauptstadt Europas für 2025. Die zweite Auflage wird nun dieses Jahr vom 22. Juni bis 29. September stattfinden und sich unter dem Titel "New Ecologies. Gegenwarten II" ganz dem Klimawandel widmen. Das Projekt setze sich zum Ziel, mit künstlerischen Interventionen von international renommierten, aber auch jungen Künstlern und Künstlerinnen sowie Chemnitzer Initiativen "die Klimakrise sichtbar zu machen und den global geführten Diskurs auf einer lokalen Ebene zu verorten", heißt es in der Ankündigung. Inwieweit derart thematisierte Kunst im öffentlichen Raum die (Zerstörungs-)Wut von Leugnern des Klimawandels anzieht, ist mit einem Fragezeichen versehen. Da hat es die Hauptausstellung der diesjährigen Kulturhauptstadt Bad Ischl in Österreich leichter.

Die befasst sich zwar auch mit dem Klimawandel und hält der Gesellschaft kritisch den Spiegel vor, steht aber nicht ungeschützt im Freien, sondern im Alten Sudhaus. Das ist eine der wenigen Brachen im sonst so beschaulich-hübschen Bad Ischl. Im Sudhaus wurde früher Salz gewonnen; Bad Ischl liegt im Salzkammergut, die ganze Region gehört zur diesjährigen Kulturhauptstadt, bis heute wird dort Salz abgebaut.

Eine kleine lokalhistorische Ausstellung dazu ist im Alten Sudhaus auch zu sehen, aber die große Hauptausstellung mit dem Titel "Kunst mit Salz & Wasser" zeigt zeitgenössische Werke internationaler Künstler, vor allem Installationen und Videos. Es geht um das alte Handelsgut Salz, aber eben auch um den Klimawandel. Hier in Österreich mit den Bergen vor der Nase liegt der Fokus dabei auf schmelzenden Gletschern, auf wässrigem Eis.

Vom Brechen des Eises

Das Video "Räumliche Maßnahme (1)" von Nicole Six und Paul Petritsch etwa dauert 28 Minuten und zeigt einen auf einer Eisfläche stehenden und dabei weitgehend von Nebel umgebenen Mann, der unbeirrt die Spitzhacke schwingt. Er sägt nicht den Ast ab, auf dem er sitzt, sondern schlägt das Eis weg, auf dem er steht - das Ergebnis ist dasselbe: Wir zerhauen uns die eigene Lebensgrundlage. Ein Sinnbild für den Klimawandel. Am Ende wird das Bild urplötzlich schwarz, und die Geräuschkulisse lässt auf das Einbrechen des Mannes ins Wasser schließen.

Einen anderen Soundtrack zum Klimawandel bietet die Klanginstallation "Monuments to a melting Voice" von Caterina Gobbi. Geräusche eines unablässig tropfenden Eiszapfens oder das Knarren vor dem Brechen einer Gletscherspalte könnten auch dem Soundtrack eines Horrorfilms entnommen sein.

Nicht viel weniger eindrücklich ist das Video "Ice Cry Baby" von Anouk Kruithof. Dafür hat sie im Netz Youtube-Filme gesucht und zusammengestellt, in denen schmelzendes Eis und kollabierende Gletscher zu sehen und Menschen im Hintergrund zu hören sind, die mit "Ahs" und "Ohs" den Naturschauspielen folgen oder mit kreischähnlichen Geräuschen das Abbrechen von Eisblöcken anzufeuern scheinen. Die Künstlerin spiegelt damit die Lust der Menschen am Spektakel wider, hinterfragt die mediale Verbreitung katastrophaler Umweltereignisse und die Gleichgültigkeit gegenüber deren Ursachen. Nach dem Motto: Hauptsache, ein spektakuläres Video gepostet! Nach mir die Sintflut!

Eine Verbindung zwischen Mensch und Umwelt symbolisiert auch die Installation von Lucy und Jorge Orta: Sie haben auf einer Plätte, mit der früher Salz auf dem Fluss transportiert wurde, eine Wasseraufbereitungsanlage montiert und verweisen unter anderem auf Trinkwasserknappheit. Das lässt sich mit Dürren im Klimawandel verbinden.

Das monumentale Aquarell "Glacier", das auf Grundlage dokumentarischer Aufnahmen des vom Klimawandel bedrohten Rhonegletschers in der Schweiz entstand, zeigt hingegen ameisenkleine Menschen in der riesigen Bergkulisse beim Abstieg ins Tal. So winzig sie erscheinen, so mächtig können die Konsequenzen ihres Handelns sein.

Durch ihre vielfältigen Ausdrucksformen schaffe es Kunst, abstrakte Sachverhalte zu verbildlichen sowie ästhetisch, emotional und intellektuell erfahrbar zu machen, heißt es seitens der für die "Gegenwarten" zuständigen Chemnitzer Kunstsammlungen. Das verdeutlicht die Ausstellung in Bad Ischl gut, und das zeigte auch die erste Auflage der Chemnitzer "Gegenwarten". Ob nun die zweite Auflage der Open-Air-Ausstellung so emotional geführte Debatten schüren wird wie damals allein das versenkte Auto? Das Thema Klimawandel hat zumindest das Potenzial dazu.


Die Ausstellung "Kunst mit Salz & Wasser" im Alten Sudhaus in Bad Ischl in Österreich, etwa 50 Kilometer von Salzburg entfernt, ist bis 31. Oktober zu sehen. www.salzkammergut-2024.at

Die Ausstellung "New Ecologies/Gegenwarten II" im Stadtraum Chemnitz ist vom 22. Juni bis 29. September zu sehen. www.kunstsammlungen-chemnitz.de

Eine Reportage über die derzeitige Kulturhauptstadt Bad Ischl in Österreich finden Sie hier

Ein Interview mit der künstlerischen Leiterin der Kulturhauptstadt Bad Ischl, Elisabeth Schweeger, finden Sie hier

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