„Leser helfen“ in Chemnitz: Jakob und der unbedingte Wille zum Leben
Dass der Neunjährige zur Schule geht, spielt und mit seinen vier Geschwistern Spaß hat, ist nicht selbstverständlich. Die Ärzte gaben ihm kaum Überlebenschancen. Die Geschichte einer Familie aus Chemnitz und wie der Alltag ein bisschen leichter werden könnte.
Chemnitz.Katja Langer hat jedes Detail noch im Kopf. Vor knapp zehn Jahren zog sie mit ihren damals vier Kindern ins Heckertgebiet. Wenig später wurde sie schwanger. Jakob. Ein Glück, ein Wunschkind. Dann der Schock. Bei einer Untersuchung zu Beginn der Schwangerschaft wurde eine Spina befida – ein offener Rücken – diagnostiziert. Eines von etwa 1000 Kindern ist davon betroffen. Es handelt sich um eine Fehlbildung der Wirbelsäule und des Rückenmarks. Während der Embryonalentwicklung verschließt sich die Wirbelsäule nicht ganz, sodass sich die normalerweise im Wirbelkanal verlaufenden Nerven und Rückenmarksteile aus dem Rücken vorwölben. Jakob hatte eine schwere Form. Katja Langer wurde geraten, dass Kind tot zu gebären. „Das war eine sehr schwere Zeit. Aber ich konnte mir einfach nicht vorstellen, diesen Weg zu gehen.“
„Er hat mir signalisiert, dass er sein möchte“
Katja Langer begann zu kämpfen. Gegen ihre Angst, gegen den Rat der Ärzte und für Jakob. Eine intensive Schwangerschaft sei es gewesen. „Er hat mir signalisiert, dass er sein möchte.“ Sie tat alles, um ihrem Sohn den bestmöglichen Start zu geben. Gesunde Ernährung, Yoga, viel Bewegung. Sie probierte alles. Sie habe eine sehr innige Verbindung mit dem Baby in ihrem Bauch gespürt.
Dann eine Veränderung. Katja Langer wurde in der 32. Schwangerschaftswoche zur Intensivschwangerenberatung ins DRK-Krankenhaus in Rabenstein überwiesen. Von dort aus ging es weiter nach Leipzig ans Uniklinikum. Dort, so erzählt Katja Langer, habe sie Hoffnung geschöpft. Es gab eine Perspektive für Jakob. Die Ärzte machten ihr Mut, erzählt die 45-Jährige. Eine Operation war unvermeidlich. Jakob sollte per Kaiserschnitt auf die Welt kommen und danach der Rücken in einer aufwändigen OP geschlossen werden. „Ich hatte große Angst“, sagt Jakobs Mutter.
Mit dem Taxi fuhr sie nach Leipzig. Ein Auto besitzt die Familie nicht. Alles wird mit öffentlichen Verkehrsmitteln erledigt. In der Uniklinik folgten Untersuchungen und dann war es soweit. Jakob sollte auf die Welt kommen. Kurzfristig wurde der Kaiserschnitt verschoben. Am liebsten wäre Katja Langer weggerannt.
Dann Kaiserschnitt, Aufwachraum, noch ein Blick auf den kleinen Jungen, dann wieder OP-Saal für Jakob. Sechs Stunden wurde er operiert. Es lief alles gut, dennoch Intensivstation für Jakob und ein wochenlanger Krankenhausaufenthalt. Eigentlich wollte Katja Langer ins Ronald McDonald Haus ziehen. Aber der Kaiserschnitt hatte sie doch zu sehr geschwächt. „Ich hätte es nicht geschafft, in die Klinik zu laufen“, so Langer. Hinzu kam der Babyblues, die Sorgen: „Ich war total fertig.“
Dann endlich durften beide das erste Mal nach Hause. Dort warteten die vier Geschwister. Doch der nächste Krankenhausaufenthalt wartete auch. Wie bei vielen Kindern, die mit einem offenen Rücken auf die Welt kommen, hatte auch Jakob ein Wasserköpfchen. Wieder eine OP. Auch die verlief erfolgreich. Eine Prognose, wie sich Jakob entwickeln würde, gab keiner, so seine Mutter.
Ein Auto würde den Alltag der Familie sehr erleichtern
Und heute? Jakob ist mittlerweile neun Jahre alt. Er sitzt im Rollstuhl. „Er ist ein super Rollifahrer“, sagt seine Mutter. Schon früh habe er sich und seinen Körper ausprobiert. „Er hat auch sehr früh gesprochen.“ Er besucht die Entdeckerschule auf dem Terra Nova Campus in Chemnitz. Der Neunjährige braucht Unterstützung. Er braucht viele Therapien, regelmäßig Untersuchungen. Das alles macht Familie Langer mit Bus und Bahn. Auch der Weg aus dem Heckertgebiet zur Schule auf dem Sonnenberg jeden Morgen erledigen sie mit den Öffis. Neben Jakob und seiner Mutter Katja besteht die Familie aus vier weiteren Kindern und mittlerweile sogar zwei Enkeln. Die älteste Tochter Jessica (26) ist längst ausgezogen, Johannes (20) lebt in einer anderen Stadt. Joshua (15) und Julius (fast 13) leben noch in der Wohnung. Mit einem Auto, in das auch der Rollstuhl oder auch das Handbike passen, wäre der Alltag deutlich einfacher. Die „Freie Presse“-Spendenaktion „Leser helfen“ soll das möglich machen. (aed)
Das Spendenformular finden sie online unter www.freiepresse.de/langer-helfen