Regionale Nachrichten und News mit der Pressekarte
Sie haben kein
gültiges Abo.
Regionale Nachrichten und News
Schließen
Helen Strauss (links), ihre Tochter Claudia Strauss-Forster und John Forster sind aus Neuseeland nach Chemnitz gekommen. Für ihre Vorfahren wurden Stolpersteine vor dem ehemaligen Kaufhaus Schocken verlegt.
Helen Strauss (links), ihre Tochter Claudia Strauss-Forster und John Forster sind aus Neuseeland nach Chemnitz gekommen. Für ihre Vorfahren wurden Stolpersteine vor dem ehemaligen Kaufhaus Schocken verlegt. Bild: Andreas Seidel
Chemnitz
Neue Stolpersteine in Chemnitz verlegt: Nachfahren von einstigem Schocken-Chef reisen aus Neuseeland an

23 der symbolischen Messingplatten des Künstlers Gunter Demnig sind am Mittwoch im gesamten Stadtgebiet verlegt worden. Einer erinnert an Siegfried Strauss, der in den 1930er-Jahren das berühmte Kaufhaus leitete.

Chemnitz.

Ihre Vorfahren waren in der Zeit des Nationalsozialismus offenbar so weit weg von Deutschland geflohen, wie es nur irgendwie ging. „Wenn Sie eine Nadel von Chemnitz aus durch den Globus stecken würden, würde sie in Neuseeland herauskommen“, sagt Helen Strauss, deren Großvater Siegfried Strauss von 1935 bis 1938 das ehemalige Kaufhaus Schocken am heutigen Stefan-Heym-Platz leitete und deren Vater in Chemnitz zur Schule ging.

Wegen seiner Expertise in der Herstellung von Strümpfen erhielt Siegfried Strauss für seine Frau und seine beiden Kinder Visa für Neuseeland. Seine Enkeltochter Helen wurde selbst im dortigen Wellington geboren. Ihre Familie hat mittlerweile wieder einen deutschen Pass, Tochter Claudia absolviert gerade an der Charité in Berlin ein Praktikum im Rahmen ihres Medizinstudiums. So haben sie wieder eine Verbindung nach Deutschland aufgebaut.

Für die Verlegung der vier Stolpersteine für Siegfried Strauß, seine Ehefrau Dina (geborene Spiro) und ihre beiden Kinder vor dem Archäologiemuseum Smac ist Helen Strauss mit ihrem Mann extra aus Neuseeland angereist. „Wir sind erstaunt, was für ein großartiges Museum heute aus dem Kaufhaus geworden ist.“

Auch Stolpersteine für Sinti und Roma

Am Mittwoch wurden insgesamt 23 dieser quadratischen Tafeln des Künstlers Gunter Demnig im Stadtgebiet verlegt. Die Tour startete 9 Uhr vor der Oper mit einer Rede des Oberbürgermeisters. „Sie sind zwar nur 10 mal 10 mal 10 Zentimeter groß, aber sie stehen jeweils für ein großes Leben“, sagte Sven Schulze über die mit Innschriften verzierten Messingsteine, die seit 2007 jährlich in Chemnitz verlegt werden.

Vor der Oper wurde ein Stolperstein für Anton Richard Tauber zwischen zwei Steinplatten vor dem Eingang eingefasst. Tauber war von 1912 bis 1930 Generalintendant der Vereinigten Stadttheater in Chemnitz. Angesichts heftiger Auseinandersetzungen in der Stadt um die Kultur- und Theaterpolitik verzichtete er 1930 auf eine Verlängerung seines Vertrages. 1936 ging er nach Italien, später in die Schweiz. Mit den Stolpersteinen soll auch daran erinnert werden, wie eng jüdisches Leben mit dem kulturellen Leben der Stadt verbunden ist, sagte OB Schulze.

Ein weiterer Stolperstein erinnert jetzt vor der Oper an Anton Richard Tauber, von 1912 bis 1930 Generalintendant der Vereinigten Stadttheater in Chemnitz.
Ein weiterer Stolperstein erinnert jetzt vor der Oper an Anton Richard Tauber, von 1912 bis 1930 Generalintendant der Vereinigten Stadttheater in Chemnitz. Bild: Andreas Seidel

Erstmals wurden am Mittwoch auch Stolpersteine für Sinti und Roma verlegt, die ebenfalls während des Nationalsozialismus in Deutschland systematisch verfolgt und ermordet wurden. So befinden sich jetzt auch zwei Stolpersteine für die Eheleute Hoff in der Altendorfer Straße 17. Der Musiker Hugo Hoff wurde im Juni 1938 inhaftiert und befand sich bis zu seinem Tode am 25. Februar 1940 im Konzentrationslager Buchenwald. Seine Frau Martha Hoff, geborene Braun, wurde am 25. September 1943 im Vernichtungslager Auschwitz ermordet.

