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Leser sammeln für schwerkranke Chemnitzer Ärztin: "Innerhalb von Stunden konnte ich mich nicht mehr bewegen"

Anne Philipp war Ärztin am Klinikum und führte ein pralles Familienleben mit drei Kindern. Doch dann änderte sich in kürzester Zeit wirklich alles.

Es sollte ein erholsamer Familienurlaub werden. Doch stattdessen ist die Erinnerung an die Zeit 2017 in Rostock für Anne Philipp mit einem Schicksalsschlag verbunden. Ihr drittes Kind, Sarah, war gerade sechs Monate alt und an einer Lungenentzündung erkrankt, Philipp steckte sich an. Was sie damals noch nicht wusste: Der Infekt verschlechterte schlagartig Autoimmunerkrankungen, an denen sie schon lange litt, die aber bis dahin unentdeckt geblieben waren. "Innerhalb von Stunden konnte ich mich nicht mehr bewegen", beschreibt Philipp die Symptome. Die Lähmung breitete sich an diesem Tag rasch über den gesamten Körper aus. Sie kam auf die Intensivstation. Es ging so weit, dass sie gar keinen Muskel mehr bewegen konnte. "Auch die Atmung war gelähmt und ich konnte nicht klingeln", beschreibt sie die traumatische Situation. Zufällig sei aber jemand ins Zimmer gekommen, der sie fand. Doch mit einer Diagnose taten sich die Ärzte schwer, obwohl der stellvertretende Klinikchef bereits in der Notaufnahme den richtigen Verdacht geäußert hatte, so Philipp. Er vermutete, dass die Patientin eine Form der Muskelschwäche hat.

Schließlich wurde sie in die Charité in Berlin verlegt. Doch bis die Diagnose Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom feststand, vergingen zwei Monate. Bei dieser Autoimmunerkrankung ist die Impulsübertragung zwischen Nerv und Muskel gestört. Die Folge ist eine Muskelschwäche, Myasthenie genannt. Und es folgte eine weitere Diagnose: Anne Philipp leidet nicht nur an einer Form der Myasthenie, sondern auch noch an einer zweiten, Myasthenia gravis genannt. Kennzeichnend dafür ist eine schwere Muskelschwäche, die belastungsabhängig ist und sich in Ruhe wieder bessert.

Als die junge Frau die Diagnosen hört, wird ihr einiges klar. Erklären müssen die Ärzte nicht all zu viel, denn Philipp ist selbst promovierte Ärztin, die bis dahin in der Kinderheilkunde arbeitete. Myasthenia gravis wird auch als Snowflakes disease bezeichnet, als Schneeflocken-Krankheit, denn sie kann unzählige Erscheinungsformen annehmen und wirkt sich bei jedem Betroffenen anders aus. Darum sei die Diagnosestellung der sehr seltenen Krankheit auch so schwierig, manche Patienten würden sehr lange Zeit ohne Diagnose oder mit einer falschen leben, erläutert die 35-Jährige. Rückblickend habe es durchaus auch früher schon Symptome gegeben, die aber viel zu unspezifisch gewesen seien.

Anne Philipp ist nun auf einen Rollstuhl und Rund-um-die-Uhr-Betreuung angewiesen. Diese organisiert sie mit einem Team aus Assistenten, das in Schichten arbeitet und ihren Alltag begleitet. Die Krankheit sei sehr wechselhaft, beschreibt sie. Da sich die Muskelschwäche in Ruhe bessert, sei sie kurzzeitig in der Lage, zu stehen und zu laufen. "Für viele ist es noch immer nicht nachvollziehbar, dass ich in dem einen Moment in der Lage bin zu gehen, mich schon wenig später nicht mehr bewegen kann und der Kreislauf nach Ruhe wieder von vorne beginnt", beschreibt sie.

Im Alltag brauche sie viele Ruhepausen, alles gehe langsamer als früher. "Wenn ich mich bewege oder viel spreche, tut mir danach alles weh, auch die Atmung, das Zwerchfell", sagt sie. Trotzdem sei vieles möglich im Alltag - mit den Kindern basteln, spazieren gehen, Freunde besuchen - wenn man den Mut habe, die Abläufe immer wieder neu zu organisieren. Trotz ihrer Krankheit und der Einschränkungen kann Anne Philipp auch strahlend lächeln. Ihr christlicher Glaube spiele dabei eine große Rolle. Er gebe ihr eine Perspektive über das Leben hinaus. "Das gibt mir neue Hoffnung, ich kann langfristig denken", sagt sie.

Im Jahr 2020 folgte eine weitere Lebensveränderung: Seit dem leben sie und ihr Mann getrennt und betreuen die drei Kinder im Alter von fünf, sieben und zehn Jahren im Wechselmodell. Der Alltag funktioniert auch dank eines Kleinbusses, in dem nicht nur die Kinder, sondern auch sie mit ihrem Elektrorollstuhl Platz finden. Doch das Auto ist altersschwach, hat schon viele Reparaturen hinter sich und die elektrische Rampe funktioniert nur noch im Notbetrieb. Ohne das Auto könnte sich Philipp nicht mehr aus Grüna weg bewegen und schon gar nicht gemeinsam mit ihren Kindern. Da es in ihrer Lebenssituation keine Zuschüsse für ein solches Fahrzeug gibt, versucht der Verein "Leser helfen" mit Spenden ein neues Auto für Anne Philipp und ihre Kinder zu finanzieren.

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