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Verleger Dr. Thomas Schaub zum 75. Jubiläum der "Freie Presse": Vom Geschenk des Vertrauens

Der langjährige Verleger der "Freien Presse" über die Relevanz von Journalismus und wie die Zeitung in der aktuellen Kakofonie der Nachrichten um das Vertrauen ihrer Leser ringt.

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

vor einigen Wochen hat die "Freie Presse", rechtzeitig vor ihrem 75. Geburtstag, ihren neuen integrierten Newsroom in Betrieb genommen. Für diejenigen, die mit unserem Fachjargon nicht so vertraut sind: Es handelt sich dabei um einen großen Raum, eine Art Nervenzentrum der Redaktion, in dem Redakteure, Grafiker und Online-Spezialisten gemeinsam daran arbeiten, die bedeutsamsten Themen zu identifizieren, zu gestalten sowie die Inhalte unserer Zeitung und unserer digitalen Angebote rechtzeitig und in hoher Qualität fertigzustellen. Erarbeitet werden diese Inhalte von unseren Lokalredaktionen vor Ort und den Zentralressorts. Das Wort "integriert" bedeutet in diesem Zusammenhang - und darauf will ich eigentlich hinaus - , dass hier die Unterscheidung in Online-Produktion und Print-Produktion aufgehoben wird, weil alle gemeinsam sowohl für die digitalen Kanäle als auch für die gedruckte Zeitung arbeiten, wenn auch in spezialisierten Rollen. Dies ist eine Zäsur in der Entwicklung der "Freien Presse", kein Endpunkt, aber ein bedeutsamer Zwischenschritt auf dem Weg in die Zukunft.

Um das ein wenig zu verdeutlichen, erlauben Sie mir, dass ich 25 Jahre zurückschaue. Damals, 1995, hatte ich gerade mal ein Jahr die verlegerische Verantwortung für die "Freie Presse" übernommen, und in einem Text aus Anlass des 50. Geburtstages unseres Familienunternehmens, der Medien Union in Ludwigshafen, schrieb ich folgendes:

"Neue Entwicklungen hin zu elektronischen Medien werden die Landschaft unserer Branche verändern. Neue elektronische Medien wollen sich neben den herkömmlichen wie Fernsehen und Rundfunk etablieren. Wie grundlegend dieser Wandel sein wird, darüber gehen die Meinungen weit auseinander. Sicher dürfte aber sein, dass er auch die Zeitungen berühren wird."

Nun, heute wissen wir, dass dieser Wandel so grundlegend war, wie es sich damals wohl nur wenige vorstellen konnten. Und dass die Zeitungen davon berührt würden, das war wohl die Untertreibung des (vergangenen) Jahrhunderts.

Was ist passiert, was hat sich verändert? Das Internet hatte damals vor allem technisch eher versierten Menschen einen neuen Zeitvertreib beschert, indem man sich vor dem Röhrenbildschirm seines "Personal Computers" sitzend von Link zu Link hangelte, um neue Dinge zu entdecken. (Man nannte das "surfen". Gibt es heute noch jemanden, der das tut?)

Heute ist das Netz zu einem allumfassenden Kommunikationskanal geworden, über den alles transportiert wird, was sich irgendwie digital codieren lässt. In seiner Bedeutung ist das Internet zu einer Infrastruktur geworden, die in der Wichtigkeit zur Wasser- und Stromversorgung aufschließt.

Später, im Jahr 2007, gab es noch eine weitere, fast noch bedeutsamere Entwicklung: Die Erfindung des Smartphones, das den Menschen erlaubte, das Netz immer und überall zu nutzen. Diese Entwicklungen haben unser tägliches Leben derart massiv verändert, dass es einem heute schwerfällt, sich daran zu erinnern, wie man seine alltäglichen Probleme zuvor bewältigt hat.

Die "Freie Presse" hat sich während dieser Jahre immer an die Entwicklung angepasst. Wir waren - bewusst - nicht immer ganz vorne in Richtung Online dabei, was uns einige Sackgassen erspart hat, in die andere mit großer Überzeugung gelaufen sind. Inzwischen sind wir aber sicher, dass wir den richtigen Weg beschreiten, indem wir den Lesern unsere Inhalte über alle Kanäle ausspielen, die sie nutzen wollen, und sie somit auch zu jeder Zeit und an jedem Ort verfügbar machen.

Zwei Aspekte sind meiner Meinung nach in diesem Zusammenhang wichtig für unsere Zeitung:

Alle Akteure, die im weltumspannenden Netz unterwegs sind, ringen um unsere Aufmerksamkeit als Publikum. Da diese aber ein begrenztes Gut ist, zeitlich und konzentrationsmäßig gesehen, werden die Reize, denen die Anbieter uns aussetzen, immer stärker, ihre Frequenz immer höher. Wir stumpfen einerseits unweigerlich ab, werden aber andererseits geradezu süchtig nach dem nächsten K(l)ick. Haben Sie einmal in letzter Zeit Menschen beobachtet, die gewartet haben? Wie viele hatten kein Smartphone in der Hand?