In den Fußweg Walter-Oertel-Straße 24 wurde ein Stolperstein für Johannes Strauch eingesetzt. Aufgrund einer geistigen Behinderung konnte er die Andréschule nur bis 1936 besuchen. Seit September 1943 befand er sich in der Landesheilanstalt Großhennersdorf, wo er wenige Monate später umgekommen war.

Der Historiker Jürgen Nitsche hat viele Jahre über die Geschichte der Juden in Chemnitz geforscht.
Der Historiker Jürgen Nitsche hat viele Jahre über die Geschichte der Juden in Chemnitz geforscht. Bild: Andreas Seidel

Ausstellung im Rathaus

Hanna Wertheim hatte am Mittwoch ebenfalls eine lange Reise hinter sich. Die Israelin aus der Partnerstadt Kirjat Bialik ist nicht nur wegen der Verlegung der Stolpersteine nach Chemnitz gekommen. Sie hat am Nachmittag eine Ausstellung mit Bildern von israelischen Kindern im Rathaus eröffnet. Damit soll die Brücke zwischen den Partnerstädten gestärkt werden. „Im nächsten Jahr sollen Bilder von Kindern aus Chemnitz in Kirjat Bialik ausgestellt werden“, sagt sie.

Der Austausch zwischen den beiden Städten lebt. Nach dem Überfall der Hamas auf Israel im Oktober hat die hiesige Jüdische Gemeinde Geld für Kindergärten gespendet. „Sieben Kindergärten in Kirjat Bialik haben keine Schutzräume, in denen sich die Kinder bei Raketenangriffen in Sicherheit bringen können“, sagt Vorsitzende Ruth Röcher. Deshalb hätten die Chemnitzer bisher fast 35.000 Euro gesammelt. Am Mittwochabend sollten durch ein Benefizkonzert des Chores der Jüdischen Gemeinde weitere Spenden gesammelt werden. (cma)

© Copyright Chemnitzer Verlag und Druck GmbH & Co. KG
Das könnte Sie auch interessieren
31.03.2025
4 min.
Neue Stolpersteine in Burgstädt: Die bewegenden Biografien dahinter
Im Oktober 2013 wurde im Burgstädter Ortsteil Herrenhaide ein Stolperstein für den Kommunisten Albert Hößler verlegt. Jetzt sollen sechs neue Steine zur Erinnerung an NS-Opfer gesetzt werden.
Juden, Euthanasie-Opfer und Kriegsdienstverweigerer: Die Schicksale von Willi Königsberg, Kurt Dathe und Max Moserth sind eng mit der NS-Zeit verknüpft. Was macht ihre Geschichten so besonders?
Bettina Junge
22.03.2025
4 min.
Warum Treuen einen Stolperstein für die jüdische Familie Herzfeld ablehnt
Horst Teichmann mit dem Poesiealbum seiner Cousine Rosemarie. Deren Freundin Marianne hatte dort ein Gedicht reingeschrieben.
Mit dem Erinnern an Holocaust-Opfer tun sich Stadt und Stadträte schwer. Ein Stolperstein ist nicht gewollt. Eine Gedenktafel als Alternative lässt seit Jahren auf sich warten. Für alles gibt es Gründe.
Cornelia Henze
17.04.2025
2 min.
Rochlitz: Mann verletzt zwei Personen mit Messer - Hubschrauber im Einsatz – Festnahme
Zwei Menschen erlitten am Donnerstag Stichverletzungen.
Am Donnerstagabend wurden Polizei und Rettungskräfte zum Aldi an der Geithainer Straße gerufen. Ein Mann verletzte zwei Menschen mit einem Messer schwer. Nun ermittelt die Kripo.
Kirsten Erlebach
08:16 Uhr
1 min.
Bilder des Tages vom 18.04.2025
Karwoche in Sevilla: Büßer der Macarena-Bruderschaft ziehen durch die Nacht
08:00 Uhr
3 min.
Balkonmöbel und Terrassenböden schonend reinigen
Holzmöbel im Freien: Sanfte Pflege sorgt für neuen Glanz.
Sie ärgern sich über Grünbelag oder Schmutz auf der Terrasse, und Ihre Balkonmöbel aus Holz wirken stumpf? Tipps, wie Sie Böden und Möbel unkompliziert reinigen - und das ganz ohne Chemie.
16.04.2025
2 min.
Prozess: Behinderte Frau in Oberlungwitz beim Sonnenbaden von Auto überrollt
Am 6. August 2024 wurden Rettungskräfte und Polizei wegen des Unfalls zur Wohnstätte der Lebenshilfe in Oberlungwitz gerufen.
Die Unfallfahrerin musste sich am Mittwoch vor dem Amtsgericht Hohenstein-Ernstthal verantworten.
Bernd Appel
Mehr Artikel