In diesem Wettbewerb um Aufmerksamkeit muss sich die Zeitung heute behaupten. Wir sind dabei nicht chancenlos, aber es ist nicht leicht. Wir haben durch die im Vergleich zu anderen Medien größere Nähe zu den Menschen in unserem Verbreitungsgebiet einen Vorteil, was die Übermittlung von Nachrichten und anderen journalistischen Inhalten betrifft. Aber diese stehen in Konkurrenz zu diversen anderen Angeboten auf den mobilen Computern, die wir mit uns herumtragen: Chat-Programme, die das wichtige Bedürfnis nach zwischenmenschlicher Kommunikation bedienen, Spiele zum Zeitvertreib, oder auch Filme, Podcasts oder Musik zur Unterhaltung.

Der andere Aspekt, den ich ungemein wichtig finde, ist ein gesellschaftlicher. Die Medien, und mit ihnen auch die "Freie Presse", haben im vergangenen Vierteljahrhundert ihr Sendemonopol verloren, das heißt, sie sind nicht mehr die Einzigen, die in der Lage sind, Inhalte hin zu vielen Menschen zu bringen. Heute kann sich jeder im Netz öffentlich äußern, wann und worüber auch immer. Manch einer sah in der Vergangenheit das Netz als Grundlage für eine pluralistische, basisdemokratische Gesellschaft, in der jeder gleichberechtigt mit jedem kommunizieren kann und alles transparent ist.

Daran ist erst einmal nichts Schlechtes. Leider ist es aber in der Praxis nicht so, wie sich viele es erträumten.

Zum einen reicht es nicht, sich zu äußern, sondern man muss in der Kakofonie der Inhalte auch die notwendige Aufmerksamkeit erhalten (siehe oben). Zum anderen leidet die Qualität der Diskussionen im Netz schon lange darunter, dass die Regeln im Umgang miteinander, die in der physischen Welt noch weitgehend eingehalten werden, im Netz im Schutze der Anonymität dagegen völlig bedeutungslos erscheinen. Und zum Dritten gibt es in dieser Welt leider einige Akteure, die mit hohem finanziellem Aufwand eine virtuelle Wirklichkeit schaffen, um ihre (nicht immer legitimen) Ziele zu erreichen.

Da kommt, so meine ich, der Journalismus ins Spiel. Auch wenn wir heute aus einer Vielzahl von Informationsquellen wählen können, ist umso wichtiger, dass es eine Instanz wie die "Freie Presse" gibt, wo Redakteure daran arbeiten, Informationen zu sammeln, zu bewerten, auszuwählen und verständlich darzustellen.

Diese Instanz, also die "Freie Presse", braucht für ihre Existenz natürlich zuallererst Vertrauen und Glaubwürdigkeit. Denn nur dann werden genug Leser ihr Geld dafür ausgeben, um sich bei uns zu informieren.

Viel ist darüber geschrieben worden, dass die Medien an Glaubwürdigkeit verloren haben. Manch ein Journalist hat eher weinerlich lamentiert, dass Umfragen ein sinkendes Vertrauen in die Arbeit seines Berufsstandes geliefert haben. Ich halte das für falsch: Niemand hat Anspruch auf Vertrauen. Vertrauen ist etwas, das einem (manchmal auch im Voraus) geschenkt wird, wenn man seiner würdig ist.


Was tut die "Freie Presse", um sich das Vertrauen ihrer Leser zu verdienen? Zuallererst wollen wir (journalistische) Qualität liefern. Nun ist dieser Begriff zwar sehr positiv besetzt, allerdings nicht wirklich leicht zu definieren. Im Jahre 2005 haben wir für die "Freie Presse" festgelegt, was wir darunter verstehen wollen. Ein Text (und damals sprachen wir nur über Texte) soll für uns gut sein, wenn er folgende Eigenschaften in sich vereint:

  • Richtigkeit
  • Bedeutsamkeit
  • Exklusivität
  • Handwerklich gut gemacht
  • Attraktivität

Im Zusammenhang mit dem Vertrauen und der Glaubwürdigkeit, die wir uns erarbeiten wollen, ist natürlich der erste Punkt ein entscheidender. Für uns gehört zur Richtigkeit, dass wir uns der Wirkung unserer Arbeit bewusst sind und verantwortungsvoll handeln wollen. Dass wir keine falschen Eindrücke erwecken und ein möglichst vollständiges Bild des Geschehens vermitteln. Aber auch, dass wir verstehen, was wir schreiben und es sorgfältig und kritisch auf Plausibilität prüfen.

Dass alle Inhalte, die wir herstellen, in dieser Hinsicht qualitativ gut sind, das ist das Optimum, das wir anstreben. Allerdings sind die Menschen unvollkommen, und auch unsere Redakteure sind Menschen: Es ist natürlich nicht alles richtig, was in der "Freien Presse" steht. Kaum einer weiß besser als ich, dass wir Fehler machen, aus mangelnder Sorgfalt, aber auch, weil wir es manchmal nicht besser wissen. Es schmerzt zwar dies zuzugeben, aber auch das gehört zur Vertrauenswürdigkeit dazu.

Ich weiß aber: Unsere Redaktion arbeitet hart daran, unseren eigenen Maßstäben gerecht zu werden: Die Dinge richtig darzustellen, sorgfältig alle relevanten Informationen zu liefern und Bericht und Meinung voneinander getrennt zu halten. Und dies soll gelten für alle Informationen, die wir Ihnen, unseren Leserinnen und Lesern, liefern - ob in gedruckter oder digitaler Form, ob in Form eines Textes, eines Podcasts oder gar eines Videos. All den Inhalten, die wir in unserem neuen, integrierten Newsroom bereitstellen können.

Insofern hoffe ich, dass wir Ihres Vertrauens würdig sind. Meine Aufgabe als Verleger sehe ich darin, das in meiner Macht Stehende zu tun, dass dies auch in Zukunft so bleibt.

Herzliche Grüße

Ihr

Dr. Thomas Schaub

Zum Beitrag: Das sind die Köpfe hinter der Medien-Union

Alle Beiträge zu "75 Jahre Freie Presse" in unserem Spezial

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44 Kommentare

Die Diskussion wurde geschlossen.

  • 4
    0
    gelöschter Nutzer
    20.05.2021

    So weit ich das beurteilen kann, bekommt die FP hinsichtlich ihrer regionalen Berichterstattung auch von mir nur Bestnoten. Meinen herzlichen Glückwunsch!

    Was man von der überregionalen Nachrichtengebung, da man am Infusionstropf von dpa hängt, in keiner Weise behaupten kann.

    Es fällt auf, dass man bei Ereignissen, die die Gesellschaft bewegen, aber bei dpa offenbar nicht ins Weltbild passen und die eigentlich gar nicht passieren dürften, wie Kölner Domplatte oder muslimischer Antisemitismus, der Agentur kurzzeitig ganz einfach die Sprache, oder soll man sagen die Spucke, wegbleibt. Was sich naturgemäß auf alle Abnehmer, also auch die FP negativ auswirkt.

    Mit der 'Alpenprawda', wie die Süddeutsche auch neckisch bezeichtnet wird, befindet sich die FP nicht gerade in ausgewählter Gesellschaft.

    Aber wer kann schon für seine Nachbarn.

  • 8
    0
    Freigeist14
    20.05.2021

    Die Treuhand war allein am schnellen Verkauf der ehemaligen Bezirkszeitungen interessiert . Die großen Medienhäuser West standen Schlange . Nahezu alle überregionalen Zeitungen befinden sich in westdeutschen Händen . Die Milliardärs-Familie Schaub bekam ihren Teil vom großen Kuchen . Man kann der Freien Presse in der regionalen Berichterstattung allerdings Bestnoten erstellen . Weiter so !

  • 9
    0
    NeuErzgebirger
    20.05.2021

    Auch meinen Glückwunsch zum 75.!
    Verbunden mit einer großen Bitte:
    Man hätte noch viel mehr Lust zum Lesen, wenn es eine kleine technische Änderung geben würde. Ist es nicht möglich, die App für iOS so zu programmieren, dass beim Drücken von ZURÜCK auch ZURÜCK ausgeführt wird? Und nicht AUF ANFANG? Es gibt echt nichts Nervenderes, als ständig nach dem Lesen eines Artikels durch die ganze Zeitung zurück scrollen zu müssen. Im Alter von 75 Jahren müsste man das doch drauf haben……. ;))

  • 15
    1
    fnor
    20.05.2021

    Ich lese die Freie Presse obwohl sie Preiserhöhungen nicht transparent kommuniziert. Stattdessen wird die MwSt.-Änderung genutzt, um innerhalb eines halben Jahres die Preise möglichst unbemerkt um 3 Euro zu erhöhen. Preisänderungen werden nur auf Seite x ganz klein im Impressum angekündigt.

    Haben Sie Mut und stehen Sie zu Ihrer Qualität, kommunizieren Sie Preisanpassungen offen und bemerkbar.

    Ich lese die Freie Presse obwohl die Webseite auch für bezahlende Kunden online massenhaft Werbung anzeigt. Teils sind fragwürdige Produkte und Investments darunter.

    Ruinieren Sie nicht Ihren Ruf durch fragwürdige Werbung. Entscheiden Sie sich, ob Geld mit Werbung oder durch die Kunden eingenommen werden soll.